War Goethe ein Golfer? Nicht, dass man wüsste. Aber warum schreibt der Dichterfürst dann so was: „Hier ist des Volkes wahrer Himmel, Zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!“? Der berühmte Monolog in der „Faust“-Szene „Vor dem Tor“, besser bekannt als „Osterspaziergang“, weist doch klar auf die Golfer-Gilde.
Zwischen Hacken und Handicap
Immerhin gilt Ostern hierzulande als offizielle Saisoneröffnung. Spätestens dann strömt der Homo Ludens, der spielende Mensch, landauf landab auf die Wiese und demonstriert, wie er sich über Winter in Form gehalten hat – oder auch nicht –; zeigt besonders all das neue Spiel-Zeug, das in dieser Saison endlich den Unterschied zwischen Hacken und Handicap herausarbeiten soll, aber nun wirklich jetzt…
Bündelweise Kram, der es nicht mehr bringt
Ach, der Material-Fetischismus und all der alte Kram, der’s nicht mehr bringt. Im Keller stehen bündelweise Putter, da es natürlich stets am Gerät liegt, wenn auf dem Grün die Bälle nicht mehr fallen wollen. Oder das Sträußchen alter Driver, weil doch jedes neue Modell angeblich noch ein paar Meter mehr ausmacht und in Sachen Fehlerverzeihung sowieso alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt.
So eindeutig das dahinter stehende Motiv ist, so vielgestaltig sind die vorgeschobenen Begründungen, wenn neues Schlaginstrumentarium her soll. Eine netzweite, stichprobenartige Feldforschung, nicht zu verwechseln mit einer validen Studie, fördert jedenfalls tausendundeins Ausreden zutage – Wohlfeiles, Witziges und manchmal auch Wirres.
Forschungsergebnisse und Studium
Ein neues Bag zu Ostern ist ja völlig normal; auch, dass sich einer einfach selbst was schenkt.
Andere belohnen sich für Projekte, deren Ergebnisse die Veröffentlichungsgenehmigung erhalten haben, ebenfalls mit einem neuen Standbag oder fürs abgeschlossene Studium gleich mit einem ganzen Satz „Stealth“-Eisen von TaylorMade. Manche nutzen das golferische Desinteresse der Damen des Hauses schamlos aus und posaunen ihren Stolz samt Analyse unverblümt raus – was wäre die ihren Lebensstil öffentlich kuratierende Gesellschaft bloß ohne Social Media …
Auch Jobwechsel, neue berufliche Herausforderungen, Beförderungen und sogar das abgeschlossene dritte Lehrjahr sind Grund genug, sich was zu gönnen …
… selbst, wenn die Liebeserklärung an den neuen, auf Bestellung gefertigten Putter mit „obnoxious“ (widerlich) etwas befremdlich ausfällt:
Energiepreise und die Wärme eines neuen Putters
Überhaupt, die „Flat Sticks“. Ihnen gebührt ein besonderes Kapitel dieses kleinen Streifzugs durchs World Wide Web. Humor beweist zum Beispiel jener Golf-Nerd, der sich angesichts „über Nacht verdoppelter“ Energiekosten – welch zeitgemäßer Bezug – ganz offenbar darauf verlegt, sich fürderhin an der inneren Freude über die Putter-Neuanschaffung zu wärmen. Kann man so machen.
Der Blinddarm der Freundin
Der eine versorgt sich wegen eines verstauchten Zehs oder wegen eines abgebrochenen Zahns samt notwendiger Behandlung mit einem garantiert schmerzlindernder Material-Placebo – „Heile heile Gänsje“ in der Golf-Version –; der andere feiert die Aufnahme seines Nachwuchses ins Golf-Team der Highschool mit einem neuen Putter für sich selbst oder kauft sich vor Erleichterung über die Blinddarm-Entfernung bei seiner Freundin direkt mal ein Paar Schuhe.
Dann gibt es noch Zeitgenossen, die sich trotz Ehefrau, Sohn und Eigenheim erst dank eines gefitteten Eisensatzes erwachsen fühlen, einfach nur in „frivoler“ Stimmung sind – frei nach der Devise: Was soll der Geiz?! – oder schlichtweg bei der Pokerrunde mit den Kumpels ein gutes Händchen hatten:
Tiger zieht immer als Ausrede
Natürlich darf Tiger Woods nicht fehlen. Der Superstar wirkt auch in diesem Segment als Katalysator. Erst recht nach seinem Comeback beim heurigen Masters. „Dankbarkeit“, „Perspektiven beim Blick in die Zukunft“ oder schlichtweg die Tatsache, dass der 15-fache Majorsieger 18 Loch auf der Achterbahn im Augusta National Golf Club 18 Loch bewältigt hat, müssen als Ausreden für geschmiedete Eisen oder einen Beryllium-Putter herhalten.
Glanzgold und menschliches Rühren
Zuguterletzt sind da noch zwei spezielle Sportkameraden. Ersterer ersteht einen sündhaft teuren Komplett-Schlägersatz in Glanzgold, wundert sich übers Eisen 10 und freut sich diebisch über den unentgeltlichen Versand:
Und mit Zweiterem sind wir dann endgültig am unteren Ende dieser Strecke angekommen – sagen wir ruhig am Tiefpunkt. Dafür ersparen wir uns aber auch die Übersetzung seiner Beweggründe und wünschen stattdessen schönes Spiel in der neuen Golf-Saison!