Der Kanadier Sean Foley hat als Trainer herausragende Golfprofis kommen und gehen sehen, zu seinen Klienten gehören Könner, die wie Tiger Woods oder Justin Rose beharrlich nach forschen, ihrem Körper mehr Wucht, mehr an Koordination und Balance zu entlocken. Wenn sein Unterricht jeden zu einem Weltklassespieler formen könnte, hätte Cameron Champ längst seinem Nachnamen alle Ehre erwiesen. Tatsächlich ist aus dem vermeintlichen Wunderkind, das seinen elastischen schlanken Rumpf wie ein Zirkusartist verdreht, wenn er zum Schlag ausholt, nur eins geworden: ein von Golfamateuren bewunderter Weitenjäger. Champ gehört auf der amerikanischen PGA-Tour zu jenen, die den kleinen weissen Ball mit dem Driver zuverlässig 300 Meter weit durch die Luft dreschen. Noch vor 50 Jahren hätte man solche Distanzen nicht für möglich gehalten. Damals war man zufrieden, wenn man konstant auf 250 Meter kam.
Begründung: Technologischer Fortschritt sowie gezieltes Fitnesstraining haben zu einer Evolution geführt, was den Herstellern enorme Wachstumsraten gebracht hat. Keine Freude haben die Betreiber der bedeutenden Turniere. Alte Golfplätze mussten aufwendig ausgebaut und einzelne Bahnen deutlich verlängert werden. Die 18 Löcher des prestigeträchtigen Augusta National Golf Club kamen 1997 beim ersten Sieg von Tiger Woods auf eine Gesamtdistanz von 6332 Metern. Bei seinem fünftem Sieg 2019 lag der Vergleichswert bei 6835 Metern. Die 500 zusätzlichen Meter hatte man unter Mühen aus dem hügeligen Gelände herausschneiden müssen. Woods`Popularität trübte den Blick der Verantwortlichen dafür, die Spirale zu stoppen. Dabei war schon früh klar, was die einfachste und preiswerteste wäre, um das Dilemma in den Griff zu bekommen. "Wir müssen etwas mit dem Ball machen. Der fliegt einfach zu weit.", stellte Woods bereits 2017 fest.
Im Golf geht es um Tradition: Alle Spieler spielen nach denselben Regeln und mit denselben offiziell zugelassenen Schläger und Bällen. Die Verantwortlichen scheinen sich dafür gewappnet zu haben, falls die Regeländerung auf massive Prosteste aus dem Lager der Amateurspielern stösst. Je nachdem, wie stark der Gegenwind ausfallen wird, scheint ein Kompromiss denkbar, den etwa Tiger Woods favorisiert: abgeremste Bälle nur für die Profis - und für die Amateure Projektile, die so weit fliegen wie technisch möglich.