Zu aktiven Ryder-Cup-Zeiten nannte man ihn „The Postman“: Weil Ian Poulter beim Kontinentalwettbewerb meist zuverlässig lieferte und sowieso das Emotionselement der Europäer personifizierte, egal wie es auf den Touren für den Engländer zuvor gelaufen war. Den „Treibstoff, mit dem Team Europe läuft“, hat ihn das britische Blatt The Telegraph mal genannt. Ein bisschen was von diesem Additiv scheint „Poults“ an die Three Lions weitergereicht zu haben, als er Englands EM-Auswahl in deren Teambase Camp im Spa & GolfResort Weimarer Land besucht hat.
Bellingham und Kane bewahrten England vor einer bösen Blamage
Jedenfalls drehten die bislang eher zahnlos wirkenden Fußballlöwen ein paar Tage später das eigentlich schon verloren wirkende erste K.o.-Runden-Match gegen die Slowakei in Gelsenkirchen doch noch um und bissen sich ins Viertelfinale durch, das nun heute in Düsseldorf gegen die Schweiz ansteht. Der spektakuläre Fallrückzieher von Jude Bellingham zum 1:1-Ausgleich in der Nachspielzeit und das Kopfballtor von Harry Kane in der 91. Minuten bewahrten den englischen Fußballverband The FA und den in der Heimat ohnehin umstrittenen und ob seiner Strategie einer verhaltenen Spielweise heftig kritisierten Cheftrainer Gareth Southgate vor einer bösen Blamage.
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„Nearest to the Pin“ und Golfrunde mit Poults und Horsfield
Nun ist in einem Golfmedium nicht über Fußball zu fachsimpeln, aber irgendwas hat Poulter offenbar vermittelt – und wenn es seine vielfach bewiesene Attitüde war, in wichtigen Momenten auf ansteckende Weise über sich hinauszuwachsen. Dabei hat der mittlerweile in die LIV Golf League gewechselte Majesticks-Mann mit seinem Teamkameraden Sam Horsfield doch „nur“ den Nichtgolfern im Team etwas Nachhilfe gegeben und mit Kapitän Kane und Co. erst eine weithin sicht- und hörbare „Nearest to the Pin“-Gaudi auf der Driving Range veranstaltet, dann eine Runde auf dem Goethe-Course gespielt – wie man vom öffentlichen Weg sehen konnte, der an zwei Stellen durch den Platz schneidet.
„Ein gutes Pferd springt nur so hoch wie es muss“?
Derlei Ablenkung vom getakteten Alltag in einem Turnierhauptquartier kann allerdings Wunder bewirken. Zumindest das absolute Minimalziel ist erreicht und der Traum vom ersten großen Titel seit 58 Jahren lebt, so volatil die Vision angesichts der bisher gezeigten Leistungen sein mag. Freilich, es gibt nicht wenige, die glauben, dass sich die Three Lions auf diese Weise bis ins Finale durchwurschteln – frei nach der Devise „Ein gutes Pferd springt nur so hoch wie es muss“ und so weiter.
Ed Sheeran ist Bellingham-Fan
Sei’s drum: Ganz augenscheinlich scheint man sich im Hochsicherheitstrakt des Team Basecamp am Rand von Blankenhain nicht mehr so rigide einzuigeln wie in den Wochen zuvor. Am vergangenen Montag gab der aktuell auf Deutschlandtour befindliche Singer-Songwriter Ed Sheeran den Three Lions ein Ständchen; und das Social-Media-Team der FA postete munter erstmals Fotos aus dem Inneren des Hotels: vom Auftritt des fußballbegeisterten Popstars und Bellingham-Fans, von gelösten und lachenden Kickern …
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Jude Bellingham recording Ed Sheeran performing at the camp🤍 https://t.co/vsxxbBZ0ou pic.twitter.com/0gOODlQEyA
— Ria 🏴 (@itsjudithworld) July 2, 2024
Reald Madrids Jungstar sorgt für Aufruhr in Erfurt
Tags drauf stand ein Ausflug in die thüringische Landeshauptstadt Erfurt und zur berühmten Krämerbrücke auf dem Programm, immerhin die längste durchgehend mit Häusern bebaute und bewohnte Brücke in Europa. Dort sorgte der am 29. Juni 21 Jahre alt gewordene Bellingham für verstärktes Fan-Aufkommen, als sich Real Madrids Jungstar mit seinen Eltern Denise und Mark spontan und ohne die übliche Abschirmung durch FA-eigene Sicherheitskräfte in einer Pizzeria niederließ, um den Geburtstag nachzufeiern. Deutschlands führendes Boulevardblatt hat, wie sollte es anders sein, sämtliche Details notiert: Pizza Venezia, zwei Mal Pasta, ein Cappuccino – insgesamt 44 Euro, bezahlt mit Karte plus großzügigem Trinkgeld in bar.
„Fußballer lieben es halt, Menschen zu begegnen“
Zwischendrin wurde auch das Trainer- und Analyse-Team der Three Lions aus der täglichen Routine „aufgeschreckt“ und trat zum Kräftemessen mit einer Auswahl des englischen Medienaufgebots auf dem ebenfalls nach den Standards des Fußballweltverbands FIFA ausgebauten Fußballplatz in Blankenhain an, den die Weimarer-Land-Crew um Headgreenkeeper Andreas Bussmann zuvor noch mal hergerichtet hatte. Auch etliche Spieler waren unter den Zuschauern und ließen sich für Autogramme und Selfies nicht lange bitten. Diese bislang selten gezeigte Offenheit wundert Resortinhaber Matthias Grafe wenig: „Fußballer lieben es halt, Menschen zu begegnen. Die wollen sich vielleicht gar nicht so abschotten.“
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„Wenn sie nach zwei Wochen rausfliegen, habe ich ein Problem“
Also, die Stimmung ist gut, wie Daniel Stenzel, der General Manager des Spa & GolfResort Weimarer Land, im ARD-Morgenmagazin „MOMA“ live von einem der Grüns auf dem Königin Luise 9-Loch Course bestätigt hat, den auch die kickende Klientel gern frequentiert. Beim Gastgeber haben sie nach dem Achtelfinal-2:1 von Gelsenkirchen ebenfalls mal tief durchgeatmet. „Je länger die Engländer im Turnier sind und mithin bei uns bleiben, desto mehr zahlen sie mir als Return of Investment“, hatte Hausherr Grafe im Vorfeld konstatiert. „Wenn sie nach zwei Wochen rausfliegen, habe ich echt ein Problem.“
Resort für Wochen vom Hochbetrieb zur Hauptsaison abgekoppelt
Er hat sein Resort mit dem Trainingslager des DFB und dem Team Basecamp der Engländer halt für Wochen vom normalen Hochbetrieb zur Hauptsaison abgekoppelt. Ein seriöser Kaufmann richtet seine Kalkulation zwar nicht am Best Case Finalteilnahme aus: Doch eine derartige „Wohlfühloase“ (Eigenwerbung) mit 220 Betten, acht Restaurants, splendidem Wellnessbereich, zwei Pools und allem sonstig denkbaren Zipp und Zapp mal flugs über Nacht wieder für breites Gästeaufkommen hochzufahren, ist nahezu unmöglich. Zumal sich die Stammgäste des Resorts für den fraglichen Zeitraum längst Alternativen gesucht haben. Will heißen: Ein bisschen mehr England bei dieser EURO 2024 durfte gern sein.
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