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Mit dem Linienbus zur Open Championship

Jeden Tag fahre ich von Crail nach St. Andrews mit dem Linienbus vorbei an einigen der größten Links-Ikonen. Das regt zum Nachdenken an.

am 16. Jul 2022 um 15:30 Uhr von Tobias Hennig

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Der Linienbus 95 von Crail, wo ich während der 150. Open Championship untergekommen bin, nach St. Andrews könnte auch eine Panoramatour sein. Los geht es am Ort, an dem die Crail Golf Society ihren Sitz hat und u.a. den Balcomie Links betreibt. Entlang der Ostküste des schottischen Bezirks Fife geht es durch Kingsbarns, vorbei an der St. Andrews Bay mit den Plätzen von Fairmont und dem Castle Course bis zur Busstation von St. Andrews. Von hier sind es noch fünf Minuten Fußweg bis zu meinem Arbeitsplatz im Media Center. Alle Golfplätze entlang der Route aufzuzählen, wäre zu viel (allein das "Home of Golf" hat neben dem Old Course mittlerweile sechs weitere Kurse).

Die tägliche 30-minütige Busfahrt finde ich nicht nur aufgrund des Panoramas so spannend, sondern weil sie einige Unterschiede in der Kultur des Golfspielens und -schauens zu Tage fördert. Der erste Unterschied zu Deutschland ist ein ganz simpler: Infrastruktur. Wie viele Golfplätze sind bei uns mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar? Ich kann nur für den Raum Köln sprechen und da steht fest: Es sind nicht viele, obwohl es zig Plätze in der Gegend gibt. Hier in Schottland hält der Bus auch im "Nirgendwo", da wo die Zufahrt zum Golfplatz ist. Mal davon abgesehen, dass es in Deutschland keine Golfplätze vom Rang und Namen derer hier in Schottland gibt, ist die Zugänglichkeit dieser Berühmtheiten für mich umso erstaunlicher.

Natürlich herrscht während der Open ein ganz besonderes Flair in der ganzen Umgebung. Wenn ich morgens kurz nach sieben in den Bus steige, sitzen da schon etliche Golferinnen und Golfer drinnen, leicht zu erkennen an ihren Srixon-, TaylorMade- und wie-die-anderen-Firmen-alle-heißen-Kappen. Das schöne ist aber, es ist ein Querschnitt der Bevölkerung. Sowohl Einheimische als auch Touristen sind darunter. Noch viel krasser ist der Gegensatz zu einem Golfturnier in Deutschland natürlich auf dem Platz. Golferin oder Golfer ist hier einfach (fast) jeder. Und das sieht und spürt man. Familien machen einen Tagesausflug zur Open. Senioren trotten langsam über den Platz. Kinder spielen abseits der Ropes, weil die Konzentration für einen ganzen Tag nur Zuschauen noch nicht reicht (was ich völlig ok finde). Gruppen trinken Bier, flaxen und freuen sich über jeden guten Schlag. Freundinnen und Freunde plauschen auf den Tribünen, wenn gerade keine Spieler in Sicht sind. Etliche Kinderwägen werden über den Old Course geschoben, weil man die Kleinsten auch mitnimmt. All diesen Menschen bin ich auch schon im Bus begegnet.

Mein Arbeitsplatz in der Open-Woche: Das Media Center bei der Open Championship.

Mein Arbeitsplatz in der Open-Woche: Das Media Center bei der Open Championship.

Statt eines VIP-Parkplatzes für Porsche- oder BMW-Fahrer direkt am Golfplatz (ja, Porsche European Open und BMW International Open, ihr seid gemeint), gibt es and der Busstation in St. Andrews freundliche Helferinnen und Helfer, die jede Frage beantworten. Wenn abends der Andrang besonders groß ist, dürfen einfach alle einsteigen, damit es schneller geht. Ein Ticket für die Rückfahrt nach Crail hätte ich an den letzten beiden Abenden nicht gebraucht (hatte ich aber trotzdem). Ein großer deutscher Autobauer ist hier übrigens trotzdem einer der Hauptsponsoren und stellt die Fahrzeuge für den Transport von Spielern und VIPs.

Auf den Rückfahrten riecht man dann sogar oft einen weiteren Unterschied. Die Luft im Bus 95 ist geschwängert von Bierduft. Als ob der Bus eine Fahne hätte. Die Gespräche sind deutlich lauter als morgens, die Stimmung ausgelassener. Das ist für mich nicht besonders angenehm, denn ich habe ja nach rund 12-14 Stunden gerade Feierabend. Doch ich gönne es jeder und jedem einzelnen, das Turnier so freudebringend wie möglich zu erleben. Und wenn der Bus dann am Sea View Caravan St. Andrews Holiday Park meist zum ersten Mal hält, steigen die ersten Open-Fans aus und verbringen den restlichen Abend auf dem Campingplatz. Weil es hier einfach für jeden das richtige Angebot gibt. Weil Golf hier für alle zugänglich ist und auch sein soll. Dass dies rund um die Open genauso gewollt ist, wird mir wohl noch oft durch den Kopf gehen, wenn ich zuhause mal wieder zu einem Golfturnier fahre. Mit dem Auto. Leider nicht mit dem Linienbus.

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