Wie wär’s mit einer kurzen Zeitreise ins Amerika der 1870er Jahre? Damals war Wildwest, gerade im Mittleren Westen des keine hundert Jahre alten Staats: Man stand sich auf einer staubigen Straße mit lauerndem Blick unterm Stetson gegenüber und versuchte, den Revolver schneller zu ziehen als der eigenen Schatten (Sorry, Lucky Luke) – zumindest aber als der Gegenüber. Diese sogenannten Quick-Draw-Duelle kamen viel seltener vor, als Hollywood weismachen will, aber ein wirklich historisch bezeugtes ereignete sich 1865 in Springfield/Missouri, als Wild Bill Hickok aus rund 68 Metern einen gewissen Dave Tutt erschoss.
Hickoks Geist soll auf Loch 7 spuken
Dieser James Butler Hickok war schon zu Lebzeiten eine Legende: Gun Slinger, Soldat, Marshall, Postkutschen-Fahrer, Scout, Spieler, Trinker. Zudem Lover der berüchtigten Calamity Jane, nach der Bobby Jones seinen tödliche Putter benannt hatte, sowie Kumpel des noch berühmteren William Cody, besser bekannt als Buffalo Bill. Und warum diese Einleitung? Weil Hickoks Geist angeblich gelegentlich auf dem 7. Loch des East Course von Oak Hill in Rochester/US-Bundesstaat New York herumspuken soll, wo gerade die 105. PGA Championship stattfindet und ab Donnerstag Justin Thomas seinen Titel von Southern Hills gegen knackige Konkurrenz verteidigen will.
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Besagter Wild Bill Hickok starb zwar 1876 in der Goldgräberstadt Deadwood – nomen est omen – in den Bergen von Dakota, rund 1.500 Meilen weiter westlich, weil ihm beim Pokern ein übel gesonnener Zeitgenosse in den Hinterkopf schoss: Aber was weiß man schon genaues über die Bewegungsprofile herumirrender Seelen. Im Oak Hill Country Club berufen sie sich jedenfalls auf Hickoks Zeit bei der Wildwestshow von Buffalo Bill zwischen 1873 und 1874, weil er damals offenbar in der Gegend gern gejagt hatte, auf deren Boden der 1901 gegründete Club zwanzig Jahre später endgültig sesshaften geworden war. Hauptsache Legende.
Vierte PGA Championship, drei US Open, ein Ryder Cup
Die beiden Plätze, der East Course und der West Course, gehören zum vielhundertfachen Erbe, das der geniale schottische Designer und Architekt Donald Ross in den USA hinterlassen hat, während er in Pinehurst an seinem Meisterstück No. 10 feilte. Aus all dem ergibt sich, dass auch Oak Hill zum Tafelsilber der amerikanischen Golfkultur gehört, es ist einer der großen alten Clubs, war jeweils dreimal Schauplatz einer US Open (1956, 1968, 1989) und einer PGA Championship (1980, 2003, 2013) sowie 1995 Gastgeber für den Ryder Cup, den die Europäer unter Kapitän Bernard Gallacher und mit Bernhard Langer knapp 14,5:13,5 gewannen.
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Entgegen der Mär vom Gespenst des ollen Wild Bill ist das wahre Schrecknis des East Course allerdings sein Rough. Von jeher ein krautiger Sumpf, haben sie es vor diesem zweiten Major des Jahres noch mal ordentlich wuchern lassen und zu einem Albtraum an grünem Morast gemacht, in dem Bälle schlichtweg auf Nimmerwiedersehen versinken können. Ein übriges tut die Jahreszeit mit viel Wärme und Regen, verglichen zu früheren Austragungsterminen. Die Fore-Caddies müssen also genau hinschauen – und die Spieler beim Befreiungsschlag starke Handgelenke haben. „Jeder, der bei unseren Meisterschaften im Rough landet, hat ein Riesenproblem“, sagt Head-Greenkeeper Jeff Corcoran mit einigem Understatement. Denn letztlich gilt: Wer das Fairway verfehlt, ist eigentlich verloren.
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In Oak Hill hat sich der alte Golfgruß „Far and Sure“ („weit und sicher“) in doppeltem Maß zu bewähren. Denn außer dem Rough hat der East Course zuvorderst Länge im Zusammenspiel mit superschnellen Grüns, um sich gegen das moderne Material und die Muskeln der Athleten zu verteidigen. Als vorläufig letzter Architekt hat Andrew Green, ein Experte für die Wiederherstellung von Vintage-Kursen, Hand ans Geläuf gelegt und versucht, den Gestaltungsgeist von Donald Ross wiederzubeleben. Die designerische Vertracktheit ist freilich überschaubar, vor allem die 14 sticht diesbezüglich heraus, ein 292 Meter langes Par-4, dessen Grün mithin vom Abschlag mühelos erreichbare wäre – wenn da nicht die brachiale Verteidigung durch diverse vorgelagerte Bunker wäre. Das verspricht Spaß.
Ansonsten musste Greene sich zwangsläufig darauf verlegen, das Maximum an Länge herauszukitzeln. 6,757 Meter sind es jetzt von den Championship Tees, mehr gibt die verfügbare Fläche nicht her.
McIlroys Ehefrau stammt aus Rochester
Einen besonders ficht das alles wenig an. Rory McIlroy freut sich „wie Bolle“ auf diese PGA Championship. Nicht nur, weil er glaubt, dass der East Course durch Greens Renovierung wieder „zu einstigem Glanz und früherer Glorie aufpoliert“ worden sei. Er ist Mitglied im Oak Hill Country Club; Ehefrau Erica stammt aus Rochester. Die beiden hatten sich bekanntlich beim Ryder Cup 2012 erstmals getroffen, als die damals für PGA of America tätige Erica Stoll den Nordiren davor bewahrte, seine Einzel-Startzeit zu versäumen und ihn mit Polizei-Eskorte rechtzeitig in den Medinah Country Club chauffieren ließ. Bei der PGA Championship 2013 in Oak Hill trafen sie sich wieder, erneut auf sozusagen dienstlicher Ebene, 2017 dann läuteten die Hochzeitsglocken. Seither gab’s immer wieder Familienbesuche in Rochester. „Es ist toll,“ sagte Rory McIlroy Anfang dieser Woche, „quasi in der zweiten Heimat ein Major zu bestreiten.“
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