Ausgerechnet Zach Johnson hat angerufen, um die Botschaft von der Ernennung zum Kapitän des US-Teams für den Ryder Cup 2025 zu überbringen. Jener Zach Johnson, der seinem Gesprächspartner vor gut zehn Monaten noch das golferische Herz gebrochen hatte, als er ihm die Reise nach Rom verweigerte und bei seinen Captain’s Picks Buddies wie Jordan Spieth, Justin Thomas und Rickie Fowler sowie Scottie-Scheffler-Kumpel Sam Burns vorzog. Nun darf Keegan Bradley Bethpage Black ansteuern – als jüngster Skipper in der Kommandozentrale des Kontinentalwettbewerbs seit Arnold Palmer 1963, der das Amt im Alter von 34 Jahren übernommen hatte.
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Den Kandidaten hatte niemand auf der Rechnung
Mit der Ernennung des 38-jährigen PGA Champions von 2011 hat die PGA of America einen Kandidaten aus dem Hut gezogen, den niemand auf der Rechnung hatte. Tiger Woods war der Wunschkandidat nach der bitteren Pleite von Marco Simone im vergangenen, reflexhaft als Heilsbringer für die waidwunde US-Ryder-Cup-Seele gefordert, aber eine eher unlogische Wahl für die 45. Auflage auf dem brutal schwierigen schwarzen Kurs im Freizeitpark vor den Toren von New York. Dazu später mehr.
Warten auf Woods: Entscheidung mehrfach verschoben
Woods hatte sich ohnehin schon im Vorfeld der diesjährigen PGA Championship eher ablehnend geäußert und davon gesprochen, „nicht die notwendige Zeit zu haben, um die Rollen angemessen ausfüllen zu können“. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Die PGA of America hat ihre Entscheidung mehrfach verschoben, um auf Woods zu warten, und dem Umworbenen mit der Ernennung von John Wood als Teammanager überdies Rückendeckung fürs operative Tagesgeschäft eines Teamchefs angeboten. Tiger ist allerdings nicht der Typ, der halbherzig auf jeder Hochzeit tanzt.
Größere Baustellen als Ryder Cup auf heimischem Boden
Und momentan sind da andere, größere Baustellen als ein Ryder Cup auf heimischem Boden und vor amerikanischer Fankulisse, der eigentlich als Selbstläufer gilt. Woods steckt als „Shadow Commissioner“ und Zünglein an der Waage im Policy Board der PGA Tour bis über beide Ohren in den Verhandlungen mit dem saudi-arabischen Staatsfonds PIF. Die Minderheitsbeteiligung des Krösus aus Riad an der neuen Cashcow PGA Tour Enterprises soll und muss arrangiert werden, bevor PIF-Boss Yasir Al-Rumayyan nach der Abwerbung von Jon Rahm den nächsten Warnschuss in Richtung Establishment abfeuert und einem der Tour-Jungstars ein ebenso unmoralisches wie unwiderstehliches Angebot macht.
„Nicht in der Lage, dem Team die nötige Zeit zu widmen“
Dazu kommen die Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Indoorspektakel TGL, das im Januar 2025 endgültig Premiere feiern soll und auch erstmal ans Laufen gebracht werden muss. Was da hinter den Kulissen läuft, mag man sich kaum ausmalen – nicht zuletzt angesichts all der Verflechtungen und von Alphatieren wie John Henry, der mit Fenway Sports in der TGL engagiert ist und als Frontrunner der Strategic Sports Group (SSG) ebenso bei PGA Tour Enterprises mitmischt. Woods hat jetzt noch mal bekräftigt: „Mit meinen neuen Verantwortlichkeiten auf der Tour und den damit verbundenen zeitlichen Verpflichtungen sah ich mich nicht in der Lage, dem Team USA und den Spielern die Zeit zu widmen, die man als Kapitän benötigt.“
Nur 14 Monate Zeit für die Vorbereitungen
Als Zweitbesetzung für den Superstar wurden lange Zeit Fred Couples und Stewart Cink gehandelt. Stattdessen nun Keegan Bradley. Der Profi aus Vermont hat jetzt gerade mal 14 Monate Zeit, die Rückeroberung des Ryder Cup vorzubereiten, während sein Gegenüber Luke Donald als „Wiederholungstäter“ auf ein eingespieltes Team und den Rückenwind von Rom bauen kann. Ein bisschen wirkt Bradley wie eine Notlösung, und seine Berufung als Trostpflaster für die Nichtberücksichtigung von 2023. Bei seiner ersten Pressekonferenz als neuer Skipper erzählte er, Zach Johnsons jüngster Anruf sei wahrhaft der erste Kontakt bezüglich einer Berufung ins Kapitänsamt gewesen. Kaum zu glauben, dass solche Entscheidungen tatsächlich aus heiterem Himmel getroffen werden. Gerüchte wiederum künden denn auch davon, dass es bereits vergangenes Jahr Gespräche gegeben habe.
Keine Ressentiments gegen LIV-Spieler
Sei’s drum: Für Bradley spricht, dass er offenkundig nicht zum Buddy-System gehört, mit dem bislang die Captaincys ausgekungelt worden sind. Er kennt die Bühne Bethpage Black aus Hochschulzeiten am nahe gelegenen St. John’s College und ist für die Fans aus dem Big Apple eine Art Local Hero. Außerdem hat der zweifache Ryder-Cupper bereits angekündigt, auf irgendwelche LIV-Ressentiments keine Rücksicht nehmen zu wollen: „Ich will die besten US-Spieler in meinem Team – egal, wo sie herkommen.“ Bryson DeChambeau wird’s mit Freuden vernommen haben.
„Hässlichster Ryder Cup der Geschichte“ erwartet
Das und der Schwierigkeitsgrad des Platzes dürften Bradleys Unerfahrenheit mehr als ausgleichen, der nie Vize war und lediglich die beiden verlorenen Kontinentalwettbewerbe 2012 und 2014 als Spieler bestritten hat. Die Europäer erwartet ein heißer Tanz in der Höhle des Löwen; US-Medien erwarten „den hässlichsten Ryder Cup der Geschichte“ – „ein Aspekt, der von den vielen Unzulänglichkeiten des amerikanischen Kapitäns ablenken wird“, heißt es beispielsweise bei „Golf Digest“. Ein Erfolg ist ohnehin eingepreist.
Die Schmach von Medinah und der Schwur mit dem Koffer
Dann dürfte Keegan Bradley endlich auch den Koffer auspacken, den er seit der Schmach von vor zwölf Jahren ignoriert hat. Die Europäer unter Kapitän José María Olazábal hatten damals in Illinois eine sicher scheinende Niederlage mit 8,5 Punkten aus den Einzeln dank des berühmten Putts von Martin Kaymer im Match mit Steve Stricker noch ins Miracle of Medinah umgemünzt. Bradley bestritt drei Vierer mit Phil Mickelson, gewann sie sämtlichst, verlor aber am Sonntag mit 1:2 gegen Rory McIlroy und schwor hernach, das Gepäckstück erst wieder anzurühren, wenn er einen Ryder Cup gewönnen hätte.
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Tiger wird 2027 dringender gebraucht
Sollte freilich das völlig Unerwartete eintreten, wäre der Kollege von Rory McIlroy im TGL-Team Boston Common (das Fenway und mithin John Henry gehört) ein verschmerzbares Bauernopfer. Undenkbar, Tiger Woods in Bethpage zu „verschwenden“ oder gar zu verbrennen. Die Amerikaner brauchen den Superstar 2027, um den Europäern im irischen Adare Manor die Schau zu stehlen. Und der 48-Jährige hat selbst bekräftigt: „Meine aktuelle Entscheidung bedeutet nicht, dass ich nicht irgendwann Kapitän sein möchte. Wenn ich das Gefühl habe, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist, werde ich meinen Hut in den Ring werfen.“