Jeder passionierte Golfer fiebert dem "Masters" als erstem Major-Turnier des Jahres entgegen. In diesem Jahr ist aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie alles anders: die PGA Championship und die US Open sind bereits Geschichte, die British Open wurde komplett abgesagt und das Masters 2020 findet im November als letztes diesjähriges Major Tournament statt.
Die perfekt manikürten Spielbahnen, die von vielen Golfern wegen der makellosen Spielbedingungen bewundert und von ebenso vielen als ökologisch bedenklich kritisiert werden, wird es zweifellos auch in der kommenden Woche geben. Ob das auch für die blühenden Azaleen und Rhododendren gilt, die eines der Markenzeichen des Masters-Turniers darstellen, bleibt abzuwarten. Zuzutrauen wäre es den Verantwortlichen, dass sie die Natur mit allen verfügbaren Mitteln zu überlisten versuchen, um dem üblichen Image gerecht zu werden und um eine perfekte Kulisse zu präsentieren. Dazu wird auch gerne mit Farbe nachgeholfen, um das Wasser der Teiche blau und die Grüns und Abschläge makellos grün zu färben. Dazu werden auch alle Divots mit grün gefärbtem Sand verfüllt und eingeebnet. Der Golfplatz des Augusta National GC ist ein hoch technisiertes Kunstprodukt, das sich mit dem Siegel der Nachhaltigkeit bestimmt nicht schmücken kann.
US Masters 2020: Stetige Verlängerung der Spielbahnen
Sportlich ist dieser Platz zweifellos außergewöhnlich. Die richtige Spielstrategie und in zunehmendem Maße die Schlagweite sind entscheidende Kriterien, um das Masters gewinnen zu können. Fast jedes Jahr werden an einzelnen Bahnen Verlängerungen vorgenommen, in der Regel durch Rückverlegung von Abschlägen, aber auch schon mal durch Verlegung von Grüns nach hinten. Selbst Nachbargrundstücke wurden mit astronomisch hohen Geldbeträgen angekauft, um solche Verlängerungen zu ermöglichen. Im letzten Jahr wurde ein Grundstück hinter dem 13. Abschlag erworben, um diesen nach hinten verlegen zu können und damit das Abkürzen des Doglegs zu erschweren. Tatsächlich ausgeführt wurde die Rückverlegung des Tees aber noch nicht für das in der kommenden Woche anstehende Turnier. Möglicherweise wollen die Verantwortlichen zunächst die Entscheidung abwarten, welchen Ausgang die aktuelle Debatte um die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Reduzierung der Flugweite der Golfbälle nimmt.
Was für ein herrlicher Anblick! Der Augusta National Golf Club erstrahlte im Sonnenlicht des Novembers 2021 und zeigte seine volle Schönheit.
Die Wahl der richtigen Spielstrategie und die Fähigkeit zum Schlagen extrem langer Drives werden in Augusta allerdings nicht allein für den Sieg entscheidend sein - fast ebenso wichtig ist die Fähigkeit, die stark ondulierten, pfeilschnellen und entsprechend tückischen Grüns richtig zu lesen und beim Putten den optimalen Touch zu entwickeln. Auf kaum einem Turnierplatz sind diese Fähigkeiten so wichtig für eine vordere Platzierung.
Augusta National in puncto Nachhaltigkeit kein gutes Vorbild
Das widersprüchliche Fazit lautet: dieser Golfplatz ist trotz seiner Defizite in puncto Ökologie und Nachhaltigkeit ein Highlight der Golfplatzarchitektur mit vielen strategischen Optionen und in Erinnerung bleibenden Bahnen. Bedauerlicherweise dienten seine makellosen Grüns, Abschläge, Fairways und Bunker als Vorlage für viele übermäßig gepflegte Golfplätze. Es wird verkannt, dass solche Perfektion nur für den Zweck des Masters-Turniers dient und "normale" Golfanlagen mit einem Bruchteil des Budgets, das dem GC Augusta zur Verfügung steht, sich lieber natürlichere, ökologisch vielfältigere Golfplätze zum Vorbild nehmen sollten.
Text: Christoph Städler, Präsident des EIGCA (European Institute of Golf Course Architects)