Ein letzter Blick auf die Fahne, dann mit kurzen, dynamischen Bewegungen die Füße in den Sand graben, noch einmal den absoluten Fokus aufbauen - "wusch"! Das dumpfe Geräusch kennzeichnet, dass der Schläger butterweich durch den Sand geglitten ist, der Treffpunkt optimal. Der Ball landet exakt auf einer kleinen Ondulierung im Grün und erhält mit der letzten Umdrehung einen Impuls bergab, rollt noch einen Meter und bleibt fast tot am Stock liegen. Martin Kaymer hebt gewohnt zurückhaltend die Hand, presst die Lippen aufeinander und nickt kaum merklich. Er nagelt das Ding zum siebten Birdie auf den letzten neun Bahnen ins Loch.
Martin Kaymer und der steinige Weg zurück
"Endlich!", möchte man sagen. Nach der Schwungumstellung 2011 lief es lange nicht wirklich rund für den Deutschen. Auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit angekommen nahm er Veränderungen vor, um ein vollkommenerer Spieler zu werden, doch der Schuss ging anfangs nach hinten los. Die Resultate blieben aus, es hagelte Kritik von allen Seiten, Martin Kaymer wurde in der Weltrangliste durchgereicht. Auch sein entscheidender Putt zum Ryder-Cup-Triumph 2012 vermochte Kaymers Formtief nur marginal aufzubrechen. Mit dem Putt zur 63 und dem eingestellten Platzrekord auf der neunten Bahn des TPC Sawgrass, Kaymer war auf der Zehn gestartet, setzte der Deutsche ein dickes rotes Ausrufezeichen hinter seine jüngste Entwicklung.
Ist es der lang ersehnte Befreiungsschlag des ehemaligen Weltranglistenersten? Die Ergebnisse der jüngeren Vergangenheit haben angedeutet, dass sich das Spiel des 29-Jährigen in die richtige Richtung entwickelt. Seit dem Masters Anfang April, wo Martin Kaymer seinem "Angstgegner" Augusta National mit absolut soliden Runden die Stirn bieten und sein bisher bestes Ergebnis einfahren konnte, geht es bergauf. Es folgte ein 23. Platz bei der RBC Heritage und ein 18. Rang vergangene Woche in North Carolina, wobei er hier am Finaltag sogar noch ein paar Plätze verschenkte. Die erste Runde bei der PLAYERS Championship war vorerst die Spitze dieser Entwicklung.
Die neue Stärke ist die alte - Konstanz
Von Anfang an konnte Martin Kaymer auf der Konstanz aufbauen, die ihn in den letzten Wochen hat stärker werden lassen. Die erste Birdie-Chance auf seinem ersten Loch (Loch 10) aus etwa einem Meter ließ er noch liegen, beim anschließenden Par 5 fiel der Ball und Kaymer war "in the zone". Der 29-Jährige schlug seine Eisen mit einer unglaublichen Präzision an die Fahnen und erarbeitete sich Chance um Chance. Er konnte ein weiteres Birdie an der 15 spielen, hakte die gefürchtete 17 mit Par ab und ging bei -2 in die zweite Hälfte seiner Runde - wo er erst so richtig heiß lief.
Martin Kaymer fährt den Birdie-Train
Der Einfachheit wegen seien erst einmal die Löcher genannt, die Kaymer nicht mit Schlaggewinn beendete: Loch drei und fünf. Auf allen anderen Löchern konnte der Deutsche einen Kreis um seinen Score machen, von der Sechs bis zur Neun sogar vier Stück in Serie. Die Statistiken sind dementsprechend mehr als beeindruckend - Martin Kaymer traf auf seiner Runde 85.71 Prozent der Fairways (Durchschnitt des Feldes: 66, 52 Prozent), verfehlte also nur zwei Spielbahnen vom Abschlag aus. Noch beeindruckender seine Greens in Regulation: 94,44 !!! Prozent, er verpasste nur ein einziges Grün. Kaymer ist erst der vierte Spieler in der Geschichte des TPC Sawgrass, dem eine 63 gelang, und stellte damit den Platzrekord ein.
Neun Löcher für die Annalen der PLAYERS Championship
Kaymer gelang an diesem ersten Tag der PLAYERS Championship, wonach alle Spitzenathleten streben: Er kam in den "Flow" - ein Zustand, der es Sportlern ermöglicht, ihre Konzentration punktgenau zu bündeln, alles andere auszublenden und das Gefühl zu haben, alles gelingt. Der 29-Jährige spielte immer den Schlag, den er gerade brauchte und absolvierte die Front Nine mit 29 Schlägen - in der 31-jährigen Geschichte des Stadium Course des TPC Sawgrass gelang das noch keinem, weder auf den vorderen, noch auf den hinteren Neun.
Es gibt nur ein Gas - Vollgas!
Was können wir also erwarten von einem Martin Kaymer, der seinen Power-Fade zurück hat, den Draw spielen kann und dessen Putts auch endlich fallen? Eine Menge! Ob es schon an diesem Wochenende was mit ersten Sieg nach der Durststrecke wird? Könnte sein. Wahrscheinlich wird er seine phänomenale Auftaktrunde nicht toppen können, wenn er aber weiter so konstant spielt, wie in der jüngsten Vergangenheit, ist alles drin, mindestens aber eine neue persönliche Bestleistung. Er selbst bleibt, zurecht, realistisch: "Wir sollten in diese erste Runde nicht zuviel hineinreden. Es war ein guter Start, aber es war die erste Runde des Turniers." Seine beste Platzierung bei der PLAYERS Championship bislang war ein geteilter 15. Platz 2012.
The scorecard: Martin Kaymer ties Stadium Course at TPC Sawgrass course record with 9-under 63 @THEPLAYERSChamp. pic.twitter.com/Il2QOWY8LK
— PGA TOUR Media (@PGATOURmedia) 8. Mai 2014