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Tiger Woods

Der „Shadow Commish“ übernimmt: Woods und die neue Wucht in der Waagschale

02. Aug. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Tiger Woods wird überraschend in den Vorstand der PGA Tour berufen. Führt er die Tour zurück zu alter Stärke? (Foto: Getty)

Tiger Woods wird überraschend in den Vorstand der PGA Tour berufen. Führt er die Tour zurück zu alter Stärke? (Foto: Getty)

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Fast zwei Monate war Schweigen im sprichwörtlichen Wald, und jeder hat sich gefragt: Warum sagt Mr. Woods nichts zum Pakt der PGA Tour mit dem PIF? Jetzt hat der 15-fache Majorsieger eine Antwort gegeben. Und was für eine! Tiger verzichtet auf eine Bergpredigt wie im November 2022 bei seiner Hero World Challenge – diesmal redet er nicht, sondern handelt. Mit dem Sitz im Policy Board der Tour, das eigens für ihn als sechsten Spielervertreter auf zwölf Mitglieder erweitert wird, schaltet sich der 47-Jährige ganz offiziell in die Geschicke der PGA Tour ein, die von „Commish“ Jay Monahan, dem nominellen Mann am Ruder, in einen verhängnisvollen Mahlstrom aus finanziellen Fehlkalkulationen, Verbrüderung mit dem zuvor verteufelten Feind und Vertrauensverlust bei der Mitgliedschaft gesteuert worden ist.


Das Policy Board oder Board of Directors ist im anglo-amerikanischen Raum das Leitungs- und Kontrollgremium eines Unternehmens. Meist vereint es in etwa die Funktionen von Vorstand und Aufsichtsrat einer deutschen Aktiengesellschaft. Einige Unternehmen im anglo-amerikanischen Raum verwenden allerdings ein dualistisches System der Unternehmensführung, bei der Geschäftsleitung und Kontrollgremium getrennt sind, analog zur Trennung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat in einer deutschen AG. Das Board of Directors hat in diesem System eine Kontrollfunktion, während die Geschäftsleitung vom Executive Board übernommen wird.

Auszug aus Wikipedia


Das Alphatier im Raum

Als Rory McIlroy anlässlich der BMW Championship 2022 in Wilmington/Delaware ein Geheimtreffen inszenierte, um die tourtreuen Top-Stars auf den konzertierten Widerstand gegen das vom saudi-arabischen Public Investment Fund (PIF) finanzierte Konkurrenz-Konstrukt LIV Golf League einzuschwören, war Woods erstmals persönlich in Erscheinung getreten. Nein, er stieg per Privatjet vom Himmel herab, wie es einer Lichtgestalt würdig ist. „Wenn wir alle in einem Raum sind, ist EIN Alphatier unter uns, und das bin definitiv nicht ich“, sagte der Nordire seinerzeit. Anschließend drückten der Superstar und sein Sozius dem längst lädierten Monahan den Zirkel der Elitespieler sowie die Designated Events und ihre Tomorrow Golf League gleich mit aufs Auge. So was nennt man Abhängigkeitsverhältnis.

Der Rivale wird zum Retter

Der Commissioner wiederum öffnete brav seine Schatulle und legte wider besseren Wissens Schippe um Schippe drauf, obwohl ihm klar war, dass man „ein Wettrüsten mit den Saudis nicht gewinnen kann, wenn Dollarscheine die einzigen Waffen sind“. Was sich bekanntlich bewahrheitet hat und von Monahan, dem in der Folge zudem die exklusive Trumpfkarte der Majormeriten abhanden kam, als Hauptargument für das Rahmenabkommen mit PIF-Direktor Yasir Al-Rumayyan und die Akzeptanz saudi-arabischer Investitionen und Sponsorings angeführt wird. Irgendwie absurd: Der Rivale wird zum Retter und soll nun das Pulver ersetzen, das einem selbst beim Versuch ausgegangen ist, ihn sturmreif zu schießen.

Von 41 Spielern auf den Schild gehoben

Sei’s drum, jedenfalls wurde Woods schon damals von den amerikanischen Golfmedien zum „Shadow Commissioner“ stilisiert. Jetzt ist der heimliche Herrscher aus der Kulisse getreten – auf den Schild gehoben von 41 Spielern per schriftlicher Akklamation – und wirft die Wucht seines Gewichts in die Waagschale des kriselnden Golfbetriebs. Die Zeit war offenbar reif, auch im Angesicht des Publikums die Hauptrolle auf der globalen Golfbühne einzunehmen, die Woods mit seinem unermesslichen Einfluss ohnehin innehat. Es war eh höchste Zeit für eine Umsetzung des Führungsanspruchs der Aktiven gegenüber den Funktionären in einer immerhin mitgliederbasierten Organisation.

Von langer Hand vorbereit

Allerdings sei bloß niemand so einfältig, an eine aus schierer Verzweiflung geborene, spontane Personalie zu glauben. Für Gutmenschen-Mentalität und naiven Idealismus ist in den Beletagen jedweden Business wenig (Überlebens-)Spielraum. Diese Berufung war vorbereitet, Monahans Memo vom vergangenen Mittwoch lediglich eine wohl orchestrierte Ouvertüre für den Paukenschlag. Deswegen war Woods bislang so still. Tiger und „Rors“ haben die Reihen der Ihren fest geschlossen. Wie sagte McIlroy doch in den Tagen nach Wilmington: „Wir sind alle irgendwie unsere eigenen kleinen unabhängigen Unternehmen und treten gegeneinander an. Aber dies ist das erste Mal seit langer Zeit, dass wir uns alle hingesetzt haben, um Geschäftspartner zu sein, an einem Strang zu ziehen, um damit der Tour und letztlich uns gegenseitig zu helfen.“

Rumayyan und der Kitzel des Spiels um die Macht

Woods’ nunmehr amtliche Wirkweise im Aufsichtsrat der Tour vollendet eine bewusst eingeleitete Verschiebung der Statik im Machtgefüges des Golfestablishments, das sich neu gegen die finanzielle Urgewalt des Regimes aus Riad formiert. Die Saudis haben zwar immer noch mehr Geld als Entenhausens Krösus Dagobert Duck, aber Al-Rumayyan findet im Tour-Hauptquartier endlich echte Gegner. Nicht mehr den bockigen CEO Monahan und den blässlichen COO Ron Price. Auf diesem Level geht’s weniger um die eine oder andere Milliarde, davon hat der PIF vor allem dank des Erdöl-Dukatenesels Aramco sowieso reichlich. Es ist der Kitzel des Spiels um die Macht, dem sich Al-Rumayyan mit Wonne hingibt.

Tauziehen der Touren zum eigenen Nutzen?

Zyniker sind ohnehin sicher, dass der Harvard-Business-School-Absolvent und Golfnerd das Tauziehen der Touren zuvorderst angezettelt hat, um sich im Erfolgs- oder Akzeptanzfall die begehrtesten Clubmitgliedschaften der Welt zu verschaffen, die er mit all seinem Geld nicht kaufen kann: den Zugang zum Augusta National Golf Club und zum Royal and Ancient Golf Club of St. Andrews. Beides indes gibt’s nicht mal ad positionem; doch die Selbstverständlichkeit des Begehrs sagt eine Menge über Al-Rumayyans Attitüde.

Geo- und golfpolitischer Ehrgeiz

Gleichwohl musste er einsehen, dass die geopolitische Bedeutsamkeitsgier seines Herrn und Meisters Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS) und der eigene golfpolitische Ehrgeiz trotz grenzenloser Alimentierung des LIV-Launchs mit einem Greg Norman als Impresario nicht zu befriedigen ist. Für Al-Rumayyan galt gleichermaßen: Wenn du sie nicht möglichst rasch besiegen kannst, verbünde dich mit ihnen. Saudi-Arabiens De-Facto Herrscher MBS hat keinen langen Atem und verliert schnell das Interesse – selbst an einem Prestigeprojekt wie der feindlichen Übernahme des globalen Golfsports.

Von Präsidentenkollege zu Präsidentenkollege

Also aktivierte Al-Rumayyan seine England-Statthalterin Amanda Staveley und ließ die bestens in den Nahen Osten vernetzte Geschäftsfrau und Generaldirektorin des Saudi-Fußballclubs Newcastle United über den englischen Bauunternehmer und Sunningdale-Vorsitzenden Roger Devlin mal in den USA vorfühlen: beim Präsidentenkollegen Jimmy Dunne, dem Chairman des exklusiven Seminole Golf Club, Mitglied von Augusta National und bestens befreundet mit Rory McIlroy. Der Investmentbanker und gewiefte Strippenzieher war 2022 als „Interims-Kriegsminister“ von Monahan in den Aufsichtsrat der PGA Tour geholt worden, nachdem dieser sich mit seiner unnachgiebigen Haltung festgefahren hatte.

„Nicht zu Schmidtchen, sondern zu Schmidt“

„Dealmaker“ Dunne tat Al-Rumayyan den erhofften Gefallen und ging– wie der Volksmund gern sagt – „nicht zu Schmidtchen, sondern zu Schmidt“, sprich zum Entscheider. Er adressierte seine WhatsApp-Nachricht direkt an den PIF-Chef: „Yasir, my name is Jimmy Dunne. I'm a member of the Tour policy board. I'd like the opportunity for a call and hopefully a visit.“ Der Rest ist ein bislang einmaliger Vorgang in der Sportgeschichte.

Seither haftet Dunne sowie seinem Partner bei den ersten Gesprächsrunden, dem Tour-Aufsichtsratsvorsitzenden und renommierten Anwalt Ed Herlihy, das Etikett von pragmatischen Problemlösern an. Troubleshooter, wie die Amerikaner sagen.

Dunne, Herlihy, Neville: Die neuen starken Männer

Das sind die neuen starken Männer in Ponte Vedra Beach rund um den frisch gekürten „Máximo Líder“ Tiger Woods, mit denen es Machtmensch Al-Rumayyan fürderhin bei der Ausgestaltung des Rahmenabkommens zu tun hat. Wetten, dass er sich bei der Aussicht auf die anstehenden Tänzchen vergnügt die Hände reibt? Dazu gesellt sich Colin Neville, der als Partner des New Yorker Investmentunternehmens Raine Group gewohnt ist, große Räder im Sport zu drehen; der 2020 mit der Premier Golf League plante, was Greg Norman mit LIV als protzige Variante schlecht kopiert hat; der vergangenes Jahr bereits beim geheimen Wilmington-Gipfel dabei war; und der nun von Woods und McIlroy als Sonderberater der Spielervertreter in den diversen Tour-Gremien eingeschleust platziert worden ist.

Auch Woods und Co. beherrschen das „Game of Thrones“

Der Franzose Mike Lorenzo-Vera hat den beiden Bannerträgern des Establishments mal vorgeworfen, zu wenig gegen LIV Golf unternommen zu haben: „Wenn Tiger und Rory es wirklich gewollt, ihre Stimmen früher erhoben und ihre Reputation früher in die Waagschale geworfen hätten, wäre vieles vielleicht anders gelaufen.“ Vielleicht. Aber womöglich wollten sie die Zerreißprobe für die PGA Tour ja genau auf diesen fast unvermeidlichen Kipppunkt zulaufen lassen. Auch Woods und seine Berater beherrschen das „Game of Thrones“.

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