Ist die Planung erstmal ruiniert, spielt sich‘s frei und ungeniert: So ungefähr lässt sich Dustin Johnsons Moving Day bei der 102. PGA Championship zusammenfassen. Der Schlaks aus Kalifornien hatte während der Runde sein Yardage Book mit allen Platzangaben, Distanzen, Slopes und Breaks verbrasselt und spielte fürderhin sozusagen „free hand“, ließ sich allenfalls von den Aufzeichnungen seines Bruders und Caddies Austin über den TPC Harding Park und durch die aktuellen Fahnen-Positionen navigieren. „Das Buch ist mir ins Bag gerutscht, und ich hatte einfach keine Lust, alle Schläger auszuräumen und es vom Boden der Tasche hervorzukramen“, sagte „D.J.“ in der ihm eigenen lakonischen Attitüde. Es ging ja auch ohne.
Was andere vermutlich fast zum Hyperventilieren brächte, ein Blindflug in Runde drei eines Majors nämlich, ließ Johnson so kühl wie die gestrigen Außentemperaturen in San Francisco. Er schoss eine entspannte 65 mit acht Birdies, leistet sich nebst einem Bogey an der 6 sogar ein Doppel-Bogey auf Bahn 9 und ist mit -9 fürs Turnier dennoch der Primus im glatten Dutzend der durch maximal drei Schläge getrennten Sieg-Kandidaten, die heute das Finale dieses ersten Majors des Corona-Jahres 2020 in Angriff nehmen.
Wenn Johnson puttet wie gestern, dann dürfte er im Kampf um das für ihn eh überfällige zweite Major kaum zu schlagen sein. Der 2016er-US-Open-Champion brauchte für eine Gesamt-Putt-Strecke von 42,6 Metern gerade Mal 24 Schläge. Allerdings „muss ich auf der Schlussrunde deutlich mehr Fairways treffen als die sieben von 14 gestern und erst recht als die drei von 14 am Freitag. Denn dieses Rough ist echt tückisch“, gab sich der 36-Jährige dann doch selbstkritisch. Und ließ gleich wieder einen typischen Dustin-Johnson-Satz folgen: „Um zu gewinnen, muss ich bloß gutes Golf spielen. So einfach ist das.“
„Im Golf geht es um Ehrlichkeit und Integrität“
Nachtrag: Wenn einer so viel Sportsgeist beweist, wie Rory McIlroy vorgestern an Loch 3, als er seinen beim Suchen in den Boden getretenen Ball entgegen der Empfehlung des Referees schlechter legte, dann darf der Betreffende auch mit Verzögerung noch mal zu Wort kommen. Hier also McIlroys Statement im O-Ton:
„Ich hätte mich einfach nicht wohl gefühlt. Die Regel besagt, dass man die ursprüngliche Lage des Balls so weit wie möglich wieder herstellen soll. Und da alle herumgelaufen sind und lange gesucht haben, kann die Balllage nicht sonderlich gut gewesen sein. Die neue Platzierung sah für mich daher nicht richtig aus, sie war einfach zu gut. Also habe ich den Ball wieder etwas tiefer [ins Gras] gedrückt.
Letztlich geht es im Golf um Ehrlichkeit und Integrität, und ich will nicht mit irgendwas irgendwie durchkommen. Da bin ich lieber am negativen Ende der Regeln als daraus einen Vorteil zu ziehen. Ich hätte mich richtig schlecht gefühlt, wenn ich von einer besseren als der ursprünglichen Balllage profitiert hätte.“
Jason Day: Hatte genug vom Selbstmitleid
Neuer Mensch: Der TPC Harding Park erlebt die Wiedergeburt des Jason Day. Der 32-jährige Australier präsentiert sich nach etlichen Leidensjahren frisch, gesund, guten Mutes – und in neuer Stärke. Er wirke, schrieb der „Golf Channel“, wie jener Jason Day, der 2015 mit der PGA Championship sein erstes und bisher einziges Major gewann. Dazwischen liegen so viele Verletzungen wie Siege auf der PGA Tour (12), am Daumen, am Knöchel und vor allem im Rücken. Unvergessen ist zudem sein Zusammenbruch bei der US Open 2015 in Chambers Bay aufgrund eines Innenohr-Infekts. Wirklich weg sind vor allem die Rückenbeschwerden nicht, das sieht man, wenn sich Day nach dem Ball bückt. „Als ich mit Ende des Lockdown erstmals wieder auf einem Golfplatz war, konnte ich vor Schmerzen kaum laufen und spielen“, bestätigte der Weltranglisten-42. Mit Runden von 65 und 69 Schlägen ist er in San Francisco so gut ins Major gestartet wie zuvor lediglich beim Triumph von Whistling Straits. Und das trotz der kühlen, feuchten Bedingungen an der Küste, die für seinen Rücken Gift sind und ihn sogar die Fäustlinge aus der Tasche ziehen ließen. „Aber ich fühle mich großartig, alles ist gut“, sagte er nach dem gestrigen Even-Par-Umlauf.
Der Umschwung kam vergangenes Jahr, als Day die Tour Championship verpasste. „Da hatte ich genug von meinem Selbstmitleid: Du kannst in diesem Spiel bestens allem möglichen die Schuld geben, nur nicht dir selbst. Doch irgendwann musst du die Hosen hochziehen und Gas geben.“ Also trennte er sich schließlich sogar von Colin Swatton, seinem Mentor und Trainer seit Jugendjahren, platzierte sich bei den vergangenen drei Turnieren auf der PGA Tour jeweils in den Top Ten: „Das hat mir sehr viel Selbstvertrauen gegeben und ich bin wieder sehr pingelig, was mein Spiel betrifft. Vorher war ich nur froh, es irgendwie ins Wochenende zu schaffen. Jetzt kann ich es kaum erwarten, jeden Tag rauszukommen und zu spielen.“
McIlroy genoss die Ruhe im Flight mit Woods
Einschränkung: Rory McIlroy vermisst die Fans. Ohne sie sei jedes Turnier irgendwie gleich, hat der Nordire im Vorfeld der PGA Championship gesagt. Er braucht Zuschauer – außer, man spielt in einem Flight mit Tiger Woods. „Was da immer um ihn herum auf dem Platz los ist, die Kulisse, die Unruhe, das Getümmel am Rand von Abschlägen, Fairways und Grüns, das ist er seit Highschool-Zeiten gewohnt. Seine Mitspieler kostet das allerdings pro Runde mindestens einen halben Schlag. So liegt Tiger allein dadurch pro Turnier schon zwei Schläge vor dem Feld“, hatte McIlroy schon 2018 nach zwei gemeinsamen Auftaktrunden bei der Genesis im Riviera Country Club über die ausufernde „Tigermania“ geklagt. Jetzt war er am Donnerstag und Freitag wieder mit Woods unterwegs (plus Justin Thomas) und genoss die himmlische Ruhe rund um den Superstar. „Es ist so viel einfacher“, sagte McIlroy. „Ich wäre glücklich, jede Woche mit ihm zusammen zu spielen. Aber nur, bis die Fans zurückkommen.“
DeChambeau: „Kann es hier nicht krachen lassen“
Abwägung: Das Folgende ist Wasser auf die Mühlen all derer, die glauben, Golfplatzdesign werde eh überbewertet und es läge im Sinn und Interesse des Spiels, einfach Fairways schmal zu mähen und das Rough fett wachsen zu lassen, um der Schlaglängen-Inflation zu begegnen. So wie bei der PGA Championship im TPC Harding Park, wo Bryson DeChambeau von seinen neuen Distanzen vom Tee nur bedingt profitiert und eingeräumt hat: „Ich kann es hier nicht wirklich krachen lassen. Jedenfalls nicht bis zum Anschlag. Dafür ist das Rough zu bestrafend.“ Die Nadelöhr-Fairways zu treffen, ist schwierig genug – keine Frage. Das Feld liegt bei mauen 51 Prozent. Und auf den Grüns beißt sich auch mancher die Zähne aus, siehe Tiger Woods. Wie sehr der aktuelle Major-Schauplatz hingegen in strategischer Hinsicht und auch bezüglich der Risk-&-Reward-Philosophie den denkenden Spieler fordert, sei dahingestellt…
Adam Scott ist dieser Tage so monochrom
Dresscode: Einer zieht dieser Tage im TPC Harding Park die Blicke auf sich, weil er eher unauffällig daher kommt und sich allein dadurch vom Rest des Felds abhebt. Gemeint ist Adam Scott, der neuerdings bei seinen Outfits neutrale Farben favorisiert und Ton-in-Ton-Kombinationen z. B. in Braun oder Blau zeigt. Manche finden die Dezenz sogar gut, im Netz freilich wundert man sich über den monochromen Look des Australiers:
Adam Scott is so handsome that he can wear this absolute catastrophe of an outfit and it doesn’t even matter. pic.twitter.com/qtRJy4adxd
— Jake Hudson (@JakeMHudson) August 7, 2020
I know he’s Adam Scott, but does the guy get dressed in the dark??
— Ryan Donovan (@Rdonovan11) August 7, 2020
Adam Scott out there looking like a UPS driver today.
— Tony (@a_fontana_) August 7, 2020
Tiger Woods und sein „Elder“-Stab
Eiszapfen: Tiger Woods und seine Putter sind jedes Mal ein Schlagzeilen-Thema. So, wie jetzt, als er seinen gewohnten Scotty Cameron Newport 2 GSS in die Ecke stellte, den manchen Medien gar mit dem berühmten „Elder“-Zauberstab aus Harry Potter gleichsetzen. Doch der Ersatzschläger versagte gestern den Dienst. Der zur Rückenschonung etwas längere Scotty Cameron „Timeless Prototype“ mit austauschbaren Kopfgewichten, aus dem für den Handel die 2020er „Studio Select“- Linie entwickelt wurde, blieb eiskalt. Woods brauchte auf den Grüns „in regulation“ glatte zwei Putts im Schnitt, nachdem er in Runde eins noch mit durchschnittlich 1,58 und in Runde 2 mit durchschnittlich 1,8 Putts vom Platz gegangen war. Mit einer Gesamtquote von 1,8 liegt er fürs Turnier am Ende des Felds.
Tom Smith und der Lohn einer Marker-Runde
An Tagen wie diesen: Der Moving Day dieser 102. PGA Championship war für Tom Smith ohne Frage einer der Höhepunkte seiner Laufbahn im Golf-Business. Aufgrund einer ungeraden Feldstärke nach dem Cut kam der General Manager des TPC Harding Park als Marker zum Einsatz, begleitete Mackenzie Hughes auf dessen eigentlich einsamer Runde und führte die Scorekarte des 29-jährigen Kanadiers. Das Spiel auf „seinem“ Platz im Major-Trimm war eine Art unverhoffter zusätzlicher Lohn für Smith, der den Harding Park seit sechs Jahren auf das erste Major in der Geschichte des Kurses Geschichte vorbereitet und auch die Irrungen, Wirrungen und Herausforderungen durch die Corona-Pandemie geschultert hatte. Diese 18 Loch hat er sich damit wahrlich verdient …
Ameisen selbst auf der LPGA Tour ein Thema
Zum Schluss: Anderer Schauplatz, selbes Thema. Bryson DeChambeaus Feuerameisen sind selbst auf der LPGA Tour präsent. Bei der parallel zur PGA Championship stattfindenden Marathon Classic wies Star-Proette Lexi Thompson ihren Caddie und Bruder Benji vor einem Annäherungsschlag auf ein paar Krabbeltiere rund um ihren Ball hin. Und der hatte nichts anderes im Sinn, als laut auszurufen: Los, Bryson, zeig‘s mir!“
"C'mon Bryson, hit me a good one." ??
Ants near the golf ball don't stop @Lexi from hitting the middle of the green ?@GolfChannel | @MarathonLPGA pic.twitter.com/ZknbqcFxpq
— LPGA (@LPGA) August 8, 2020