Ein umgekipptes Golfcart, Reifenspuren am Grün, ein paar Meter weiter ein Toter: Jochen Bauer hat mit „Der Tote am Grün“ nach drei Romanen seinen ersten Krimi veröffentlicht. Der pensionierte Rektor spielt leidenschaftlich Golf und wohnt in direkter Nachbarschaft zu seinem Golfclub in Escheberg, der ihn zu seinem Krimi inspirierte.
"Beim Krimi steckt der Teufel um Detail", weiß Bauer und hat deshalb die Details seines Plots vorher mit Insidern aus Kripo, Gerichtssaal und Glückspielmilieu ins Reine gebracht. Einen Auszug aus seinem ersten Kapitel hat Bauer Golf Post freundlicherweise zur Verfügung gestellt. "Der Tote am Grün" ist bei Books on Demand erschienen und im Internethandel erhältlich.
Golf-Krimi "Der Tote am Grün" von Jochen Bauer
"Es war eigentlich wie immer. Und doch ganz anders.
Der silberne, getunte Astra fuhr auf der schmalen kurvenreichen Kreisstraße, die Zierenberg mit Breuna verbindet. Nach einem Waldstück bog er zum Gut Escheberg ab, vorbei an einer idyllischen Komposition aus Herrenhaus, Orangerie, Parkanlage und Fachwerkhäusern, um schließlich mit quietschenden Bremsen vor dem Fuhrpark des Golfclubs zum Stehen zu kommen.
Ein junger Mann stieg aus. Er schaute auf seine Armbanduhr, kratzte sich am Kopf, rannte in einen der Maschinenschuppen, suchte seine Ohrenschützer, schwang sich auf den Grünmäher und gab Gas.
Maik Kähling war einer der Greenkeeper, Ende zwanzig, gut aussehend. Der geborene Thüringer hatte in der golflosen Zeit im späten Winter seine Prüfung als Fachagrarwirt gemacht. Eigentlich war er gelernter KFZ-Monteur, Schwerpunkt LKW.
Es war ziemlich feucht an diesem Montagvormittag: "Wer hat nur diese Montage erfunden?", dachte er, denn montags war besonders viel zu tun. "An den Wochenenden wächst das Gras verdammt schnell."
Nachts waren lang ersehnte Regenschauer gefallen, sodass sich die wasserschwere Luft in Dunstschwaden über den Golfplatz gelegt hatte. Keine idealen Voraussetzungen, um die Grüns zu mähen, aber eine Arbeit, die jeden Morgen als erstes erledigt werden musste: Achtzehn kreisrunde mit millimeterhohem Spezialgras eingesäte Grünflächen mit einem Spezialmäher so kurz zu halten, dass der Golfball möglichst ungehindert in das Sektflaschen dicke Loch rollen konnte.
Maik Kähling war spät dran.
Seine Freundin Jasmin, mit der er zusammen in einer Zweizimmerwohnung in Zierenberg lebte, hatte ihn nicht wecken können, da sie seit ein paar Nächten auf dem nahen Autobahnrasthof Bühleck als Thekenbedienung arbeitete, bis sie ihre neue Anstellung als Krankenschwesterhelferin antreten würde.
Außerdem schlief er seit einiger Zeit schlecht.
Keine Frage, Jasmin war eine äußerst attraktive Erscheinung. Die Männer schauten ihr hinterher, was sie sichtlich genoss, besonders dann, wenn graumelierte Golfsenioren sie aus flotten Sportwagen anhupten. „Man könnte meinen, du bist eifersüchtig, Maik. Du hast doch überhaupt keinen Grund“, pflegte sie ihn zu beruhigen, was ihr aber nur unzureichend gelang.
*
Maik kannte seinen Arbeitsplan: An geraden Tagen mähte er die unteren Grüns von Loch 1 bis 9, an ungeraden die oberen von Loch 10 bis 18.
Heute war der 29., er musste also nach oben. Er knöpfte seine Jacke zu, denn auf dem Mäher war es ziemlich frisch, schaute sich noch mal ängstlich um, ob der Boss schon da war und seine Verspätung bemerkt haben könnte. Gott sei dank, der Parkplatz war noch leer. Niemand da. Kein Golflehrer. Keiner von der Gastronomie. Keiner dieser verrückten Frühspieler.
Wie zur Belohnung steckte sich Maik eine Zigarette an und ratterte mit seinem Grünmäher auf dem Asphaltweg zwischen Clubhaus und Remise, wo die E-Carts unter einem Vordach bereit standen, auf Grün 10 zu.
Er stoppte, legte den Rückwärtsgang ein.
Seltsam. Das knallgelbe E-Cart von Herrn Rodemacher mit der prägnanten ALLSEKURA-Reklame war nicht da, stand nicht auf seinem Stammplatz. Es war das einzige Cart, das in Privatbesitz war, alle anderen konnte man mieten, 20 € pro Runde, Batterie betrieben. Nur das von Rodemacher nicht.
„Alles Öko-Quatsch“, pflegte er zu tönen. Er hatte eines mit stinkendem Benzinmotor. Da brauche er keine Steckdose und müsse die bleischweren Batterien nicht spazieren fahren: „Ich habe eben ein B-Cart, kein E-Cart.“
*
Maik überlegte. Möglicherweise war Rodemacher irgendwo auf dem Platz wegen einer Panne liegen geblieben und hatte zu Fuß seine Sommerwohnung auf dem Gut aufsuchen müssen. Er nutzte diese Wohnung nur selten, meist dann, wenn er nach einem erfolgreichen Turnier den Schampus fließen ließ.
Jedenfalls wäre eine Motorpanne für Maik nicht ohne Folgen geblieben. Denn es gehörte zu seinen Aufgaben, das Cart des Golfplatzbetreibers zu warten. Dafür durfte Maik, wenn sein Boss im Urlaub war, schon mal mit dessen Ferrari eine Spritztour machen, was Jasmin ganz besonders genoss. Abgesehen von den kleinen Scheinchen, die er den beiden für gewisse Gefälligkeiten zusteckte.
Als erfahrener Greenkeeper wusste Maik, was er zu tun hatte: So kurz wie möglich, höchstens drei Millimeter sollten die Hälmchen lang sein. Mehr nicht. Dabei musste er aufpassen, dass die Rollen und Walzen den feinen Rasenteppich nicht verletzten. Sonst gab es Ärger mit den Golfern, die den Zustand der Grüns zu gern verantwortlich machten für missglückte Puttversuche, die ihnen ihre Scores vermasselten und ihr Handicap hoch trieben.
Ärgerlich, dass das Gras vom Nachtnebel feucht geworden war und zur Klumpenbildung neigte. Maik musste immer wieder herabsteigen und die Reste auflesen, auch den Grasabfall weg kehren, der in die umliegenden Sandbunker geschleudert war.
Bevor er das zwölfte Grün bearbeitete, zog er die Fahne aus dem Loch, legte sie zur Seite, das Zeichen für Golfer, das Grün nicht anzuspielen. Doch diese Gefahr war an diesem Morgen gering, denn weit und breit war niemand zu sehen. Nur das Motorengeräusch seines Mähtraktors störte die Stille.
Nachdem er mit dem Grün von Loch 12 fertig war, stieg er ab, begutachtete sein Werk, nahm da und dort ein Grasbüschel auf, roch daran, als wollte er davon das weitere Vorgehen ableiten.
*
Maik bestieg wieder seinen Mäher, tuckerte zum nahen Abschlag der Bahn 13 und wunderte sich über Cart-Reifenspuren auf dem Abschlagsgrün. Ungewöhnlich, außerdem ein Verstoß gegen die Golfetikette. Das Schnapsfläschchen im Papierkorb war nicht ganz so ungewöhnlich, denn es gab durchaus Golfer, die beim Putten zur Beruhigung der Nerven einen Schluck zu sich nahmen.
Die Bahn 13 der Golfanlage galt als die schönste in Escheberg. Der Abschlag befand sich am höchsten Punkt des Platzes, nicht weit weg von einem asphaltierten Wirtschaftsweg, der über den Autobahnrasthof nach Oberelsungen führte. Am Rande der Felder dampfte ein Misthaufen, dessen Geruch sich mit dem Dieselausstoß des Grünmähers vermischte.
Maik fuhr vorsichtig, denn es ging ziemlich steil bergab an dieser Stelle. Er steuerte auf den Sandbunker zu, ärgerte sich, dass er nicht glatt gezogen war. Ein Golfer wird es wohl vergessen haben, vielleicht ein aufgeregter Anfänger oder einer dieser Neureichen, dem die Etikette ziemlich gleichgültig ist.
Jetzt machte das Fairway eine rechtwinklige Biegung, ein so genanntes Dogleg. Das Grün der 13 lag reizvoll auf halber Höhe, von zwei Bunkern eingerahmt, wobei der eine als Topfbunker gefürchtet war. Zur anderen Seite endete das Grün an einer steilen Böschung, sodass zu lange Bälle bis zum Abschlag der Bahn 14 rollen konnten.
Zu seinem Erstaunen entdeckte Maik ebenfalls Reifenspuren zwischen Bunker und Grün. Golfer meiden normalerweise diesen Bereich mit Trolleys und Carts, um die empfindliche Grasnarbe nicht zu verletzen. „Es gibt immer wieder Unverbesserliche“, dachte er, „denen sind Golfregeln schnuppe.“ Doch was ihn stutzen ließ: Die Reifenspur verlief nicht gerade, sondern führte nur ganz knapp am Sandhindernis vorbei, in dem ein fast neuer Ball lag. Er hob ihn auf. "Seltene Marke. Taylor Made Penta. Teuer. Rodemachers Marke."
„Wird ihm wohl aus der Hose gerollt sein,“ murmelte er und mähte so, dass schöne gleichmäßige Streifen auf dem Grün entstanden, bis sich ihm am äußeren Rand des Grüns der Blick auf den unteren Teil der Böschung eröffnete:
Ein umgestürztes Cart, in den Sandbunker gedrückt, zwei Räder zeigten zum Hang.
Maik stellte sein Gerät ab. Ihm stockte der Atem, er glaubte einen reglosen Körper zu erkennen. Er hastete den Hang hinunter, rutschte aus, konnte sich gerade noch an einem Cart-Reifen festhalten, zog sich hoch, und erkannte seinen Chef.
Getrocknetes Blut auf dem Hals, die Augen weit aufgerissen.
„Herr Rodemacher! Herr Rodemacher!“
Keine Regung.
Maik schaute sich um, dann schrie er den Spitznamen, den er sonst niemals benutzte:
„Rodi! Rodi! Rodi!“
Speichel und Blut an den Mundwinkeln.
Keine Regung. Nur Vogelgeschrei.
Maik versuchte das Cart hochheben. Ging nicht. Zu schwer. Auch zu glitschig alles.
Er rannte hoch zu seinem Fahrzeug, suchte die Jacke nach seinem Handy ab.
Kein Handy. Mist.
Er schrie: „Hilfe! Hilfe“. So laut er nur konnte. Doch nur eine Krähe antwortete.
Er rüttelte am Cart, riss sich die Hand auf.
Er fluchte.
Das Cart war schwer wie Blei. Benzingeruch hing in der Luft.
„Herr Rodemacher!“
Keine Reaktion.
*
Maik überlegte.
Schließlich lief er hoch zu seinem Mäher, gab Vollgas und raste talwärts zum Clubhaus, am Damenabschlag der 14 vorbei übers Fairway, dann durchs Rough Richtung Abschlag 15. Durch Bunker hindurch, um ja keine Zeit zu verlieren. Nur die Grüns umkurvte er mit waghalsigem Manöver.
Inzwischen waren schon die ersten Golfer unterwegs, sie sprangen zur Seite, brachten ihre Trolleys in Sicherheit, als sie den „verrückten“ Maik herannahen sahen.
Maik stoppte so abrupt, dass sich die Hinterachse wegdrehte. Er sprang vom Gerät, rannte auf die Gruppe zu, schrie nur: „Handy her!“ Maik tippte mit zittrigen Fingern die 110 ein, stammelte einige Stichworte ins Mikrofon, hastete weiter und ließ ungläubige Gesichter zurück.
„Maik, was ist los?“ schrie jemand. Maik gab mit Gesten zu verstehen, dass er es eilig habe, zum Clubhaus zu kommen und er deshalb nicht anhalten könne.
In diesem Moment hörte Maik einen Knall und ein Zischen an seinem Fahrzeug, was er für eine dieser nicht unüblichen Motor-Fehlzündungen hielt.
Jetzt war er am Loch 17, von dem die Bälle auf ein Tal-Grün gespielt werden. Er nahm nicht den geschotterten Querweg, sondern kürzte ab und wählte den direkten Weg nach unten. „Was ist denn jetzt los?“ fragte er sich, da ihm die Kontrolle über die Lenkung zu entgleiten drohte und er mächtig gegensteuern musste. Er gab Vollgas, doch der Mäher kam irgendwie nicht richtig voran.
Endlich war er unten. Im Hintergrund auf einer Anhöhe das Schlösschen des Gutes. Über einen Bach gings hoch zum Grün der 18. Nach einem scharfen Schlenker erreichte er schließlich den Geräteschuppen, tastete nach seinem Handy, fand es schließlich auf der Werkbank.
„Ein Anruf in Abwesenheit“, las er. Es war Jasmin. Klang irgendwie dringend, denn ihre Mutter war operiert worden. Sie musste jetzt warten.
Er wollte ganz sicher gehen und meldete sich noch einmal bei der Polizei, um ihnen den kürzesten Weg zu beschreiben.
„Wir sind schon unterwegs“, hörte er zu seiner Beruhigung.
Dann rief er Jasmin an. Sie wollte ihm lang und breit erzählen, wie seltsam sich ihr Chef, Eduard "Ede" Markel, verhalten habe. „Ich habe jetzt andere Sorgen, Jasmin!“ antwortete er und er berichtete ihr kurz von dem Ereignis. Jetzt wollte sie alles ganz genau wissen. "Rodi?" fragte sie, als er den Namen Rodemacher nannte. Maik wunderte sich, dass sie den Kosenamen benutzte.
Als er zu seinem Grünmäher zurückkam, bemerkte er, dass ein Vorderreifen fast platt war.
*
DER AUTOR ÜBER SICH:
1943 GEBOREN –
Später wäre mir lieber gewesen.IN FRANKFURT GEBOREN –
Wo denn sonst?1968 LEHRER GEWORDEN –
Aber nur kurz ein 68er.1974 VATER GEWORDEN –
Endlich ein Mediziner in der Familie.1976 NOCH MAL –
Auch ein Doktor.1977 REKTOR GEWORDEN –
Bei Beförderungen ist Hessen großzügig.SEIT 1993 AUCH RELIGIONSLEHRER –
Ich wundere mich über mich selbst.SEIT 2000 GOLFER. –
Immer noch über 20Hcp.SEIT 2002 ROMANSCHREIBER –
Lug und Mut.SEIT 2010 auf einem GUT.
Eine andere Welt. Tut gut.