Das war sie also, die wochenlang mit medialen Rummel gehypte Premiere der Tomorrow’s Golf League (TGL). Wochenlang? Nein, eigentlich lief medial alles auf diesen ersten Showdown im SoFi Center hinaus, seit der ursprünglich geplanten Traglufthalle im November 2023 die Luft ausgegangen ist. Manche haben das der Simulatorliga selbst prophezeit oder wahlweise von einer Menge heißer Luft gesprochen, beides wurde am Dienstagabend in Palm Beach Gardens eindrucksvoll widerlegt.
Kurzweilig, flott, abwechslungsreich, vergnüglich
Das Konzept funktioniert. Grundsätzlich gesprochen. Die Golfgaudi vor der Giga-Leinwand und auf der grünen Drehscheibe ist kurzweilig, flott, abwechslungsreich, vergnüglich anzuschauen. Zwei Stunden Action zwischen ScreenZone und GreenZone, dann ist der Budenzauber vorbei. Ohne langatmiges Laufen zum Ball, ohne Suchen, ohne gefühlt ewigkeitslange Hantieren mit Yardage Books und Herumdoktern auf den Grüns. Irgendwer schrieb danach: „Genau das Richtige für den Sport-TV-Junkie in der an Live-Sport ansonsten toten Zeit des Wochenanfangs.“
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Eine zeitgemäße und zukunftsträchtige Adaption
Tiger Woods, Rory McIlroy und Mike McCarley, das Trio von TMRW Sports, machen mit diesem ersten Entertainment-Ableger alles richtig. Sie haben die Zeichen der Zeit erkannten – den Boom der Indooranlagen und den Trend zur Gamification des Golfsports – und beamen mit der TGL nun den Elitebereich des Spiels in die digitale Dimension. McIlroy nannte es „eine Ergänzung zu allem anderen, was in der Welt des Golfsports vor sich geht“. Stimmt. Das Hallenspektakel ist eine zeitgemäße wie zukunftsträchtige Adaption des in seiner Großartigkeit alterslosen und in den Grundfesten unerschütterlichen Spiels. Der spaßfokussierte Mensch der Freitzeitgesellschaft 4.0 flattert von Erlebnisblüte zu Erlebnisblüte – hier ein wenig Thrill, da etwas Amüsement, dort ein bisschen Action.
Die grimme Miene des Bay-Bären Shane Lowry
Übertragen auf den Sport heißt das: Es braucht Krawumm, Rauch und Donnerhall – selbst um nichts. Idealerweise zudem Schweiß, Tränen, Mühsal, Duelle Aug um Aug. Alternativ Frotzelei, Trashtalk, Leidenschaft und Rivalität. Wer beim Auftaktduell der hoffnungslos unterlegenen New Yorker gegen San Francisco die Nahaufnahmen von Shane Lowry und das grimmig-konzentrierte Gesicht des Bay-Bären gesehen hat, weiß, was gemeint ist. Kurz: Es braucht Spektakulum.
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Fantasy-Golf vom Feinsten
Ja, die TGL ist Zirkus. Eine TV-Show. Das sorgt naturgemäß für Zwiespältigkeit, muss der Ernsthaftigkeit des Wettbewerbs gleichwohl nicht abträglich sein. Siehe Lowry. Oder die Mimik von Ludvig Åberg, nicht nur beim genialen Birdie-Putt über die mächtige Welle des verstellbaren Grüns. Das Design der Golfbahnen und die tadellose Technik tun ein Übriges. Die TGL-Macher haben sich dafür entschieden, auf eine virtuelle Version sattsam bekannter ikonischer Löcher wie Pebble Beachs Sieben oder das Road Hole auf dem Old Course zu verzichten und Designgrößen für komplette Neuschöpfungen ans Zeichenbrett zu bitten. Gut so. Was Beau Welling, Chad Goetz von Nicklaus Design und der unkonventionelle Agustin Pizá kreiert haben, ist Fantasy-Golf vom Feinsten.
Anstrengende Kakofonie von Licht, Musik und Gerede
Indes, bei aller Attraktivität des Geschehens fällt das Fazit der Premiere dennoch ambivalent aus. Schuld sind das gewöhnungsbedürftige Getöse und zu viel Gequassel. Typisch amerikanisch möchte man sagen, es wäre ein Euphemismus. Wie auch immer, das Debüt wird in den USA durchgängig gefeiert, zuvorderst von den zahlreich aktivierten Propagandisten aus und in den sozialen Medien. Mancher träumt bereits von einem Buddy- oder Bachelor-Party-Trip ins SoFi Center.
Für europäische Augen und Ohren hingegen war vieles eher befremdlich. Und anstrengend bis ermüdend. Mag sein, dass die Stimmung rund ums Partyloch der Phoenix Open als Muster für die Simulatorsause dient, Zwischen- und selbst Buhrufe ausdrücklich erwünscht sind und bierseliges „Get in the Hole“-Gegröle zur Show gehört. Aber in der Summe mit Licht und Musik, Hallensprecher, Kommentatoren-Kiki, Interviews und O-Töne aus der Halle geriet die Mischung zum Chaos, zu einer schieren Kakofonie.
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Gespräche und Trash Talk der Spieler gingen etwas unter
Weniger wäre mehr: weniger Ballermann und Ballyhoo, Buffer-Ansagen („Xääändaaa Schoffläää“) und Beweihräucherung, mehr Basics und Ballbezug; weniger Disco und Rummel, mehr gezielter Einsatz von Lichteffekten und Mucke. Im Gegenzug darf der Hammer gern als gigantischer Gong fallen, und nicht als Lappen wie bei Fouls im American Football. Vor allem wären weniger marktschreierische Moderation und Geschwafel wünschenswert, stattdessen mehr Fokus auf die Gespräche und den Trash Talk der verkabelten Spieler. Das kam viel zu kurz oder ging in der Geräuschkulisse oft unter.
Shane Lowrys „Ich hätte mich selbst ebenfalls ausgebuht“ nach einem missglückten Drive beispielsweise war kaum zu hören. Immerhin geriet Xander Schauffeles süffisantes „Thank you“ zum akustischen Schmankerl, als der zweifache Majorsieger unmittelbar vor dem Abschlag mit dem einzigen Time Out des Abends „eingefroren wurde“, wie es im Football heißt, wenn der Kicker in seiner Konzentration gestört werden soll.
„Wir müssen einfach kapieren, dass wir Entertainer sind“
Die Entertainer-Qualitäten der Protagonisten sind allerdings auch in außerordentlichem Maß gefordert, denn damit hat die TGL ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Das ist eine Steilvorlage auf Max Homa, der kommenden Dienstag mit Tiger Woods’ Jupiter Links ins Geschehen eingreift und vor geraumer Zeit mal gesagt hat: „Ohne die Zuschauer sind wir nichts. Es muss mehr Innovationen geben , um den Prozess des Zuschauens interessanter und unterhaltsamer zu gestalten. Wir müssen einfach kapieren, dass wir Entertainer sind und nicht bloß hier sind, um Bälle zu schlagen.“
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Für anhaltenden Höhenflug ist noch etwas Schub nötig
Woods sprach in einem der Interviews von einer „new stratosphere“ für Golf. Aber sorry, Tiger, da fehlen noch ein paar Höhenmeter. Oder wie an dieser Stelle bereits attestiert wurde: Es ist Luft nach oben. Freilich, die ist in der zweiten Schicht der Erdatmosphäre ziemlich dünn, da ist noch mal etwas Schub und Richtungskorrektur nötig, um den Höhenflug fortzusetzen. Sprich, es gilt an ein paar Stellschrauben zu drehen, ein bisschen Justierung vorzunehmen. Getreu der Devise: Das Bessere ist der Feind des Guten. Andererseits ist das nach einer Premiere gang und gäbe, das Normalste der Welt. Da kann noch so sehr geprobt werden: Im Ernstfall und unter realen Bedingungen zeigt sich, was wie taugt. Oder eben nicht.
Golf remixed statt Kanon einer Krönungsmesse
Nächste Woche ist der GOAT höchstselbst am Start, wenngleich Tiger Woods noch nicht verraten wollte, welches Trio letztlich für Jupiter Links in den Ring steigt. Der zum Auftakt von ESPN so überstrapazierte und überdreht vorgetragene Kanon einer Krönungsmesse dürfte dann hoffentlich abgearbeitet sein. Und die TGL darf werden, was sie sein soll: Golf remixed. Überdies, was sie werden kann: Die Frischzellenkur einer Innovation.