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Das Sportswashing-Spektakel Saudi International: Hoch-Zeit für Heuchler

03. Feb. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Jason Kokrak steht als Erster zum Grund für seine Teilnahme an der Saudi International 2022. (Foto: Getty)

Jason Kokrak steht als Erster zum Grund für seine Teilnahme an der Saudi International 2022. (Foto: Getty)

Na also, geht doch. Wenigstens Jason Kokrak hat so viel Mumm, frei heraus zu erklären, warum er am Saudi International teilnimmt und einer vom Königreich am Persischen Golf finanzierten Super Golf League sehr offen gegenübersteht: „Ich will in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Geld verdienen. ,Cash is King’.“ Unverblümt, schonungslos, danke! Endlich sagt’s mal einer. Versteckt sich nicht hinter Phrasen und Sprachhülsen. Kaschiert nicht mit wahlweise trotzigem Basta oder verschwurbelten Begründungen, warum selbst zigfachen Millionären die Moneten wichtiger sind als Moral.

„Die Spieler nehmen blutiges Geld“

Gerade hat im Royal Greens Golf & Country Club der Retortenstadt King Abdullah Economic City die vierte Auflage des Sportswashing-Spektakels namens Saudi International begonnen: Seit 2019 wird diese besondere Woche in der Wüste zur Hoch-Zeit für Heuchler. Denn alle Jahre wieder verdingen sich Dustin Johnson und Co. für horrende Antrittsgelder als willige Handlanger des Regimes in Riad, um mit Golf für Glanz und Gloria zu sorgen und die hässlichen Flecken von Mord, Menschenrechtsverletzungen und mannigfaltigen Missständen auf Saudi Arabiens Weste der internationalen Reputation zu übertünchen.

„Die Spieler sollten sich bewusst sein, dass sie blutiges Geld nehmen“, schrieb vor einiger Zeit die durch den Mord an ihrem Mitarbeiter Jamal Khashoggi* direkt betroffene „Washington Post“ in einer Attacke gegen Kronprinz Mohammed bin Salman, den Mann hinter den Machenschaften.

„Sport ist immer politisch“

Bloß, es interessiert keinen der gepamperten Protagonisten. Heuer sind mehr Helfershelfer von PGA und DP World Tour vor Ort als je zuvor. Und der Chor der Ausflüchte wird beinahe zur Kakophonie. Ganz oben auf der Hitliste der faulen Floskeln steht „Ich bin kein Politiker“, wahlweise „Ich bin nicht wegen Politik hier, sondern um Golf zu spielen“.

Als wäre nicht allein die Entscheidung zugunsten des Turniers ein politisches Statement. „Sport ist immer politisch“, sagt dazu Prof. Dr. Carlo Masala, Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München in Neubiberg, in der sehenswerten ARD-Dokumentation „Spiel mit dem Feuer - Wer braucht noch dieses Olympia?“. Unter diesem Titel hat sich der einstige Slalom-Star und heutige TV-Ski-Alpin-Experte Felix Neureuther anlässlich der morgen beginnenden und nicht minder umstrittenen Winterspiele in Peking bei Aktiven, Wissenschaftlern und Funktionären umgehört.

„Ich nehme jeden Vorteil mit“

Bryson DeChambeau jedenfalls liebt den „I’m not a politican“-Spruch. Shane Lowry ebenfalls, der überdies seine Familie vorschiebt: „Ich versuche nur, so gut wie möglich für sie zu sorgen. Das hier ist ein Teil davon.“ Man möchte fast Mitleid haben mit dem offenbar von Existenznöten geplagten Iren.

Auch Kokrak, der es nebenbei bemerkt bislang auf ein Karrierepreisgeld von gut 19 Millionen Dollar gebracht hat, eine Million mehr als Lowry, überzuckert dergestalt seine schonungslose Unverblümtheit: „Ich nehme jeden Vorteil mit, um meinen Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.“

„Growing the Game“

Natürlich darf der Hinweis auf den Beitrag zur Entwicklung des Golfsports nicht fehlen, „Growing the Game“ ist Nummer zwei auf der Skala der erprobten Euphemismen. Besagter Jason Kokrak hat sich deswegen als Botschafter von Golf Saudi anheuern lassen und erklärt auf die Frage nach seiner Haltung zu den Missständen allen Ernstes, er sei ja nicht Botschafter der Regierung, von daher habe er damit nichts zu schaffen: „Ich werde dafür bezahlt, das Spiel auf globaler Ebene auszubauen, nicht um die Regierung oder ähnliche Institutionen zu vertreten.“

„Menschenrechtliche Verantwortung des Sports“

Geht’s noch? Als Replik sei an dieser Stelle Martin Klein zitiert, Beauftragter für internationale Sportpolitik des Vereins „Athleten Deutschland“: „Menschenrechte gelten universal. Das hat wenig mit Politik zu tun.“ Und: „Politisch neutral zu sein bedeutet nicht, Menschenrechtsverletzungen […] stillschweigend hinzunehmen und sie mit diesem Schweigen sogar zu legitimieren.“ Mit Passivität und Ignoranz mache man sich „möglicherweise zum Kollaborateur.“ Klein äußerte das gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) und anderen ebenfalls im Zusammenhang mit Olympia und der Rolle des IOC, betonte indes die grundsätzliche „menschenrechtliche Verantwortung des Sports“.

Rory McIlroy und die moralischen Fragen

Nun werden manche wieder aufheulen und darauf beharren, dass Sportler nicht zwingend Vorbilder sein müssen, und in wohlfeilem „Whataboutism“ mit dem Finger auf andere Sportarten zeigen, die gleichsam weder Scheu noch Skrupel haben, sich mit fragwürdigen Freunden aus der Abteilung Totalitarismus und Autokratie einzulassen – siehe IOC und China, FIFA und Katar oder Formel 1 und Riad. Und dass derlei heutzutage ohnehin Gang und Gäbe und kaum zu vermeiden sei.

Selbst Rory McIlroy räumt die Problematik ein: „Wir alle sind längst über den Punkt hinaus, an dem allein moralische Fragen den Ausschlag geben. Was man macht, wo man hingeht und auf wen man trifft – alles nach Moral und Prinzipien auszurichten, macht das Leben extrem schwierig“, sinniert der Nordire. „Es gibt nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern außerdem eine Menge Grautöne. Ich habe viel darüber nachgedacht und lange mit mir gerungen: Wer nur die harte Linie verfolgt, wird kaum noch das tun können, was er tun möchte.“

Wie wär’s denn mal mit einer klaren Ansage?

Trotzdem sagt er Nein zum Saudi International und zu einer Super Golf League von Saudi-Arabiens Dollar-Gnaden, „weil mir nicht gefällt, wo das Geld herkommt“. Ebenso wie übrigens der britische Tennisstar Andy Murray, der sich aus selbigem Grund allen opulenten Offerten für Show-Matches verweigert. Siehe Washington Post und „blutiges Geld“. Geht ja doch.

Aber wenn arrivierte Akteure wie Paul Casey, Sergio Garcia oder Xander Schauffele schon nicht das Rückgrat haben, dem Sirenengesang der Saudis zu widerstehen, wie steht’s denn wenigstens mit einer klaren Ansage? Warum nicht als mündiger Athlet die Missstände einfach adressieren? Formel-1-Heros Lewis Hamilton hat es beim jüngsten Gastspiel des PS-Zirkus in Saudi Arabien getan: „Ich fühle mich hier nicht wohl, weil ich wirklich glaube, dass jeder Menschenrechte, Redefreiheit und Bewegungsfreiheit haben sollte, und dies einer der Orte ist, an denen das nicht erlaubt wird. Allerdings habe ich leider keine Wahl, weil der Motorsport sich nun mal für dieses Szenario entschieden hat.“

Symbiose von Gage und „Grow the Game“

Oder – noch besser – einen Teil der Gage tatsächlich für die Golfentwicklung stiften, Taten sprechen lassen statt permanent das längst bis zum Erbrechen durchgenudelte Mantra zu orgeln. „Grow the Game“: Am Besten mit der Einrichtung oder Förderung einer Ausbildungsakademie für Mädchen. Das wär’ mal was. Als käme es bei den ohnehin saturierten Stars auf die eine oder andere Million an. Hat nicht Bryson DeChambeau neulich noch getönt, er habe sowieso genug Kohle, könne aufhören Golf zu spielen und irgendwas anderes tun, was ihm Spaß mache? Wir hätten da eine Idee, und es darf auch gern wissenschaftlich werden.

Aber nein, stattdessen lässt sich die Mischpoke den Maulkorb direkt mit auf den Heuerschein schreiben und rafft an Zaster zusammen, was sie kriegen kann. Schweigegeld halt. Oder: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.

Mickelsons Alibiargumentation

Und dann kommt gestern Phil Mickelson daher und versucht dem Offensichtlichen sogar einen rechtlich motivierten Unterbau zu geben. Er schaue sich nach anderen Wettbewerbsmöglichkeiten um, weil er sich bezüglich seiner Medien-Rechte, dem Recht am eigenen Bild, übers Ohr gehauen fühle. „Erst die widerwärtige Gier der PGA Tour hat all den jüngsten abweichenden Bestrebungen Tür und Tor geöffnet“, schwadroniert ausgerechnet der Mann, der nicht zuletzt deswegen rund 800 Millionen Dollar schwer ist, weil eben diese PGA Tour seine Auftritte auftragsgemäß unters Volk gebracht und ihn wie sich auf diese Weise für Sponsoren attraktiv gemacht hat.

Jahrzehntelang war das Part of the Deal, „Lefty“ klimperte auf der Klaviatur munter mit, reklamierte unlängst gar den Löwenanteil der als Player Impact Programm ausgelobten Popularitätsprämien – und nun stilisiert der selbständige Unternehmer Mickelson die Tour zum ausbeuterischen Bösewicht, weil all das plötzlich ein Geschmäckle haben soll. Echt jetzt? Was für ein absurdes Alibi.

Fehlender Kompass für Maß und Mitte

Wenn der sechsfache Majorsieger derart an Persönlichkeitsrechten interessiert ist, sollte er gut darüber nachdenken, ob er bei den Saudis nicht vom Regen in die Traufe kommt. Aber immerhin muss er sich keine Gedanken um die Rechte seiner Frau Amy und seiner Töchter machen, die werden sicher nicht nach Riad umziehen, nur weil Papa sich womöglich demnächst im Formel-1-Format die Taschen noch voller macht und dabei nach Greg Normans Pfeife tanzen muss. So viel zu schiefen Feindbildern.

Es ist schlichtweg lächerlich, was die Profis ins Feld führen, um ihre Geldgeilheit zu begründen. Etlichen scheint der Kompass für Maß und Mitte abhanden gekommen zu sein. Oder sind sie einfach nur Marionetten ihrer Manager, die fürs Monetenmachen zuständig sind? Egal, was will man von Leuten erwarten, die sich mit kruden Köpfen wie Novak Djokovic solidarisieren oder mit ruchlosen Rabauken wie Donald Trump sympathisieren und Party machen.

Dagegen wird einem Lee Westwood schon fast wieder sympathisch, der in schlichter Freimütigkeit bekennt: „Wenn mir jemand in meinem Alter 50 Millionen Dollar für ein paar weitere Jahre Turniergolf bietet, dann zerbreche ich mir darüber nicht lange den Kopf.“ Für diese Chance würde der 48-jährige Engländer sogar seine Ambitionen auf das Amt des europäischen Ryder-Cup-Kapitäns über Bord werfen, „weil ich selbst mittelfristig noch meine Zukunft eher auf als neben den Fairways sehe“.

Watson und die Definition von „bi-gott“

Geradezu unerträglich hingegen ist das Gefasel von Bubba Watson. Er reise nach Saudi Arabien, um sich auch in dieser Ecke der Welt an Gottes schöner Schöpfung zu erfreuen, salbadert der bekennende Christ. Stellt sich bloß die Frage, ob dazu ebenso das Geröll zählt, mit dem im Namen der Scharia bis heute Ehebrecher oder Homosexuelle gesteinigt werden. Der Mann aus Bagdad – in Florida – ist so religiös, dass sein Spirit und sein frömmelndes Gesülze gleich für zwei Gottheiten reicht: den Allvater droben im Himmel und den Götzen Mammon hienieden auf Erden. Bi-gott halt.

Fürs Alte Testament hat’s beim bibelfesten Betbruder Bubba jedoch offenbar nicht gereicht. Er täte gut daran, im Zweiten Buch Mose, den Teil vom „Exodus“ mal nachzulesen, wo es um Moses’ Zorn und Jahwes Vergeltung geht, weil das Volk vom rechten Pfad abgekommen ist und am hell lodernden (vom Öl genährten?) Feuer ums Goldene Kalb tanzt.

Um mit dem Ende von Giovanni Trapattonis berühmter Wutrede zu schließen: Habe fertig!


* Der regimekritische saudi-arabische „Washington Post“-Journalist Jamal Khashoggi wurde am 2. Oktober 2018 in Saudi Arabiens Istanbuler Botschaft von einem Killerkommando hingerichtet und seine Leichte zerstückelt. Nach Erkenntnisse des US-Auslandsgeheimdienst CIA kam der Mordbefehl direkt von Kronprinz Mohammed bin Salman.

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