Wenn einer in Sachen Golf und Kulinarik unterwegs ist, trifft er Köche, die vielfach kaum Zeit finden, ihre Leidenschaft für das Spiel warm zu halten. Oder Sportkameraden mit einer Menge Drive am Herd und lukullischer Lust. Und dann ist da noch Santos Paredes, der vermutlich beste Golfer unter den Clubhaus-Gastronomen hierzulande.
Santos Paredes und der Sweetspot
Was jedoch nichts damit zu tun hat, dass der 53-Jährige seine Töpfe und Pfannen vernachlässigt, weil er lieber den Schläger statt des Schneebesens schwingt: Paredes ist in der Dominikanischen Republik geboren, dort ist Baseball Nationalsport. „Ich habe von klein auf gespielt, bin quasi mit dem Schläger in der Hand aufgewachsen“, erzählt Paredes. „Der Sweet Spot einer Baseballkeule ist noch kleiner als beim Golfschläger, ein Eisen 7 dagegen eine Bratpfanne.“ Damit schließt sich der Kreis.
„Die Murmel bewegt sich ja nicht mal“
Paredes kam 1989 nach Deutschland, absolvierte später im Hamburger Messe- und Kongresszentrum CCH seine Kochlehre und durchlief anschließend neben anderen auch Stationen in der Sternegastronomie. 2021 folgte er mitten in der Corona-Pandemie dem Ruf des Golf Club Föhr, um dessen Restaurant Club 1925 zu betreiben, und um sich damit einen Lebenstraum zu erfüllen.
„Seit ich als Koch angefangen habe, wollte ich immer was mit Golf machen“, sagt Paredes. 2007 hatte ihm ein Freund im Golf-Club An der Pinnau bei Hamburg einen Schläger in die Hand gedrückt: „Versuch mal!“ Er habe bloß gedacht: „Was soll denn daran so schwierig sein“, erinnert sich Paredes lachend. „Die Murmel bewegt sich ja nicht mal.“
Linksgolf-Lässigkeit und Heide-Hurra
Das ist halt der Vorteil all jener, die durch Stock-Ball-Spiele wie Hockey, Eishockey oder eben Baseball vorbelastet sind. „Es ging mit dem Handicap auch ganz schnell runter“, bestätigt Paredes, der seit einigen Jahren eine stattliche Stammvorgabe von 6,6 hält.
Jetzt folgt fast zwingend die Binse mit „Kein Wunder, wenn man die Spielwiese direkt vor der Tür hat“. Zumal, wenn es eine wie das Ensemble am Rand von Föhrs Inselhauptstadt Wyck ist, wo der 1925 gegründete Club – heuer wird folglich das 100-jährige Bestehen gefeiert – den einstigen Parklandplatz vom Architekten Christian Althaus (Düsseldorf) in eine Mischung aus Linksgolf-Lässigkeit und Heide-Hurra, deren strategisch ausgerichtetes, spannendes, ja spektakuläres Design viel spielbarer ist, als es auf den ersten Blick wirkt.
Beifall von der Nachbarinsel
Das Ensemble zählt eindeutig zu den Preziosen auf Europas Golf-Landkarte und lockt Gäste von überallher in die „friesische Karibik“. Die fragen dann auf der Terrasse, welche Schleife idealerweise zu spielen sei – und kriegen zur Antwort: Spielen Sie alle drei, gönnen Sie sich zwischendrin eine Pause und genießen Sie, was Santos Paredes an internationaler Küche mit saisonalem Bezug und regionalen Zutaten zaubert.
Dafür erntet er sogar Beifall von der Nachbarinsel Sylt, wo Golf-Globetrotter Werner Rudi von den „Leckereien“ im Club 1925 schwärmt – obwohl der Geschäftsführer von Budersand Golf mit Felix Gabel selbst einen genialen und mit Michelin-Stern bedachten Kreativen im Haus hat.
Felix Gabel: Ein Meister des Moments
Der 37-Jährige ist ein Meister des Moments. Was andere im Fotoalbum festhalten, wird bei ihm als Menü verewigt: kindliche Faszination und Großmutterliebe, Urlaubsimpressionen und familiäre Augenblicke, Weltenbummelei und heimatliche Inspiration. Er verwandelt Tabletts in Landschaftsdioramen von optischer wie olfaktorischer Opulenz, nennt seine Hummer-Maultaschen „Gangs of New York“ (Foto unten) und baut „Super Mario“-Erlebnisstrecken zum Dessert.
„Wir versuchen hier im KAI3 nicht einfach nur Essen zu servieren, sondern die Menschen auf eine gedankliche und emotionale Reise mitzunehmen. Das schafft man durch eine aromenstarke Küche. Je kräftiger die Aromen, desto mehr kann man Dinge triggern“, sagt Gabel über sein „Nordic Fusion“-Konzept.
„Ich war mein ganzes Leben auf einer Reise“
Im Gourmetrestaurant des Budersand Hotel – Golf & Spa in Hörnum auf Sylt verbindet er unter dem Titel „Große Aromenreise“ regionale Erzeugnisse aus Norddeutschland und Skandinavien als tragende Elemente seiner Kreationen mit internationalen Einflüssen: „Alles andere wäre nicht authentisch. Ich war mein ganzes Leben auf einer Reise, Fusion bringt die Welt mit ein, in der ich unterwegs war.“ Dies gilt gleichermaßen für das Team, in dem Freunde aus allen Teilen des Globus versammelt sind.
Spröde Linkskurs-Puristik und kulinarische Kunstwerke
So setzt sich am Herd ein Stil fort, den Patronin Claudia Ebert ihrem Fünf-Sterne-Superior-Hotel an der Südspitze der größten nordfriesischen Insel mit Gemälden, Fotos, Skulpturen oder Lesungen der Literatin und Kuratorin Elke Heidenreich verordnet hat. Ja, selbst der umliegende 18-Loch-Platz aus der Feder des Sylter Architekten Rolf Stephan Hansen ist in der spröden Linkskurs-Puristik ein Gemälde. Gabels intensive Aromen-Arrangements wiederum sind kulinarische Kunstwerke, er hantiert virtuos mit scheinbaren Gegensätzen. Und jeder Gang erzählt eine Geschichte. Story-Teller vom Story-Teller.
„Ein Gericht zu kreieren, das geht schnell: welche Saison, welche Jahreszeit, welche Produkte … Aber so fangen wir gar nicht an“, verdeutlicht Gabel. „Wir kommen von einer ganz anderen Seite – mit Erinnerungen und Erlebnissen, mit einer Gefühlslage, die wir dann einbauen. Jedes Gericht spiegelt Momente. Jeder, der es isst, durchlebt den Moment.“
Ein Outdoortrip wurde zum Herbstgericht
Unbedingt erzählenswert ist in diesem Zusammenhang jener Outdoor-Trip mit Freunden nach Dänemark, als man beim Kaffee aus dem Herdkocher am Lagerfeuer saß und die Natur auf sich wirken ließ, die Farben und Gerüche des Herbstwalds, den aufziehenden Abendnebel. „Wir fühlten uns total geerdet“, blickt Gabel zurück. Er setzte das in ein Herbstgericht um, samt Tableau aus Moos, Zweigen, Laub und Dunstschwaden aus Trockeneis. Die Pilzessenz wurde am Tisch in der Bialetti auf dem Gasbrenner erhitzt und final aromatisiert: „Man riecht Wald, Wacholder, Moos. Der Gast ist mittendrin in unserem Ausflug.“
Ureigene Aromenreise durch die ganze Welt
Die ureigene Aromenreise begann für Gabel, geboren in Linz am Rhein, mit einem Verlegenheits-Schulpraktikum in der Küche eines Tagungshotels im nahen Bad Honnef, in der glücklicherweise ambitioniert gekocht wurde. Für den Siebtklässler war das ein Erweckungserlebnis: „Seitdem wusste ich, was ich werden wollte.“
Jung-Felix beendete die Schule und ging auf Wanderschaft. Work and travel sollte es sein, aber „ich bin mehr gereist, als ich gearbeitet habe.“ Er war in Australien, auf Kuba, in Kanada und im schweizerischen Pontresina, wo Gabel endgültig die Spitzengastronomie ins Visier nahm und sich fortan nur noch bei den Top-100-Restaurants der Welt bewarb: „Ich wollte so viel wie möglich so schnell wie möglich aufsaugen.“
Golf auf den öffentlichen Plätzen rund um New York
Gesagt, getan: Gabel machte im legendären Delmonico’s in New York Station, wo die Zutaten von der eigenen Farm kamen. „Dort habe ich gelernt, auf Kommando kreativ zu sein.“ In der kärglichen Freizeit spielte er mit den Kollegen gelegentlich Golf in den öffentlichen Anlagen des Big Apple und auch im Bethpage State Park, wo der berüchtigte Schwarze heuer Bühne für den Ryder Cup ist.
Er assistierte in dem Zweisterne-Tempel Coi in San Francisco und lernte im asiatischen Ausnahmerestaurant Gaggan in Bangkok dank einer Crew aus 14 Ländern die multikulturelle Küche kennen. Dann kamen der Schweizer Nobelskiort Gstaad und das Restaurant Sommet des The Alpina Gstaad, wo Gabel im damaligen Küchenchef Marcus Lindner einen kulinarischen Sparringspartner fand: „Ich hatte den Kopf voller Ideen und Inspirationen und er hat mir die Plattform gegeben, das herauszulassen.“ Für Golf auf der Berg- und Talbahn des Golfclub Gstaad Saanenland war bei alldem freilich keine Zeit.
Auf Sylt sesshaft geworden – ideal für einen, der gern surft
2016 kam Felix Gabel nach Sylt und ist sesshaft geworden – nicht so schlimm für einen, der gern surft. Er begann im KAI3 als Sous Chef beim „Saucengott“ Jens Rittmeyer, bekam nach drei Monaten und einem hochselektiven Ausleseprozess im Jahr drauf den vakant gewordenen Job des Küchenchefs, gründete eine Familie und erkochte sich selbst einen Michelin-Stern. Inzwischen verantwortet er als Chef von 24 Mitarbeitern im Hotel und acht Mitarbeitern im Restaurant Strönholt oberhalb der Golfanlage die gesamte Budersand-Gastronomie.
„Einen Sport mit und gegen sich selbst spielen …“
Ach, und die hierzulande obligatorische Platzreife hat Gabel ebenfalls längst. Es war auch diesbezüglich eine lange Reise seit den Anfängen vor Jahren in Florida mit dem Vater einer Freundin. Damals stolperte der Linkshänder über ein zur Mitnahme abgestelltes aussortiertes Bag und stellte erstaunt fest, dass sogar Schläger für „Leftys“ existieren. Zuvor allerdings hatte er sich schon mit einem Rechtshand-Set ganz beachtlich geschlagen. Bei ihm hat halt alles eine Story. Und: „In der Natur zu sein, einen Sport mit und gegen sich selbst zu spielen, Weite und Ruhe zu haben, das ist eine wunderschöne Sache und genau mein Ding.“