Nun also doch Luke Donald. Nach Stand der Dinge übernimmt der 44-jährige Engländer das durch Henrik Stensons unrühmlichen Abgang verwaiste Amt des europäischen Ryder-Cup-Kapitäns für Rom 2023. So jedenfalls berichten es diverse Medien auf Basis eines Artikels im britischen Blatt „The Telegraph“; Anfang kommender Woche soll der Regiestab für Marco Simone übergegeben werden, schreibt der für gewöhnlich bestens informierte Kollege James Corrigan.
„Ich habe sicher eine sehr gute Chance“
Donald selbst wiegelt natürlich erst mal ab. „Ich weiß von nichts, es gibt nichts offizielles zu vermelden“, beschied der ehemalige Weltranglisten-Erste (Mai 2011 bis März 2012) nach seiner 70er-Runde zum Auftakt der Rocket Mortgage Classic in Detroit alle Frager. Klar, das bleibt den hohen Würdenträgern bei der Ryder Cup Ltd. und bei der European Tour Group vorbehalten. Natürlich habe er mehrfach mit Ryder-Cup-Direktor Guy Kinnings gesprochen, sagte Donald: „Ich habe sicher eine sehr gute Chance, aber da sind ja noch Thomas Bjørn und ein paar andere Jungs.“
Nachfolger für Stenson gesucht
Gutes Stichwort: Einer der „anderen Jungs“ ist Paul Lawrie, Schotte und Champion Golfer von Carnoustie 1999. Er hat schon laut gemeckert, dass ja wohl nicht sein könne, dass sich Bjørn als Mitglied des fünfköpfigen Auswahlgremiums quasi selbst ernenne. Der Däne, der Europas Riege bereits 2018 in Paris zu einem nicht unbedingt erwarteten Sieg geführt hat und seither ein entsprechendes Tattoo auf dem Allerwertesten trägt, wäre angesichts des fortgeschrittenen Zeitpunkt und seiner Amts-Erfahrung gewiss eine gute Wahl.
Allerdings können sich Kinnings und Pelley nach dem Trubel um Stenson und dem Rausschmiss des Schweden vor dessen final verkündetem Wechsel zur LIV Golf Invitational Series kaum neues Theater oder eine Schlammschlacht um dessen Nachfolge leisten. Die Aufgabe vom 29. September bis 1. Oktober im Marco Simone Golf & Country Club vor den Toren der Ewigen Stadt wird auch so schwierig genug.
„Beim Ryder Cup hatte ich sicherlich einige meiner besten Momente im Golf. Es ist eine unglaubliche Ehre, Europa beim Ryder Cup zu vertreten, und ich wäre gerne Kapitän. Das wäre auch eine große Ehre […] Ich war überrascht, dass er [Henrik Stenson] seinen Hut in den Ring geworfen hat, obwohl er vorhatte, zu LIV zu gehen […] Ich rede ungern über Gerüchte, aber es gab Gerüchte, dass er mit den rivalisierenden Tourneen in Kontakt war – und er war sehr interessiert. Jeder wusste das, die European Tour wusste das. Aber sie glaubten ihm offenbar, als er ihnen sein Wort gab, nicht zu wechseln. Wir alle müssen eine Klausel oder einen Vertrag unterschreiben, dass wir nichts mit LIV zu tun haben.“
Luke Donald
Und sie sehen in der Causa Captain ohnehin nicht besonders gut aus. So, wie die aktuelle Haltung der European Tour Group und der DP World Tour in der ganzen Saudi-Sache eher mit viel Geschmäckle einher geht, nachdem man Riad und den dortigen Reichtum mit der Aufnahme des Saudi International in den Tour-Kalender drei Jahre lang (2019 bis 2021) LINKLINK hofiert hat. Das freilich ist noch mal eine andere Geschichte.
Unsicherer Kantonist trotz LIV-Verzichtserklärung
Sei’s drum: Stenson war ein unsicherer Kantonist – trotz der im März unterschriebenen LIV-Verzichtserklärung –, sich auf ihn einzulassen ein gewagtes Spiel. Der „Iceman“ ist ganz offenkundig anfällig für finanzielle Versuchungen, das hat er 2010 mit seiner Verwicklung in das Schneeballsystem des Finanzbetrügers Allen Stanford erkennen lassen, wo er ein Vermögen und die „Absicherung der Zukunft meiner Familie“ verzockte.
„Ich habe nicht das Gefühl, dass ich das Amt des Ryder-Cup-Teamchefs aufgegeben habe. Ich habe hier alle möglichen Vorkehrungen getroffen, um meine Pflichten als Kapitän erfüllen zu können, und ich hatte große Hilfe von LIV, um das zu tun. Und trotzdem wurde die Entscheidung getroffen, dass ich abgesetzt werde.“
Henrik Stenson beim LIV-Golf-Event in Bedminster/New Jersey
Der zeitliche Faktor ist ebenfalls zu vernachlässigen. Donald, oder jeder andere, wird zum der Frontmann einer gutgeölten Ryder-Cup-Maschinerie, die trotz Stensons miesem Manöver längst auf Betriebstemperatur ist und Richtung Rom rotiert. Zumal mit den bereits gesetzten Assistenten Eduardo Molinari und Bjørn. Und mit der Wahl des vierfachen Ryder-Cup-Spielers (2004, 2006, 2010, 2012) und zweifachen Assistenten wäre eines sicher: „Wenn ich diesen Posten bekomme, würde ich mein Wort halten und es durchziehen“, bekräftigte Donald gestern in Detroit. „Oder lassen Sie es mich so ausdrücken: Ich werde nicht den Henrik machen.“
Rory McIlroy als Playing Captain gehandelt
Er war schon mal erste Wahl, und er wäre wieder eine gute, eine richtige Entscheidung. Selbst wenn zwischenzeitlich sogar Rory McIlroy als Playing Captain gehandelt wurde. Zu Beginn des Jahres bereits galt Donald als Favorit, weil sonstige Amts-Aspiranten – Lee Westwood, Ian Poulter, Sergio Garcia, auch Stenson und später ebenfalls Martin Kaymer – allzu sehr mit dem Lockruf des Gelds aus Saudi-Arabien liebäugelten. Europas Verantwortliche hätten es dabei belassen sollen, es wäre ihnen einiger Schaden erspart geblieben. Aber hinterher ist man immer schlauer.
„Im Fall einer Berufung müsste ich mich wohl gleichermaßen in Riad bedanken“, witzelte der Weinliebhaber, Hobby-Winzer und passionierte Maler mit Hauptwohnsitz im Speckgürtel von Chicago damals. Dann hob die Kür-Kommission, bestehend aus Pelley, dem Spieler-Komitee-Vorsitzenden David Howell sowie den drei letzten Teamchefs Darren Clarke, Bjørn und Padraig Harrington, doch Stenson auf den Schild , und ihm blieb bloß die Hoffnung, „dass meine Chancen damit nicht endgültig dahin sind“.
Genau der Richtige, um den Henkelmann aufzupolieren
Sind sie offenbar absolut nicht. Donald, der sechs Mal auf dem europäischen Circuit und fünf Mal auf der PGA Tour siegte und 2011 als erste Spieler überhaupt beide Geldranglisten im selben Jahr gewann, müsste sich überdies keinesfalls als Verlegenheitslösung oder Notnagel fühlen. Alles was nun mit dem Votum zu seinen Gunsten mitschwänge, ginge im Zweifelsfall zu Lasten der Entscheider. Ohnehin ist niemand größer als der Ryder Cup und seine Bedeutung. Und sollte das goldene Henkelmännchen tatsächlich einen Flecken bekommen haben, ist Sauber- und Strahlemann Donald genau der Richtige, um die Stiftungsgabe seines Landsmanns Samuel Ryder aufzupolieren.
Erfrischende Personalie in diesen Zeiten
Mehr noch: Der unbelastete, jeden Konflikts zwischen Ruhm und Reibach völlig unverdächtige und mit viel Charme ausgestattete Luke Donald wäre mal eine erfrischende und angenehme Personalie in diesen Zeiten. Ein Publikumsliebling ist er sowieso, zudem im Kollegenkreis respektiert und beliebt. Nicht zuletzt hätte seine endgültige Ernennung den angenehmen Nebeneffekt, ihn wieder öfters in Europa zu sehen – Luuuke!