Eine Medaille für Hamburg gab‘s in dieser Saison schon: Sebastian Sliwka holte sich vor drei Wochen bei der Deutschen Lochspiel-Meisterschaft im kleinen Finale gegen den da schon entthronten Titelverteidiger Marc Hammer (GC Mannheim-Viernheim) den dritten Platz. Teamkollege Tiger Christensen landete ebenfalls in den Top Ten. Und Trainer Matthias Boje war guten Mutes für den Start seiner Mannen in die Deutsche Golf-Liga 2021 am Wochenende drauf, zumal der mit einem Heimspiel einher gehen sollte: „Wir sind gefühlt ready.“
Doch das Hurra in der Heide fiel wegen Corona aus, der gesamte DGL-Nord-Spieltag auf dem ikonischen, 1930 vom großen Architekten Harry S. Colt und seinem Sozius John Morrison angelegten Platz des Hamburger Golf-Club im Falkenstein, einem Waldgebiet der Elbvororte Blankenese und Rissen, musste abgesagt werden. „Schade“, sagt Coach Boje, „wir hätten gern zuhause gespielt.“
Meisterschaft nach Wiederaufstieg und Corona-Saisonausfall
Ein gewisser Heimvorteil ist sicher nicht zu leugnen; und etwas Besonderes wäre es außerdem gewesen. Denn Hamburgs „1. Herren“ ist heuer Titelverteidiger. Als Wiederaufsteiger überdies: Nach dem Pandemie-bedingten Ausfall des regulären 2020er-Ligenbetriebs gewann man in der Besetzung Sliwka, Christensen, Max Brückner, Constantin Mons, Michael Thannhäuser und Philipp Westermann ziemlich überraschend das Ersatz-Final-Four „DGV-Mannschaftspokal“ im GC Hardenberg und holte erstmals seit 2003 wieder und zum insgesamt 20. Mal eine Männer-Mannschaftsmeisterschaft an die Elbe, da möchte man schon gern vor heimischer Kulisse in die neue Saison gehen.
So aber greifen die Falkensteiner erst zum zweiten Spieltag ins DGL-Geschehen ein. Das Herrenteam ist am Wochenende beim Frankfurter GC zu Gast und hat es dort außerdem mit dem GC Hösel, dem GC Hubbelrath und dem G&LC Berlin-Wannsee zu tun, während die von Leistungssport-Koordinator Christian Lanfermann betreuten Damen – immerhin amtierende Vizemeisterinnen – zum Berliner GC Gatow fahren.
Bis auf NCAA-Teilnehmer Albers alle an Bord
Wenigstens kann Boje beim Auswärtsauftakt personell für den elfköpfigen Turnier-Kader nahezu aus dem Vollen schöpfen, von dem jeweils acht Spieler in den Einzeln und in den Vierern zum Einsatz kommen. Bis auf Anton Albers, der für seine Uni in den USA die NCAA-Meisterschaft spielt, hat er alle Leistungsträger an Bord und die vergangenen zwei Wochen genutzt, um durch Trainingsformen die Wettkampfspannung aufrecht zu erhalten: „Endlich treffen jetzt alle Mannschaften aufeinander, das ist für jeden eine Standortbestimmung.“
Saisonvorbereitung unter ungewöhnlichen Zeichen
In normalen Jahren wären bis zum Bundesligastart schon diverse, auch internationale Turniere gespielt worden. Doch mit Corona ist nichts normal, und daher war die Deutsche Lochspiel-Meisterschaft das erste Event unter Wettkampfbedingungen seit dem Team-Triumph vom vergangenen Oktober in Niedersachsen.
Schon die Saisonvorbereitung stand – wie bei allen Bundesliga-Mannschaften – unter entsprechend ungewöhnlichen Zeichen: Mannschaftstraining und Team Building sind nur bedingt möglich, „Rudelbildung“ (Boje) eh zu vermeiden, die Arbeit am langen Spiel und das Athletiktraining brauchen „viel Eigeninitiative“, so der Coach.
„Trainingslager“ auf den Green Eagle Golf Courses
Durch die Witterung während des Winters kam das kurze Spiel im Freien tatsächlich zu kurz und verbot sich „indoor“ aus bekannten Gründen sowieso. Spielpraxis gab‘s allenfalls in Zweierteams, „um überhaupt wieder mit dem Platz warm zu werden“ (Boje), und zum Trainingslager“ ging‘s bloß gute 50 Kilometer in den Süden, auf die Green Eagle Golf Courses, deren Porsche Nord Course nächste Woche zum vierten Mal Schauplatz der Porsche European Open ist, allerdings eigentlich das ganze Jahr über Turnierqualität hat.
Angesichts solcher Widrigkeiten waren die Trainer besonders gefordert, ihre „Schäfchen“ zu begleiten und zu betreuen. Die Top-Spieler sind durch College- oder Akademie-Engagements ohnehin in der halben Welt verstreut sind, sprich in den USA, in Spanien und in der Schweiz.
Zoom-Calls und aus der Ferne helfen
Zoom-Calls aus dem Home Office sind dann gleichermaßen im Golfsport ein probates Mittel. „Viel Coaching, viel Kümmern, Schwungvideos sichten, Rundenanalysen und Statistiken auswerten, Fragen stellen“, zählt Matthias Boje auf. Kurz, Kontakt halten, aus der Ferne helfen, auch mal nicht übers Golferische reden: „Die Spieler sind so mündig, dass sie Kommunikationsbedarf von sich aus anmelden.“
Insgesamt sechs Trainer leistet sich der Hamburger Golf-Club für den Leistungsbereich Damen und Herren, Mädchen und Jungen. „Golf ist zwar originär ein Einzelsport, doch gerade bei uns wird der Mannschaftsgeist sehr hoch gehalten und hat einen enormen Stellenwert“, verdeutlicht Boje: „Team-Golf ist in Falkenstein Herzenssache; wer Falkensteiner ist, brennt und zerreißt sich dafür.“
Rekordmannschaftsmeister und Silbernes Lorbeerblatt
Die Bedeutung begründet sich in der Tradition des ebenso ehrwürdigen wie sportiven Clubs. Falkenstein ist Rekordmannschaftsmeister mit 20 Titeln, gewann fünf Mal den Europapokal der Landesmeister, stellte Deutsche und Internationale Meister sowie Auswahlspieler und und und … Als Personifizierung dieser Ausnahmestellung mag Marion Thannhäuser angeführt werden, die Grande Dame des deutschen Golfsports.
Daraus wiederum nähren sich Faszination und Ansporn für den Nachwuchs, irgendwann mal in einer der ersten Mannschaften aufzuteen. „Ich habe drei Spieler, die vergangenes Jahr Meister geworden sind, mit denen trainiere ich seit zehn, elf Jahren oder noch länger“, verdeutlicht Boje, der die „1. Herren“ 2018 übernommen hat und bei seiner Arbeit von Co-Trainer Marco Müntnich und Kapitän Christian Niemitz unterstützt wird.
„Leistungssport ist gewünscht, gewollt und gefördert“
„Seit Anbeginn des Golfsports in Deutschland trägt man hier den Leistungssport. Es gewünscht, gewollt und gefördert, weil die Mitgliedschaft daran interessiert ist, dass Falkenstein bundesweit und international bekannt bleibt und seinen Stellenwert halten kann“, erzählt er über den 1906 gegründeten Club. „Alles, was wir hier machen, dient dem sportlichen Ziel.“
Deshalb ist der Hamburger GC seit 1988 auch Träger des Silberne Lorbeerblatts, Deutschlands höchster Sport-Auszeichnung, als bislang einziger Golfverein. Der Club lebt diese Leistungssportkultur, vergibt beispielsweise Stipendien in Zusammenarbeit mit der Hochschule Fresenius oder stellt Gastfamilien für Schüler und Studierende von auswärts; ein Viertel des Vereinsetats fließt in die Jugendförderung und in den Sport.
Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist die Herausforderung, „sich mit vielen guten Spielern zu messen, sich daran zu reiben, sich durchzusetzen“, so Boje: „Wenn mein Ziel der Profi-Golfsport ist, dann muss ich es erstmal schaffen, innerhalb einer solchen Top-Mannschaft zu den Besten zu gehören.“
Am Wochenende kann Bojes „Bande“ ihren Biss endlich wieder beweisen. Druck auf den Titelverteidiger sieht der Trainer nicht. „Wir haben 18 Jahre auf den Erfolg gewartet, freuen uns, dass wir es in Hardenberg gut gemacht haben und wollen das jetzt auch im Liga-Format umsetzen.“ Statt daheim nun auf einem fremden Platz starten zu müssen, sei „zumindest nicht von Vorteil“, aber: „Wir sind bereit!“