Puh, was macht man aus diesem Golfspektakel unterm Hallendach? Natürlich haben sie bei der Tomorrow’s Golf League (TGL) nach dem ersten Aufschlag (noch) nicht am Konzept herumgeschraubt – bloß weil aus irgendwelchen medialen Ecken eifrig Kritik und Verbesserungsvorschläge getrötet werden. Erst recht nicht, wenn die Zielgruppe eilfertig applaudiert, für die der Budenzauber inszeniert wird: das Fernsehen, das zu Anfang ordentliche Reichweiten verbuchen durfte, und die Claqueure aus den sozialen Medien, die mit allerlei Goodies und Gefälligkeiten um freundliche Akklamation gebeten werden. Phänomenal, in welcher Vielzahl die Golf-Hippster sich mit der Verlinkung „@TGL“ in Szene setzen und im Glanz der Gaudi sonnen : Man sieht selten derart volle Story-Leisten.
Woods hatte in der Spitze vier Millionen Zuschauer
Auch Spieltag zwei lässt nur bedingt Rückschlüsse auf die Nachhaltigkeit dessen zu, was Tiger Woods, Rory McIlroy und Mike McCarley von TMRW kreiert haben, um Golf „in eine neue Stratosphäre“ zu heben (Woods). Immerhin überstrahlte der GOAT alles, was objektiv zu sagen wäre. In der Spitze wollten vier Millionen Zuschauer Woods’s ersten, von viel Pathos begleiteten Auftritt in der Arena sehen, im Schnitt lief die ESPN-Übertragung in rund 1,3 Millionen amerikanischen Wohnzimmern – ein Plus von 14 Prozent gegenüber der Premieren-Vorwoche.
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Beifall von Mama Kultida, Feixen bei Filius Charlie
Klar, dass der Superstar zum Rocky-Song „Eyes of the Tiger“ auflief; klar auch, dass er mit den Scheinwerfern um die Wette strahlte. Licht an, Lachen an: Woods ist nach wie vor der Fixstern am Firmament des Golfsports, um den sich vor und hinter den Kulissen alles dreht. Ihn abschlagen, annähern und putten zu sehen, das Wechselspiel von gelöstem, fast giggeligem Lachen und ernsthaft enttäuschter Mimik mitzuerleben – samt Beifall von Mama Kultida und Feixen von Filius Charlie –, dürfte den meisten das Einschalten wert gewesen sein. Die fast peinliche Pleite gegen das vom Eigner-Ehepaar Alex Ohanian und Serena Williams sowie anderen Promi-Investoren begleitete Terzett aus Los Angeles war wohl eher nachrangig.
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„Bunch of buddies hitting shots“
Irgendwer schrieb nach diesem zweiten Dienstag, die TGL sei ein „bunch of buddies hitting shots into a simulator and having fun“. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwänden, insbesondere wenn die Buddys Berühmtheiten sind und diese Kumpelclique ihren Spaß an der Sache mit dem Auditorium teilt. So gesehen gab’s Fortschritte: vor allem mehr Fokus auf die Protagonisten. Die mit Mikrofon und Kopfhörer ausgestatteten Spieler waren besser zu verstehen – in der Halle auch? – und ließen sich in Sachen Lautäußerungen nicht lumpen. „Klasse, dass man die Persönlichkeit der Aktiven hier so hautnah erleben kann. Im Tennis sieht man es immer, im Golf ist es ansonsten sehr selten“, befand Racket-Queen Williams, die mit 23 Grand-Slam-Triumphen selbst den 15-fachen Majorsieger Woods aussticht.
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Wenigstens der Entertainment-Tagessieg ging an Team Rot
Stimmt, aber das wurde bereits festgehalten: Viel hängt von den Entertainer-Qualitäten der Akteure ab. Mit einem Max Homa und Tiger Woods auf der Platte muss man sich darüber keine Sorgen machen. Auch Kevin Kisner ist immer gut für eine flapsige Bemerkung, beispielsweise als er Charlie Woods einzuspringen bat, war aber ansonsten zu sehr mit seinem sportlichen „Überleben“ zwischen Screen- und GreenZone beschäftigt. Kaum auszudenken, wenn statt seiner Tom Kim bei Jupiter Links mit von der Partie gewesen wäre, der beim jüngsten Presidents Cup mal wieder bewiesen hat, dass er Schwung in den Laden und die Gegner in Rage bringen kann. Aber auch ohne ihn ging der Tagessieg in dieser Kategorie eindeutig an das Team in Rot.
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Vor der Leinwand lebt die Action von den Fantasy-Golflöchern
Immerhin lieferte Kisner mit seinem Shank an den Flaggenstock die Schlüsselszene für eine eher ernüchternde Erkenntnis: Wenn der schlechteste Schlag des Abends zum Stimmungsstimulator gerät, dann hat das was von Slapstick. Nicht von ungefähr notierte die BBC: „Woods, Homa und Kisner vergaßen ständig den Spielstand und wirkten mit ihren nachlässig-saloppen Schlägen an diesem Abend eher wie die Klassenclowns.“ Das mag ein Teil des auf TV-Unterhaltung ausgerichteten TGL-Charmes sein, sollte indes dennoch zu denken geben. Irgendwie, irgendwo muss am Wettbewerbscharakter gefeilt werden. Golfgaudi hin oder her – es fehlen die Würze und der Thrill des direkten Duells. Vor der Leinwand geht’s noch, weil die Action von der Animation durch die Fantasy-Golfbahnen lebt.
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Trackingtechnologie vs. Präzision der Spieler
Wenngleich diesmal der Eindruck aufkam, dass die Trackingtechnologie noch so ausgefeilt sein mag und der Präzision der Spieler dennoch nicht gewachsen ist. Es hat einen schalen Beigeschmack, wenn Woods sich wundert, dass ein auf 108 Yards geschlagener Ball ins virtuelle Wasser klatscht: „So weit habe ich doch gar nicht geschlagen“). Oder wenn Sahith Theegala über sein angebliches Schlägerkopftempo staunt: „Einen Speed von 184 Meilen hatte ich noch nie.“ So was sorgt für wenig Vertrauen bei der angepeilten Zielgruppe der Zocker, denen Woods im Vorfeld versprochen hat: „Man kann auf jeden Schlag, auf jeden Putt, auf buchstäblich alles wetten, was in der Arena passiert.“ Das nur am Rande.
„Wir haben sechs Schläge aus der Drop Zone gespielt, ich hatte zwei Schläge aus dem Bunker und ,Kis’ [Kevin Kisner] hätte fast jemanden umgebracht.“
Das Fazit von Tiger Woods nach dem ersten TGL-Auftritt von Jupiter Links
Apologies to all simulators worldwide. We failed u tonight
— max homa (@Maxhoma) January 15, 2025
Typisch amerikanische Sportpräsentation
Zurück zum Haar in der TGL-Suppe. An die aufgeregte Attitüde von Moderatoren und Experten muss man sich wohl gewöhnen, an den herbeigeredeten Hype. Das ist halt die typisch amerikanische Sportpräsentation, bei der fast jeder Kommentar klingt, als würde eine Neufassung der Zehn Gebote verkündete. Vermutlich fällt das unter die Rubrik „Kollateralschäden“ beim Versuch, der Langatmigkeit von Bild und Wort bei traditionellen Turnierübertragungen eine Alternative mit mehr Action entgegenzusetzen. Doch im Kurzspielbereich reißt selbst das niemanden vom Hocker, wenn nicht zufällig Ludvig Åberg auf einer diffizilen Linie verwandelt, wie vergangenen Dienstag, oder Justin Rose trotz anhaltender Buhrufe locht.
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GreenZone als „lame duck“ im TGL-Konzept
Gerade hier wirkt das Geschehen tatsächlich wie ein Buddys-Trip. Alle stehen herum, quatschen durcheinander, es wird ein bisschen gechippt und geputtet. Der Matchplay-Modus gehört dringend nachgeschärft beziehungsweise zugespitzt werden. Mit mehr Auge-um-Auge-Atmosphäre, vielleicht durch Licht- oder Akustikeffekte. Noch ist die trotz ihrer mechanischen Aufwändigkeit immer gleiche GreenZone eher die „lame duck“ im TGL-Konzept.
Mal sehen, ob Tiger Woods was ändert, nachdem er nun selbst in der Live-Atmosphäre gespielt hat. Übernächste Woche steht ein weiteres Highlight an, wenn The Big Cat mit Jupiter Links – und Tom Kim? – auf die Frösche aus Boston mit „Vorturner“ und Woods-Geschäftspartner Rory McIlroy trifft. Entsprechende TV-Quoten dürften auch bei dieser Konstellation garantiert sein. Spannend ist eher, wie die Resonanz kommenden Dienstag bei der Partie zwischen New York und Atlanta Drive mit Justin Thomas ausfällt. Es bleiben Fragezeichen.
Nichts Neues zum Genesis Invitational
Auch in anderer Hinsicht. Nach wie vor gibt es nichts Neues zum Genesis Invitational, dessen Austragung im Riviera Country Club (13. bis 16. Februar) angesichts der Brandkatastrophe in Los Angeles eher unwahrscheinlich wirkt. „Wir haben für die nächsten Tage einige Meetings anberaumt“, sagte Gastgeber Woods nach der TGL-Sause im SoFi Center. „Aber im Moment konzentrieren wir uns nicht wirklich auf das Turnier. Es gibt so viele andere Dinge, die wichtiger sind: beispielsweise, was wir tun können, um allen zu helfen, die zu kämpfen haben, die ihr Zuhause verloren haben und deren Leben sich verändert hat.“