Jack Nicklaus hat eine; Davis Love III, Peter Jacobsen oder Charles Barkley haben ebenfalls eine. Mediziner sprechen von der Endoprothese des Articulatio coxae; gemeint ist die künstliche Hüfte, jenes Implantat, das als Gelenkersatz den Oberschenkelknochen und die Beckenpfanne, Femur und Acetabulum, verbindet.
Alle können Golf spielen
Doch um gleich vorweg diesen Artikel mit einem „Beipackzettel“ zu versehen: Die folgenden Zeilen erheben weder den Anspruch einer vollständigen Anamnese der Causa Hüfte, noch sind sie als Ersatz für ärztliche Konsultation und Diagnose gedacht. Es geht zuvorderst um etwas Aufklärung und um Ermutigung (aus eigener Erfahrung), den Schmerz in der Hüfte nicht als gegeben und eine Hüftproblematik nicht als Ende allen Golf-Daseins hinzunehmen.
Jährlich lassen sich hierzulande rund 250.000 Menschen ein künstliches Hüftgelenk einsetzen, zumeist wegen einer Arthrose, dem vielfach altersbedingten Gelenkverschleiß. Sie spielen nicht alle Golf, aber alle mit einem künstlichen Hüftgelenk können Golf spielen. Das ist die Botschaft.
Nach der Chirurgie ist vor dem Fairway
Auch Charles Barkley hat seinen einstmals grottenschlechten Schwung nicht wegen, sondern trotz des 2015 implantierten Ersatzteils. Und Jack Nicklaus trat 1999 schon vier Monate nach seiner Operation wieder zu einem Turnier der PGA Tour Champions in Pennsylvania an. Was verdeutlicht, worauf es beim Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks im Besonderen ankommt: Nach der Chirurgie ist vor dem Fairway.
Will heißen: Wenngleich für den Organismus eine große Sache, ist der Eingriff selbst ein klinischer Routinejob und geht mittlerweile wie‘s Breznbacken. Über Wohl und Wehe des endgültigen Ausgangs der Angelegenheit freilich entscheidet vor allem der Patient selbst, genauer gesagt seine Bereitschaft und Disziplin zur engagierten Arbeit an sich selbst, an seiner Beweglichkeit.
Mobilisierung, Ganganalyse, Reha und Training
Drei Monate braucht‘s mindestens, sagt man, bis mit einem künstlichen Hüftgelenk wieder Golf gespielt werden kann. Besser sind es sechs, die zu Mobilisierung, zur Ganganalyse – allein, weil sich aufgrund der vorherigen Schmerzbelastung garantiert eine Schonhaltung konditioniert hat –, zur Ergotherapie und zum gezielten Training genutzt werden sollten. Immerhin ist der Dreh- und Angelpunkt in der Hüfte das meistbelastete Gelenk und muss – ob gehen, drehen, beugen – das bis zu Sechsfache des Körpergewichts aushalten. Mehr als eine halbe Tonne manchmal.
Kurz zurück auf Anfang. Zum Schmerz. Arthrose hat vielfältige Ursachen, die erwähnte Altersbedingtheit ist lediglich die häufigste. Extreme Belastung wären noch zu nennen – womit sich vergangenen Sommer wohl gleichermaßen Brooks Koepka herumplagte. Oder Asymmetrien im Zusammenspiel zwischen Kopf und Pfanne, die zu einer Veränderung der knöchernen Strukturen führen, Stichwort Impingement. Doch bevor sich der geplagte Golfer für den Gang „unters Messer“ entscheidet, gibt es etliche konservative sowie therapeutische Linderungs- und Behandlungsmethoden.
Von Kugel und Pfanne
Ist die OP trotzdem unvermeidlich, so wird dabei ein Teil oder das gesamte Hüftgelenk durch ein prothetisches Implantat ersetzt. Knöchern besteht das Gelenk aus dem Hüftgelenkskopf als oberem Abschluss des Oberschenkelknochens und der Hüftpfanne im Becken. Dazwischen sorgen Knorpelmasse und Gelenkflüssigkeit für reibungsarme Bewegung und optimale Kraftverteilung. Soweit der gesunde Zustand.
Bei einer Arthrose hingegen ist der Gelenkknorpel ge- oder beschädigt, die Knochen reiben „ungeschmiert“ aufeinander. Die Hüft-Endoprothese („endo“, griechisch: innen) wiederum besteht aus einer Gelenkkugel, die den Oberschenkelkopf ersetzt und mit einem Schaft verbunden ist, der in die vom Kopf befreite Knochenröhre eingesetzt wird und idealerweise dort mit der natürlichen Struktur verwächst. Je nach Arthrose-Grad wird zudem die Gelenkpfanne ersetzt, dann handelt es sich um eine Total-Endoprothese (TEP).
Als Schaftmaterial kommen Titan- und Chrom-Cobalt-Molybdän-Legierungen (CoCrMo) zum Einsatz, die Gelenkkugel ist aus CoCrMo oder Keramik, die Pfanne bei einer TEP mit einem Einsatz aus Keramik oder Polyethylen ausgekleidet. Passende Kombinationen (Gleitpaarung) für Komponenten mit direktem Kontakt (Artikulationsbereich) sind CoCrMo-Kopf und Polyethylen-Pfanne, Keramik/Keramik oder Keramik/Polyethylen. Alles dient dem Ziel, die Reibung in der Pfanne und damit die Abnutzung so gering wie möglich ausfallen zu lassen, damit das Gelenk längstmöglich hält, derzeit rund 20 Jahre.
Umsetzung in neue Lebensqualität
Jetzt kommt der schwierige Part, die Mobilisierung nach der OP, die Umsetzung des operativen Aufwands in die Praxis. In neue Lebensqualität. Hier entscheidet sich, wie schnell der Rekonvaleszent wieder an den Schläger kommt. Und wie gut. Bewegung, Bewegung, Bewegung lautet das Credo. Reha ist ohnehin unabdingbar – allein, um erstmal das Gewebe (Muskeln, Sehnen, Faszien) wieder zu stärken, das den Gelenkbereich umgibt und die Kugel in der Pfanne hält. Ein spezialisierter Golf-Physiotherapeut ist ebenso zu empfehlen wie das eingehende Gespräch mit dem Pro.
Die Belastung des vorderen Beins
Erst recht, wenn es sich beim fraglichen Hüftbereich um die Seite handelt, auf der sich beim Durchschwung nun mal enorme Kräfte bündeln, die Linke also bei Rechtshändern. Das Rotationsmoment über die Längsachse des vorderen Beins ist dem jüngst im Knochen verwachsenen Prothesenschaft naturgemäß ein Graus. Eine um 45 Grad nach außen veränderte Stellung des linken Fußes oder Korrekturen im Finish können die Drehbelastung erheblich mindern.
Das gilt übrigens schon grundsätzlich für arthrotische Hüftbeschwerden wie Anlaufschmerzen (zu Beginn der Bewegung nach längerem Sitzen oder Liegen), Leistenschmerz oder Hinken nach längeren Gehstrecken. Wie gesagt: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie den Pro Ihres Vertrauens, bei jedwedem Belastungsschmerz vor allem Ihren Arzt.
Golf zählt sogar zu den empfohlenen sogenannten „Low-Impact“-Sportarten für die generelle Rehabilitation bei Hüft-Endoprothetik. Ja, Knochenarbeit kann Spaß machen.
„Glücklicher und fitter, einfach besser drauf“
In Großbritannien hat Dr. Peter Hughes durch eine Umfrage und anhand von 3.400 Antworten herausgefunden, dass „aktive Golfer mental und körperlich von einem Gelenkersatz profitieren. „Sie sind glücklicher und fitter, einfach besser drauf, weil sie wieder unbelastet und schmerzfrei spielen können“, notierte Hughes, der orthopädischer Chirurg, Golfer in Royal Birkdale und Mitglied des Ärzteteams der Open Championship ist.
Oder wie der US-Golfjournalist Jaime Diaz damals über Jack Nicklaus schrieb: „Die Keramikkugel samt der Buchse in seiner linken Hüfte haben diesem 59-jährigen Körper eine unglaubliche Verjüngungskur beschert.“