Sie ist der Shootingstar der Saison auf der LET Tour und zugleich ist es Ihre Rookie-Saison. Die Rede ist von Esther Henseleit, die sich mit Ihrem Sieg bei der Magical Kenya Open nicht nur Ihren ersten Titel auf der Damen-Profigolf-Tour sichern konnte, sondern gleich auch den Sieg in der Gesamtwertung mit nach Hause in die Hansestadt Hamburg genommen hat. Dort wurde Sie zudem zur Sportlerin des Jahres gewählt und und krönte so eine unglaubliche Debüt-Saison als Profigolferin.
Esther Henseleit im Interview
Golf Post: Wir gratulieren Dir zum Sieg bei der Magical Kenya Open, dem Tour-Gesamtsieg und dem Titel Hamburgs Sportlerin des Jahres. Ist das alles überhaupt schon bei Dir angekommen und durchgesickert was in den letzten Tagen vor Weihnachten alles passiert ist?
Esther Henseleit: Noch nicht so ganz, also ich bin ja auch gestern morgen (drei Tage nach dem Sieg der Kenya Open, am Tag der Verleihung des "Sportlerin des Jahres"-Preises; Anm. d. Red.) erst zurückgekommen und ich glaube jetzt in den nächsten Tagen, an denen ich ein bisschen Zeit zuhause habe, da wird das ein bisschen realer. Bis jetzt habe ich das alles noch nicht so verarbeitet, muss ich sagen.
Golf Post: Hast Du wenigstens ein bisschen Zeit gehabt in Kenia zu feiern?
Esther Henseleit: Ja, ein bisschen. Hauptsächlich natürlich mit den Mädels, die mit mir auf der Tour unterwegs sind. Mein Freund dabei, der in der letzten Turnierwoche auch mein Caddie war. Hauptsächlich aber mit anderen Spielerinnen, mit denen haben wir auch eine kleine Safari gemacht.
Golf Post: Wie ordnest Du das Jahr ein? Du hast doch mit Sicherheit nach deinem Traumstart in die Saison mit einem Sieg geliebäugelt, oder?
Esther Henseleit: Also ich konnte es Anfang des Jahres gar nicht so richtig einschätzen, muss ich sagen. Klar, ich wusste, dass ich eine gute Amateurkarriere hatte und gut Golf spielen kann, aber ich konnte das Level, was auf der Ladies European Tour (LET) gespielt wird, nicht einschätzen. Nach den ersten Turnieren habe ich dann gemerkt, dass da etwas geht und dann ging es auch immer mehr darum ein Turnier zu gewinnen. Dass es letztendlich so ausgegangen ist, hätte ich natürlich zu keinem Zeitpunkt gedacht.
Golf Post: Was freut Dich am meisten, wenn Du die Saison betrachtest? Ist es der Sieg in Kenia? Ist es der Gewinn der Gesamtwertung? Vielleicht auch die Qualifikation für die LPGA Tour?
Esther Henseleit: Es ist auf jeden Fall der Gesamtsieg, weil dadurch habe ich jetzt für einige Jahre meine Tourkarte gesichert und muss mir erstmal keine Gedanken darüber machen. Das ist schon besonders. Aber natürlich ist es auch toll, sein erstes Turnier zu gewinnen. Es sind einfach zwei unterschiedliche Dinge, die aber beide sehr viel bedeuten.
Golf Post: Was war denn am Anfang des Jahres Deine Zielsetzung?
Esther Henseleit: Anfang des Jahres war es auf jeden Fall meine LET-Karte zu halten und mir eine Spielberechtigung für die USA zu sichern. Das waren Anfang des Jahres auf jeden Fall meine Ziele.
Golf Post: Hattest Du denn ergebnisunabhängige Zielsetzungen? Gibt es da vielleicht tatsächlich etwas, wo Du Dir mehr vorgenommen hattest?
Esther Henseleit: Ja, wobei das ein bisschen schwierig ist zu sagen, ob man das erreicht hat oder nicht. Aber natürlich habe ich mir auch vorgenommen als Golfer besser zu werden und an verschiedenen Dingen zu arbeiten. Wenn man sich das Gesamte anschaut, dann habe ich das auf jeden Fall erreicht, aber es sind sicherlich noch ein paar Einzelheiten, die verbessert werden können.
Golf Post: Wie geht es nächstes Jahr weiter?
Esther Henseleit: Die Kategorie, die ich auf der LPGA Tour habe, ist okay, aber sie ist nicht so gut, dass ich auf normalem Wege in alle Turniere reinkommen werde. Trotzdem liegt aber die Priorität auf der LPGA Tour, da ich die LET-Karte jetzt erst einmal für einige Jahre sicher habe und eben die LPGA Tour auch nochmal auf einem anderen Niveau ist. Ich habe jetzt auch relativ gute Chancen, in viele Turniere durch Einladungen rein zu kommen. Mal sehen, wie viele das letztendlich sind. Der Plan ist also erst einmal die LPGA Tour und dann einige Turniere auf der LET.
Golf Post: Wirst Du Deinen Trainings- und Lebensmittelpunkt in die USA verlegen?
Esther Henseleit: Das ist erst einmal nicht der Plan.
Golf Post: Also weiter von Hamburg aus die Welt erobern?
Esther Henseleit: Genau.
Golf Post: Wie gut fühlst Du Dich denn auf die LPGA Tour vorbereitet? Wo siehst Du den Stellenwert, dort als LET-Champion aufzuschlagen?
Esther Henseleit: Das ist ähnlich wie es Anfang dieses Jahres war und wie auf der LET einzuschätzen. Ich habe die Majors gespielt, wo natürlich das Niveau sehr hoch ist, aber ich glaube, wenn ich gut spiele, kann ich da mithalten. Man wird einfach sehen, wie das nächstes Jahr so läuft.
Golf Post: Bist du als Gesamtsiegerin der LET für die Majors qualifiziert?
Esther Henseleit: Nicht bei allen. Ich glaube, die Women's British Open und die ANA Inspiration sind sicher. Bei der US Open bin ich mir nicht sicher. Für die Evian Championship müsste ich meiner Meinung nach qualifiziert sein. Für die KPMG Championship muss ich mich über die Weltrangliste oder die Order of Merit qualifizieren. Die Teilnahme an allen Majors ist natürlich ein Ziel.
Golf Post: Was nimmst Du denn abseits der Pokale, Preisgelder und Auszeichnungen, die Du dieses Jahr errungen hast, mit?
Esther Henseleit: Es ist auf jeden Fall viel Organisatorisches, was man gelernt hat. Wie man am besten zu Turnieren reist, wie man das alles gut organisieren kann und eben auch für sich den richtigen Weg findet, wie man am besten spielt.
Golf Post: Wie sauer bist Du eigentlich gewesen, dass Du nicht für den Solheim Cup gepickt wurdest?
Esther Henseleit: Nicht besonders. Also ich wusste vor den letzten drei Turnieren, die gezählt haben, dass ich gut spielen muss, um ausgewählt zu werden und ich habe drei Cuts verpasst und dann habe ich auch nicht mehr damit gerechnet, dass ich nominiert werde. Ich hatte es selbst in der Hand und habe es nicht geschafft. Natürlich war ich ein bisschen - nicht enttäuscht - aber ein bisschen traurig, dass ich nicht die Leistung bringen konnte, die ich mir gewünscht habe. Aber so ist es eben.
Golf Post: Hast mit dem Blick auf den Solheim Cup, als Du wusstest, dass Du eine Chance hast, Druck verspürt?
Esther Henseleit: Ich würde das jetzt nicht als Druck bezeichnen, weil niemand von einem Rookie erwarten würde, dass er direkt für den Solheim Cup nominiert wird. Ich glaube, mit Druck hatte ich dieses Jahr wirklich sehr wenig zu tun. In der Phase, in der ich nicht gut gespielt habe, war mein Golfspiel einfach nicht so gut. Solche Phasen gibt es halt und das hat sich ja zum Glück dann auch geändert.
Golf Post: Glaubst Du, dass du nächstes Jahr mehr Druck hast? Dir selber vielleicht auch mehr Druck machst?
Esther Henseleit: Nein, ich glaube in den USA ist es so, dass, obwohl ich ein gutes Jahr in Europa hatte, mich eigentlich kaum jemand kennt und kaum jemand etwas über mich weiß. Deswegen würde ich sagen, dass die Situation ziemlich ähnlich ist wie dieses Jahr auf der LET. Ich habe jetzt schon bewiesen, dass ich bei den Profis mitspielen kann und deswegen bin ich da ganz entspannt.
Golf Post: Auf was freust Du Dich jetzt noch so den Rest des Jahres? Kommen jetzt auch mal eine golffreie Zeit und Urlaub?
Esther Henseleit: Ja, also ich freue mich jetzt auch schon auf ein bisschen Pause, weil es jetzt schon anstrengende elf Monate waren. Jetzt bin ich erstmal hier zu Hause in Hamburg, feiere Weihnachten mit meiner Familie und danach geht es dann wieder weiter.
Das Interview führte Tobias Hennig