Es sind bewegte Wochen in Martin Kaymers Karriere. Lange Zeit war er nicht mehr so präsent und im Fokus der medialen Aufmerksamkeit und es scheint, als ob bei dem 36-Jährigen eine Zeit der Neuorientierung einsetzt und er neue professionelle Schwerpunkte setzen würde.
Martin Kaymers zwei Gesichter auf dem Platz
Sportlich wechseln sich bei Martin Kaymer Phasen des Aufschwungs und schwächere Phasen ab. Nach zuletzt drei verpassten Cuts, schaffte es der Deutsche bei den US Open 2021 ins Wochenende. Der Sieger von 2014 zeigte jedoch auf dem Platz - wie zuletzt so häufig - zwei Gesichter. Grobe Patzer wechselten sich mit genialen Momenten ab. Am Ende stand Kaymer auf einen geteilten 26. Platz, den er sich durch ein kämpferisches Comeback und fantastisches Kurzspiel verdient hatte. Man kann nur erahnen, auf welchem Platz Kaymer hätte landen können, wenn er wieder Konstanz in sein Spiel bringen könnte.
In der zweiten Runde, bei einem Score von +6 glänzte Kaymer mit einem blitzsauberen Eagle:
Aber Kaymer macht sein eigenes Ding, weiß, welche Bedingungen er braucht, um optimale Leistung zeigen zu können. Zu Beginn der Saison sprach er von neuer Motivation und der Wiedererweckung seiner Freude am Golf und neuen Plänen, um sich die benötigten Bedingungen auch zu schaffen. Von der vielgeäußerten Kritik, er müsse mehr Turniere spielen, lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen.
Diese Ruhe, Zuversicht und sein Selbstvertrauen in schwierigen Situationen auch auf dem Platz führten dazu, dass Pádraig Harrington, Kapitän des europäischen Ryder-Cup-Teams, Kaymer als einen seiner Vize-Kapitäne haben wollte. Neben Kaymer erfüllen bisher Luke Donald, Robert Karlsson und Graeme McDowell diese Funktion. Zusammengenommen haben diese Spieler die Erfahrung von 29 Ryder-Cup-Punkten.
"Martin bringt eine angenehme Besonnenheit mit sich"
Harrington erklärte seine Wahl auf einer Pressekonferenz der European Tour damit, dass Kaymer eine wunderbare Balance in das Team der Vizekapitäne bringen werde: "Martin ist dafür bekannt, dass er selbst unter starkem Druck einen kühlen Kopf behält. Und der Ryder Cup ist eine Drucksituation und eine sehr emotionale Situation und Martin bringt eine angenehme Besonnenheit mit sich." Natürlich helfe es zudem, dass Kaymer Whistling Straits bereits gewinnen konnte und die anderen Spieler ihn respektieren würden.
Für Kaymer kam die Anfrage Harringtons nach eigener Aussage überraschend: "Ich war überrascht, weil ich ich mich nicht als Vizekapitän gesehen habe", sagte er bei der Pressekonferenz im Vorfeld der BMW International Open. Es sei eine Ehre Vizekapitän zu sein, auch wenn er gerne als Spieler dem Team geholfen hätte. Somit bleibt eines garantiert: Kaymer bleibt eine wichtige Instanz im europäischen Golfsport, unabhängig von den Ergebnissen auf dem Platz. Harrington betont, welchen Respekt und welche Autorität Kaymer unter den anderen Spielern hat. "Er muss sich nicht mehr beweisen."
So wird Kaymer dem europäischen Golfteam zur Seite stehen, wenn es im September 2021 auf dem Whistling Straits Golf Course in Wisconsin gegen die amerikanische Auswahl geht. Teil des deutschen Olympia-Teams wird Kaymer allerdings nicht sein.
Zu viele Restriktionen für Olympia
Wie Kaymer auf einer Pressekonferenz vor der BMW International Open erklärte, seien die Olympischen Spiele in diesem Jahr nicht dasselbe: "Wofür Olympia steht, ist in diesem Jahr nicht geboten." Zwar sollte man nicht immer alles mit Corona erklären aber Angesichts der Restriktionen, Golfspieler dürften nicht im olympischen Dorf leben und es gäbe kein deutsches Haus, erwarte er nicht den Teamspirit, der die Olympischen Spiele so besonders machen würde. Er bleibe aber ein ausgesprochener Olympia-Fan und habe tolle Erfahrungen in Rio sammeln dürfen.
"Es hat mir gut getan, diese Entscheidung zu treffen, um mir jetzt keine Gedanken mehr machen zu müssen", erklärt Kaymer. "Jetzt fokussiere ich mich auf die BMW International Open in München und auch noch auf einige andere Ziele, die ich dieses Jahr habe."
Es sind neue Rollen, in denen sich Martin Kaymer nun zurechtfinden muss. Sowohl mit dem Amt des Vizekapitäns des Ryder-Cup-Teams, zu dem er sich zunächst nicht berufen fühlte, als auch mit seiner Entscheidung gegen die Teilnahme an einem "Corona-Olympia" hat er bereits gezeigt, dass er diese neuen Rollen annimmt und auch unbequeme Entscheidungen konsequent trifft. Während Kaymer weiterhin sportliche Erfolge und Höchstleistungen verfolgt, deuten diese Entwicklungen darauf hin, dass er auf ein reiferes Stadium seiner Sportlerkarriere zusteuert. Dieses erste Ausprobieren in neuen Funktionen und neuen Rollen, werden auch seine Zukunft im Golfsport prägen: "Hoffentlich verrät [das Amt des Vizekapitäns] mir etwas über mich selber: Ob ich eines Tages der Aufgabe gewachsen sein werde, selber Kapitän zu sein."
Ob Kaymer damit den richtigen Weg für sich gefunden und die richtigen sportlichen Fokuspunkte gesetzt hat, wird sich zeigen. Vielleicht zeigt es sich bereits an diesem Wochenende in München Eichenried. Die BMW International Open sind für Kaymer ein guter Ort den Start in den nächsten Abschnitt seiner Karriere..