Freitag, 17. Dezember, in exakt einer Woche ist Heiligabend. Damit beginnt heute der sogenannte Weihnachtsfrieden, in dem „die Behörden und Ämter des öffentlichen Dienstes in Deutschland keine Verwaltungsakte erlassen, die den Empfänger belasten“. So definiert es Wikipedia. Der Weihnachtsfrieden endet Anfang Januar – und damit sind wir beim Profi-Golf, genauer gesagt bei der PGA Tour und den zur Genehmigung vorliegenden Anträgen von 25 Professionals auf Teilnahme am Saudi International im kommenden Februar.
Entscheidung spätestens am 4. Januar
Commissioner Jay Monahan hat sich mit seiner Entscheidung in den Weihnachtsfrieden gerettet. Spätestens 30 Tage vor dem ersten Abschlag zur ersten Runde im Royal Greens Golf & Country Club nahe Jeddah muss das Platzet aus Ponte Vedra Beach vorliegen: Am 4. Januar, das passt zum eingangs beschriebenen Usus, dann ist auch der Weihnachtsfriede auf der Tour vorbei. Nicht nur in kalendarischer Hinsicht.
Denn Monahan droht „abtrünnigen“ Spielern seit jeher mit empfindlichen Strafen, um dem saudi-arabischen Schreckgespenst, dem blutigen Geld aus Riad und irgendwelchen Premier oder Super Golf Ligen Paroli zu bieten – und offeriert parallel Alimentationen wie das Player Impact Programm (PIP), um seine mit Schubkarren voller Schotter umworbenen Protagonisten bei der (Tour-)Stange zu halten. Zuckerbrot und Peitsche halt. Diesbezüglich ist gar von lebenslanger Sperre für den Circuit oder vom Ryder-Cup-Ausschluss die Rede, mindestens aber von saftigen Geldstrafen.
Monahans mächtiges Dilemma
Bei alldem steckt Monahan in einem mächtigen Dilemma. Früher, als das Saudi International noch zum Saisonkalender der damaligen European Tour gehörte, waren die Freigaben für Dustin Johnson und Co. eher Formsache. Auf einmal soll das nicht mehr gelten, ist von Sanktionen statt von Sanktionierung die Rede. Und das, obwohl sich die cleveren Saudis den Segen der Asian Tour erkauft und ihr Sports-Washing-Spektakel dort als Flaggschiff-Turnier implantiert haben. Wenn genug Geld fließt, lebt sich’s halt auch mit einer Laus im Pelz ganz gut, das war vor einigen Jahren schon Europas Profigolf-Boss Keith Pelley vorzuhalten.
Jedenfalls waren Starts auf der Asian Tour bislang auch nie ein Problem, allzu gern pflegte man doch den Kontakt zum lukrativen Markt in Nah- und Fernost. Andererseits ist da der Eigenschutz: Monahan will und darf im Sinne seines Systems keinen Präzedenzfall schaffen, indem er D. J. und seine „Bettelbrüder“ gewähren lässt – „wehret den Anfängen“, sagte schon der altrömische Dichter Ovid.
PGA Tour muss eigene Partner schützen
Zumal der „Commish“ sich überdies den eigenen Partnern verpflichtet fühlt und auch fühlen muss: Zeitgleich zum Saudi International findet an der kalifornischen Pazifikküste das ikonische AT&T Pebble Beach Pro-Am statt, der Telekommunikationskonzern unterstützt gleichermaßen das Byron Nelson, ist Partner des Augusta National Golf Club beim Masters und pumpt nach Schätzungen von Insidern allein mit seinem Engagement jährlich rund 40 Millionen Dollar in den Tour-Kreislauf. So einen Sponsor will man nicht vor den Kopf stoßen, der bei seinem Turnier selbstredend auf möglichst viele klangvolle Namen hofft. Vertrackt.
Aber welche Optionen hat Monahan wirklich? Namhafte US-Juristen kratzen sich diesbezüglich sehr nachdenklich an den sachverständigen Köpfen. Jedwede Sanktionen stünden rechtlich auf extrem wackeligen Beinen, heißt es. „Wir sind da ganz schnell im Gebiet des Kartellrechts“, zitiert „Golf. com“ beispielsweise den Wirtschaftsanwalt Craig Seebald von der renommierten und weltweit agierenden Sozietät Vinson & Elkins in Houston/Texas.
Monopolstellung und Wettbewerbsabsprachen
Im Klartext: Die PGA Tour würde sich eine fragwürdige und juristisch sehr angreifbare Monopolstellung anmaßen, wenn sie ihre Spieler an den „heimischen Herd“ zwingt oder im Sanktionsfall davon auszuschließen versucht. Durch die strategische Allianz mit der European Tour Group wäre laut Seebald sogar der Vorwurf unlauterer Absprachen zweier marktbeherrschender Unternehmen statthaft, die damit den freien Wettbewerb unterdrücken wollen. Und: Im US-Sport ist bislang lediglich die Major League Baseball (MLB) von kartellrechtlichen Vorschriften befreit.
Die Rechtsberater der Saudis und von Greg Normans LIV Golf Investments wissen das alles ebenso gut.
Europäischer Gerichtshof gab Bosman 1995 recht
Überdies steht das Stichwort „Freie Wahl des Arbeitsplatzes“ im Raum, das selbst der erklärte Saudi-Gegner Rory McIlroy als Vorsitzender des PGA-Tour-Spielerrats bereits angemahnt hat. Er weiß sein Gremium diesbezüglich geschlossen hinter sich.
Die ganze Angelegenheit erinnert fatal an das gewaltige Beben im europäischen Fußball, das der bis dato völlig unbekannten belgische Kicker Jean-Marc Bosman in den 1990er-Jahren ausgelöst hat, als sein geplanter Wechsel vom FC Lüttich zum französischen Zweitligisten US Dünkirchen trotz ausgelaufenen Vertrags an einer zu hohen Ablösesumme scheiterte. Bosman klagte dagegen und trieb die Causa durch alle Instanzen, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) schließlich 1995 die Beschränkung seiner Freiheit im EU-Arbeitsmarkt anerkannte und zur Auflösung das berühmte Bosman-Urteil fällte.
„Katastrophe für den Club-Fußball“
Im Fußball führte das Recht zur freien Wahl des Arbeitsplatzes, von Bayern Münchens Karl-Heinz Rummenigge mal als „schlimmste Katastrophe für den Club-Fußball“ bezeichnet, letztlich zu den astronomischen Transfersummen, die sich die Messis, Ronaldos oder Mbappés heute mithilfe ihrer Berater in die Taschen stopfen. Die Ähnlichkeit zu den unmoralischen Angeboten der Saudis ist unübersehbar. Ein derartiges juristisches Tohuwabohu im Profigolf mit nachhaltiger Erschütterung des Systems und unabsehbaren Folgen können Monahan und Pelley nicht wollen.
Übrigens: Pikanterweise stammen die 25 „Fremdgänger“, die stets mantrahaft und peinlich durchsichtig das „Grow the Game“-Lied von der Entwicklung des Golfspiels singen, zuvorderst jedoch das Wachstum der eigenen Einkünfte im Auge haben, aus lediglich drei Management-Ställen. Auch für die Saudis gilt: Gute Kontakte schaden nur dem, der sie nicht hat.
Gesichtswahrendes Arrangement, wetten?
Also, wie wird das Gerangel ums Saudi International ausgehen? Mit einem gesichtswahrenden Arrangement, das beide Seite nicht allzu schlecht aussehen lässt – wetten? Die Spieler werden ihren Willen kriegen und im Gegenzug ein Bußgeld zahlen, dass sie mit dem Antrittsgeld verrechnen. Garantiert dürfte genug Zaster übrig bleiben. Und Saudi-Lobbyist Greg Norman kann nicht mehr herum krakeelen, die Tour arbeite nicht zum Wohle der Aktiven, weil sie ihnen lukrative Einnahmemöglichkeiten verwehre.
PGA Tour sitzt am längeren Hebel
Monahan und Co. schließlich werden das Geldstrafen-Alibi schon halbwegs glaubwürdig und geschickt verkaufen sowie darauf beharren, ihrer Linie doch letztlich treu geblieben zu sein. Bis auf weiteres sitzt die PGA Tour eh am längeren Hebel: Sie kann es sich leisten, ihren Spielern Appetithäppchen aus anderen Trögen zu gewähren. Denn richtig satt wird das aktive Personal dank der nochmal üppig aufgepolsterten Preisgelder und Boni des heimischen Circuits doch vor allem „zuhause“. Genau diese Sicht- und Vorgehensweise raten sogar eigentlich kritische Beobachter: Gib den Stars den kleinen Finger und behalte sie damit in der Hand.