Nach ihrem Sensationserfolg bei der Women's British Open am vergangenen Wochenende, blieb Sophia Popov wenig Zeit, um zu realisieren, was ihr da gelungen ist. "Es ist wahrscheinlich das Größte, was im deutschen Frauengolf bisher passiert ist, bezogen auf Turniersiege", überlegte sie am Mittwoch in einem Video-Interview, an dem auch Golf Post teilnahm. Das Wort "wahrscheinlich" dürfte der Beweis sein, dass die 27-Jährige tatsächlich noch nicht vollständig begriffen hat. Es ist definitiv das Größte, was im deutschen Damengolf erreicht wurde. Nie zuvor hatte eine deutsche Frau ein Majorturnier gewonnen.
Ihr bisher steiniger Karriere-Weg macht diesen Erfolg zu einem Wunder. "Ich bin unheimlich stolz auf mich selber und auf die Leistungen aus den letzten fünf, sechs Jahren", freut sich die lange von Lyme-Borreliose geplagte Popov. "Es war oft nicht einfach. Wie man auch an meiner Rede [nach dem Sieg] gemerkt hat, es war ein sehr emotionaler Nachmittag." Als 304. der Weltrangliste war sie in die Women's Open gegangen, für die sie sich erst zwei Wochen zuvor qualifiziert hatte. Geplant hatte sie das Jahr auf der zweitklassigen Symetra Tour, nun ist sie ab sofort wieder LPGA-Tour-Mitglied.
Sophia Popov stand letztes Jahr vor dem Karriereende
Letztes Jahr stand die ehemlige College-Spielerin aus gesundheitlichen Gründen vor dem Karrieende. "Es war sehr ernst" - und auch zwei Tage nach dem Turnier zittert ihre Stimme noch etwas, wenn sie auf die harte Zeit zurückblickt. „Sollte ich aufhören, mich lieber mit anderen Dingen beschäftigen? Ich habe es ernsthaft überlegt. Nach ungefähr vier, fünf Wochen habe ich realisiert, dass ich noch nicht das erreicht habe, was ich erreichen kann. Es ist sehr schwer, aufzuhören. Man denkt, 'was wäre, wenn?'“
Daher wollte sie sich bis zu ihrem 30. Geburtstag Zeit geben, um ihre Ziele zu erreichen. "Ich denke nicht zu oft an solche Sachen, aber bis zu meinem 30. Geburtstag sollte da etwas passiert sein. Ich bin froh, dass ich das so schnell klären konnte." Bemerkenswert waren daneben ihre grundlegenden Gedanken zum Profigolf: "Man muss grundsätzlich darüber nachdenken, ob es lukrativ ist, ob es Sinn macht. Als Frau im Profisport ist es ohnehin nicht einfach, weil man sowieso noch andere Uhren ticken hört."
Sophia Popov: "Über die letzten fünf, sechs Löcher ist der Open-Traum real geworden"
Nicht nur an diesen Worten merkt man, dass Popov sehr demütig auf den Majorerfolg blickt. "Der Sieg kommt nicht von alleine", will sie verstanden wissen. "Max [Mehles; ihr Caddy und Lebensgefährte] die ganze Woche an der Tasche dabei zu haben, war unglaublich schön, um die Unterstützung zu haben und um mich ruhig zu halten. Er weiß genau, worüber ich nicht reden möchte. Er weiß genau, was er sagen soll, damit ich ruhig bleiben kann auf dem Golfplatz. Obwohl ich über die Wolken und die Berge erzählt habe, wusste er genau, dass ich das nur mache, um mich abzulenken. Wir wollten es einfach nur vollenden und nicht noch etwas Blödes machen." Statt etwas "Blödem" lochte sie Birdies auf den Bahnen 15 und 16 am Sonntag und machte damit den Titel perfekt. "Über die letzten fünf, sechs Löcher ist der Open-Traum real geworden. Nachdem ich den Putt an der 15 gemacht hatte, wusste ich, diese Woche ist meine Woche. Ich habe das Birdie gemacht und da wurde das alles real."
Es folgten bewegende Momente. Zunächste die tränenreiche Siegerrede, zahllose Interviews, zwischendrin Anrufe und Nachrichten. Sie habe Glückwünsche aus dem alten Heimatclub erhalten, von European-Tour-Profi Max Kieffer, Europas Solheim-Cup-Kapitänin Catriona Matthew und auch Martin Kaymer habe sich gemeldet, berichtet Popov freudestrahlend. "Martin hat mich angerufen. Er hat mir gratuliert und auch ein paar Einblicke gegeben, was in den nächsten Tagen passieren wird. Das fand ich cool. Es sind tolle Tage, aber auch stressige. Er hat viel Erfahrung und steht ohnehin in Kontakt mit meinem Freund, die kennen sich gut. Das war ein richtig cooler Anruf für mich." Unter anderem Ian Poulter, Luke Donald und Eddie Pepperell meldeten sich via Twitter. „Ich verfolge auch ihre Karrieren und habe mich sehr gefreut. Wow, dass die das mitbekommen. Das war sehr cool."
Diese Women's British Open im Royal Troon Golf Club werden in die Geschichtsbücher eingehen. Sophia Popov holt den ersten deutschen Damenmajor-Sieg. Die besten Bilder des Finaltages.
Bier und Schampus aus dem Pokal
Und auch eine kleine Feier mit den Kolleginnen fand noch ihren Platz. "Am Sonntagabend haben wir natürlich gefeiert. Die ganzen deutschen Mädels haben auf mich gewartet. Da waren insgesamt bestimmt noch 40 bis 50 Spielerinnen, als ich in die Lobby kam. Alle haben geklatscht und es war ein unglaubliches Gefühl. Mit diesen Spielerinnen steht man jede Woche auf dem Golfplatz und jede weiß, was so ein Sieg bedeutet. Jeder wünscht sich einen Majorsieg."
Begossen wurde der Titel natürlich trotz Corona, eines frühen Fluges am Montagmorgen nach Deutschland und der Turnierstrapazen: "Der erste Drink im Pokal war Bier. Bei meinem dritten Interview am Sonntag haben sie mir es netterweise in den Pokal geschüttet. Danach war es jede Menge Champagner. Ich habe aber nicht so gefeiert, wie ich es vorher schon getan habe", lacht Popov und erklärt: "Ich wollte auch den Tag danach genießen können. Wenn ich zurück in die USA komme, bin ich mir sicher, dass meine Eltern eine etwas größere Party organisiert haben. Dann will ich nicht wissen, was da alles noch für Getränke in dem Pokal landen."
Martin Kaymer über Popovs Märchen: "Sehr inspirierend"
“It shows again that you should never give up on your dreams.”
Martin Kaymer on @SophiaCPopov’s Women’s Open Championship victory.#ISPSHANDAUKChampionship pic.twitter.com/StKaysX3or
— The European Tour (@EuropeanTour) August 26, 2020