Jetzt, da die Tage wieder erkennbar kürzer geworden sind und des Nachts die Celsiusgrade beginnen, sich in den Keller zurückzuziehen, da träumen viele von fernen sonnigen Fairways. Manche gar denken schon ans Einmotten ihres Golfbestecks. Nur, weil die Jahreszeit nicht mehr eitel Freud‘ und Sonnenschein verspricht. Es ist Herbst. Wie wunderbar!
Golf im Herbst, das ist nicht bloß der Ausklang der Saison, keine Abschiedstournee über allmählich unwirtlichere Fairways. Nein, das Spiel inmitten der gereiften Natur, die fast trotzig dem nahenden Winter entgegenwirft, was ihr an Fülle und Gepränge möglich ist, hat seinen ureigenen Zauber. Und der macht Golf im Herbst so einzigartig schön.
Kraniche stehen Spalier
Am 23. September war Äquinoktium, die Tag- und Nachtgleiche, der Sonnenzenit hat den Äquator überquert. Das ist der kalendarische Herbstbeginn. Auf dem Weg zum Platz stehen die Kraniche förmlich Spalier. Gleich all den anderen Federgenossen sammeln sich die „Vögel des Glücks“ hier oben im Nordosten für den Zug in warme Gefilde. Doch es scheint eher, als erwiesen sie dem herbstlichen Golfer Reverenz. Ebenso die Bäume. Nie sind sie prächtiger als in ihrem bunt-schillernden Kleid. Aktive Blatt-Umfärbung, Chlorophyll-Abbau, Carotinoide und Anthocyan: Herrje, Chemie. Wie schnöde.
Viel romantischer ist die Vorstellung, dass all die Flora sich ins Balzgewand geworfen hat, dass sie dieses opulente Kaleidoskop von Gelb-, Rot- und Grün-Schattierungen aufbietet, um uns noch einmal raus zu locken mit Schlägern und Ball. Bevor die grauen und trüben Tage endgültig da sind. Der Lyriker Joseph von Eichendorff hat die Jahreszeit vortrefflich in Reimform gebracht:
„Es ist nun der Herbst gekommen,
hat das schöne Sommerkleid
von den Feldern weggenommen
und die Blätter ausgestreut,
Vor dem bösen Winterwinde
deckt er warm und sachte zu
mit dem bunten Laub die Gründe,
die schon müde gehn zur Ruh.“
Golf für alle Sinne
Bis dahin freilich möchte noch etwas Zeit sein. Mit angenehmem Wetter. Ein Altweiber-Sommer. In dem die jungen Spinnen ihre fliegenden Fäden „weiben“ (altdeutsch für weben), die aussehen wie sehr feines graues Haar, daher der Name. Und ein goldener Oktober.
Golf im Herbst ist Golf für alle Sinne. Wer da noch nie in aller Frühe am ersten Abschlag war, der weiß gar nicht, was er verpasst:
… wenn die klamme Kühle der Nacht noch in der Luft liegt und alles so tropfnass ist wie frisch geputzt und so reinlich nach Natur duftet.
… wenn die aufgehende Sonne das Gespinst des Morgennebels zertrennt und ihre Strahlen in den übernächtigten Tautropfen unzählige winzige Regenbogen entflammen.
…wenn auf der Streuobstwiese am Rand des Fairways die Äpfel mit drallen roten Pausbacken aus dem Gras lugen.
… wenn beim Putten der Ball auf dem nachtfeuchten Grün eine filigrane Linie hinterlässt, der man kaum mit groben Fußspuren folgen mag.
Herbst auf dem Golfplatz. Da darf einer durchaus mal poetisch werden. Trist wird‘s noch früh genug.
Zuweilen ein launischer Gesell
Bei aller Schwärmerei soll keineswegs unerwähnt bleiben, dass dieser Herbst ein launischer Gesell sein kann. Nicht nur, weil er zuweilen verfrüht seinen miesepetrigen Ableger November vorschickt. Er narrt uns Golfer auch gern und bedient sich üppig sprießender Wiesen-Champignons, um verheißungsvoll einen Ball in bester Lage vorzugaukeln. Tatsächlich aber hat sich die gedimpelte Kugel unter irgendeins der zahlreich daher gewehten Blätter verkrümelt und trachtet nach Unsichtbarkeit.
Von wegen, mein kleiner weißer Freund! Ich find‘ Dich doch und pfeif‘ Dir eins. Mit der Melodie von Kurt Weills hinreißendem „September Song“: „Wenn das Herbstwetter die Blätter zum Glühen bringt, ist keine Zeit zu verschwenden. Denn die Tage schwinden […] Und diese kostbaren Tage verbringe ich mit Dir.“