Fast sechs Monate musste Anka Lindner aufgrund eines Kreuzbandrisses pausieren. Mit einem klaren Ziel vor Augen hat sie die Rückkehr rechtzeitig zum Ladies European Masters, einem der am besten dotierten Turniere im Kalender der Ladies European Tour, geschafft. Dabei ist es gerade mal drei Wochen her, dass die 28-Jährige wieder einen Driver zur Hand genommen hat. Trotz der erst kürzlich zurückgewonnenen Einsatzfähigkeit, hat Anka Lindner klare Ziele. Denn auf und von der Ladies European Tour, so die Hannoveranerin, ließe es sich derzeit nur schwerlich leben. Ein Gespräch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Golf Post: Anka, nach einem knappen halben Jahr Verletzungspause bist Du jetzt soweit, dass du endlich wieder ein Turnier spielen kannst. Wie geht es dir?
Anka Lindner: Mir geht es sehr gut. Als bekannt wurde, dass das Ladies European Masters im September in Düsseldorf stattfindet, habe ich an meinen Fingern abgezählt, wie viel Zeit ich habe und dachte, fünfeinhalb Monate ist realistisch. Natürlich wollte ich sofort mitspielen. Dass es letztendlich geklappt hat, ist natürlich sehr schön. Ich freu mich, wieder dabei zu sein und dementsprechend fühle ich mich auch sehr gut. Das Knie hält sehr gut, wobei ich nie Schmerzen hatte, es wurde nach dem Training immer mal fester, wobei ich noch gar nicht richtig im Trainingsrhythmus bin. Ich musste immer wieder Pausen machen und habe nie mehr als einen Korb Bälle geschlagen im Training. Aber es fühlt sich gut an und ich freue mich unheimlich dabei zu sein.
Golf Post: Mit welchen Erwartungen geht man denn dann jetzt an das Turnier ran?
Anka Lindner: Eigentlich mit gar keinen (lacht). Ich habe kürzlich Max Kieffer getroffen, der sagte: „Nach fünf Monaten würde ich ja gar kein Golf mehr spielen können.“ Klar, es ist nicht wie Fahrradfahren, man verlernt es aber auch nicht. Aber das Gefühl für die Schläge – shapen, pitchen, die Distanzen sind so eine Sache. Vor drei Wochen habe ich mal den ersten Drive ausprobiert. Vor zwei Wochen habe ich meine ersten 18 Löcher zu Fuß gespielt, aber da fehlen einfach noch ganz, ganz viele Ballkontakte um wieder sagen zu können: „Jetzt kann ich angreifen.“ Ich bin aber sicherlich soweit, dass ich ganz gut spielen kann.
Golf Post: Wo macht sich der Trainingsrückstand denn am deutlichsten bemerkbar?
Anka Lindner: In der Länge eigentlich gar nicht, das ist ganz witzig. Ich habe mit einer Kollegin die Proberunde gespielt, die sagte: „Anka, warum bist du denn auf einmal so lang?“ Ich war ein Eisen länger als sie und vom Drive auch mal gut 10 bis 15 Meter, obwohl ich letztes Jahr noch ähnlich lang war wie sie. Durch mein vieles Stabilitätstraining weiß ich besser, wie ich zu stehen habe. Vielleicht ist auch einfach die Kombination aus Aufbautraining, Krafttraining und vielleicht auch einfach befreit schwingen, befreit aufspielen können. Es ist eher so, dass mir lange Eisen noch schwerfallen, die Stabilität dort zu halten, das war vorher aber auch nicht unbedingt meine Stärke. Und ich merke es natürlich beim Pitchen – Längenkontrolle allgemein. Das Gefühl für die Distanzen fehlt. Alles was volle Schläge sind, ist okay, aber diese Zwischenlägen, die sind einfach Training.
Golf Post: Gibt es denn irgendetwas, das besser geworden ist während des Kreuzbandrisses?
Anka Lindner: Beim Putten habe ich gedacht, dass man das stundenlang üben kann. Das ging aber leider auch nicht. Da hat man einen Kniewinkel drin und dadurch natürlich trotzdem Druck auf dem Bein bzw. Knie. Man muss sich auf jeden Fall zwischendurch bewegen. Wenn ich auf dem Puttinggrün war, war es nach einer Stunde gut.
Golf Post: Die Verletzungspause ist sicher auch mental eine Herausforderung. Wie hast du das im Kopf erlebt ohne Golf, ohne Wettkampf?
Anka Lindner: Es war natürlich am Anfang krass, so voll aus dem Training rausgerissen zu werden. Ich als Sportler durch und durch, der seine Freizeit ja auch noch mit Sport gefüllt hat, ob Fusball oder Fitnessstudio, war ich immer auf den Beinen, da war das eine harte Zeit. Da reißt es einen nicht nur aus dem Training, sondern aus dem Leben. Ich bin meinen Freunden aus St. Leon-Rot sehr dankbar. Karo Lampert zum Beispiel hat mich sehr viel abgeholt, am Anfang kann man ja noch kein Auto fahren. Ich habe versucht, trotzdem einfach dabei zu sein, auch wenn ich nicht mitmachen konnte.
Golf Post: Beim Heimspiel hier im Golf Club Hubbelrath kannst Du nun endlich wieder mitspielen. Inwiefern ist das Ladies European Masters besonders für die deutschen Spielerinnen, auch wenn deine Situation natürlich noch spezieller ist?
Anka Lindner: Die Aufmerksamkeit der Zuschauer liegt auf den deutschen Spielerinnen. Die kennen uns natürlich und werden sich dann aussuchen, wo sie mitlaufen. In Deutschland ist das Interesse generell größer als in anderen Ländern. Holland und England sind auch super, aber wenn man sich dann an Gut Häusern (ehemaliger Austragungsort der Ladies German Open, Anm. d. Red.) erinnert, das war natürlich der Wahnsinn. Hier in Düsseldorf, allgemein in Nordrhein-Westfalen, gibt es viele Golfer, da erwarte ich schon viele Zuschauer. Das Interesse wird sicherlich bei Caro (Masson) und Sandra (Gal) noch größer sein. Auch ich bekomme einige Nachrichten, man hat ja doch einige Fans. Die Anspannung ist vielleicht etwas größer, aber es motiviert auch.
Golf Post: Hältst du den Golf Club Hubbelrath für eine gute Wahl als Austragungsort?
Anka Lindner: Ja, auf jeden Fall! Der Platz, das sagen alle, ist hügelig. Die Greens sind klein und schwer. Die sind über die Woche noch schneller gemacht worden, das ist dann schon sehr anspruchsvoll. Ich bin gespannt und glaube, um even Par herum ist man hier schon mit dabei.
Golf Post: Sich sportlich für die Tourkarte zu qualifizieren wird schwierig, auch wenn wir Dir das natürlich wünschen. Aber du kannst deinen Status über eine Medical Exemption für das nächste Jahr behalten.
Anka Lindner: Genau, das haben wir relativ früh gesagt, dass das durchaus Sinn macht das zu beantragen. Es gibt in dieser Saison noch neun Turniere. Ich darf mir fünf davon aussuchen und bekomme dann meine Medical Exemption und bin im nächsten Jahr auf jeden Fall in meiner Kategorie wieder dabei. Sollte ich unerwartet gut spielen und meine Position vom letzten Jahr verbessern können, habe ich noch das Turnier in Dubai als sechstes und mit sechs Turnieren ist man in der Saisonwertung vertreten.
Golf Post: Als wir im Vorfeld des Turniers mit Iwan Khodabakhsh (Geschäftsführer der Ladies European Tour) gesprochen haben, gab er sich überzeugt davon, die Tour mit mehr und höher dotierten Turnieren auf einen guten Weg gebracht zu haben. Wie sieht das eine Spielerin?
Anka Lindner: Ja, er hat Recht, dass er uns mehr und auch höher dotierte Turniere gebracht hat. Andererseits haben wir aber auch Turniere in Europa verloren. Jetzt muss man halt schauen, ob man mehr Turniere mit mehr Preisgeld oder regelmäßig spielen will? Ich glaube, wir sind eigentlich alle für mehr spielen, weil einfach der Rhythmus so wichtig ist. Wenn man nur einmal im Monat aufteet und dann immer wieder dieses Turniergefühl sucht, ist es komisch. Es ist ganz wichtig, wenn man eine enttäuschende Woche hatte, dass man am nächsten Tag zum nächsten Turnier fliegt und sagen kann: „Ich habe die nächste Chance.“ Ich würde für mehr Turniere in Europa plädieren, auch wenn die nur mit 200.000 Euro dotiert sind. Dementsprechend sind die Reisen natürlich auch nicht so kostspielig. Für interkontinentale Turniere liegen die Reisekosten schon bei über 1500 Euro und 1500 Euro netto sind ungefähr Platz 25. Dann deckt man aber auch nur die Kosten.
Golf Post: Sportlich gesehen muss die LPGA Tour für jede Golferin das Ziel sein. Ist da aber auch ein gewisser Zwang, weil man weiß, dass es auf der Ladies European Tour finanziell nicht ewig weitergeht.
Anka Lindner: Bei mir ist es so, dass ich mich wohl fühlen muss. Von daher muss ich den Sprung auf die Tour mit den Besten der Welt für mich nicht unbedingt machen. Ich fühle mich hier in Europa auf der LET sehr wohl. Aber wie du schon gesagt hast, ist es jetzt gezwungener Maßen so. Ich will Golf spielen und auch davon leben und dafür muss man dahin, wo man auch davon leben kann. Im Moment bleibt da eben nur Amerika. Ich wünsche mir, und ich hoffe, dass die LET sich so weit entwickelt, dass man irgendwann vielleicht sagt, man muss in Europa spielen. Das wäre überragend. Aber zurzeit sehe ich das einfach nicht, auch für die nächsten Jahre nicht. Deswegen überlege ich, 2017 die LPGA-Q-School zu spielen. Ich würde das gerne mit Kolleginnen zusammen machen, die dann als Gruppe reist und zusammen wohnt.
Golf Post: Anka, vielen Dank für das nette Gespräch.
Das Interview führte Tobias Hennig