Eines direkt vorweg: Blühen werden dieses Mal ausschließlich die Träume vom Green Jacket, abgesehen von den roten Klecksen der späten Kamelien und des winterfesten Feuerdorns fällt die gewohnte verschwenderische Pracht der Azaleen, Magnolien oder Rhododendren bei diesem 84. Masters aus, dafür dominieren die Farben des Herbsts. Alle Golfwelt fragt sich, wie Augusta National sein wird bei diesem letzten Major des Jahres, das normalerweise das erste ist? „Genau so wie im April!“, bescheidet Ian Poulter während einer Einspielrunde seine Social-Media-Gefolgsleute: „So sieht der Golf-Himmel im November aus.“
Es wird gemunkelt, dass die Granden in Grün gar noch ein paar bunte Bäume einpflanzen ließen, um die Kulisse zu kolorieren. Das ist nicht bestätigt, würde aber zu all der künstlich choreographierten Natur passen, die Augusta National zum gewohnten Austragungszeitraum in der jeweils ersten vollen Aprilwoche aufbietet. So oder so, niemand wird auf belaubten Fairways seinen Ball unter einem Belag von Blättern suchen müssen, dafür sorgt die Akribie des Greenkeepings. Und den 94 Akteuren wird die gewohnte Kulisse der Patrons mehr fehlen als blühende Büsche.
Kulisse freilich ist das eine, aber wie spielt sich nun Augusta National im November? Masters-„Honoratioren“ vom Format eines Tiger Woods, Phil Mickelson und Fred Couples – „Boom Boom Freddie, der Sieger von 1992, tritt zum 35. Mal an – wurden im Vorfeld befragt, ihre Aussagen waren unisono ebenso eindeutig wie logisch: „Ziemlich lang, wenn es kalt ist. Die Bälle gehen nicht sonderlich weit.“
Titelverteidiger Woods hat das Geläuf tatsächlich schon mehrfach im Spätherbst umrundet, das traditionell Mitte Oktober für die Mitglieder aus dem „Sommerschlaf“ geweckt wird, nachdem das für die Wintersaison eingesäte, kühlere Temperaturen und Frost verkraftende Rye-Gras eingewachsen ist. „Wenn dann noch der zu dieser Zeit übliche Nordwind hinzukommt, wird es furchtbar schwierig und deutlich anders als das, was wir im April gewohnt sind“, sagt der fünffache Champion.
Der kühle Herbst fällt aus
Indes, es wird nicht kalt, nicht mal kühl. Verheißt jedenfalls die Wettervorhersage. Normalerweise ist es in Augusta im November rund fünf Grad kühler als im April, die Werte liegen maximal bei 20,1 Grad, im Minimum bei 4,9 Grad und durchschnittlich bei 12,5 Grad gegenüber den 24,8 bzw. 9,3 und 17 Grad im Frühjahr.
Derzeit aber gehen die Wetterfrösche für die anstehende Woche von warmen Temperaturen um die 25 und mehr Grad aus. Das prognostizierte frostige Herbstwochenende fällt wohl aus. Lediglich am Sonntag könnte die Quecksilbersäule im Thermometer mal deutlich unter 20 Grad rutschen.
DeChambeau-Granaten, dass die Blätter blass werden
Nicht weit genug fliegende Bälle dürften also das geringste Problem sein. Wenngleich das Geläuf pelziger und federnder ist als im April, weil das übersäte, für die heißen, feuchten Sommer in Georgia ideale Bermuda-Gras wegen der milden Temperaturen seine Winterruhe unterbrochen hat. Die Regenfälle taten ihr Übriges, der Boden ist weich, die Kugeln haben nach der Landung kaum „Roll“.
Bryson DeChambeau reibt sich jedenfalls schon die Hände. Der „Hulk mit dem Holz“ schlägt bereits auf den Proberunden Granaten in Richtung der durch das SubAir-System belüfteten und trocken gehaltenen Grüns, dass die Blätter blass werden. Dazu aber an anderer Stelle mehr.
What's Bryson going to be hitting into the greens at The Masters?@CarlPaulsonGolf got an inside peak from Sandy Lyle during a recent practice round Lyle played w/ DeChambeau at Augusta. pic.twitter.com/KVZqK8A2Rl
— Masters Radio on SiriusXM (@SiriusXMPGATOUR) November 3, 2020
Das größte Sorgenpotenzial bei diesem ersten November-Masters in der Geschichte des Turniers bieten die kurzen Tage. Es ist schlichtweg nicht genug Licht da, um die Runden wie gewohnt über dieselben zu bringen, weil es um 17:25 Uhr Ortszeit dunkel wird. Statt der 12:59 Stunden Tageslicht im April stehen jetzt nur 10:27 Stunden zur Verfügung. Winterzeit ist auch. Und weil niemand Augusta National im Dreier-Flight in dreieinhalb Stunden umrunden kann, wird an den ersten beiden Tage der ungeliebte Start von Tee 1 und 10 durchgezogen, mit jeweils acht Flights in einer Vormittags- sowie einer Nachmittagssession.
Finaltag mit Dreier-Flights von zwei Tees
Nach dem Cut gehen die besten 50 Spieler (plus Schlaggleiche) am Samstag 90 Minuten früher an den Abschlag, damit der letzte Flight vor Dunkelheit auf dem 18. Grün ist. Noch komplizierter wird es am Finaltag, weil überdies ein Play-off einkalkuliert werden muss, der TV-Partner CBS aber ab 16.05 Uhr Ortszeit ein Spiel der National Football League NFL zu übertragen hat. Folglich könnte sonntags wieder in Dreier-Gruppen und auf beiden Neuner-Schleifen gestartet werden, damit der reguläre Spieltag eine Stunde vor dem CBS-Cut beendet wird.
Fazit: Alles ist ein bisschen anders bei diesem 84. Masters. Bloß Augusta National bleibt sich treu.