Buchbesprechung: Harry Schlepegrell: Das Golfspiel, Leipzig 1923
Der Autor
Dr. Harry Schlepegrell, Autor des hier vorgestellten Buches, war ein passionierter Golfer und Mitbegründer des Hamburger Golfclubs sowie des Deutschen Golfverbandes. Er publizierte sein Werk fünf Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, mitten in einer von Geldentwertung und wirtschaftlichem Niedergang geprägten Phase der Weimarer Republik. Es mag uns heute überraschen, dass ein Fachbuch über den Golfsport in einer Zeit erschien, in der die Bevölkerung andere Bedürfnisse hatte, als eine in Deutschland damals noch neue Sportart kennenzulernen. Dennoch fand sich hierfür eine Leserschaft.
Die Historie
Auf deutschem Staatsgebiet existierten bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges 12 Golfplätze, nach dem Krieg wurden weitere gegründet, allesamt Neunlochanlagen. Der Deutsche Golfverband (DGV) war bereits 1907 aus der Wiege gehoben worden und regelte den organisatorischen Ablauf des Spielbetriebs sowie die Aufstellung eines ersten Regelwerkes. Diese und weitere Geschichten aus der Frühzeit des nationalen Golfsports liefert Schlepegrell in seinem einführenden Kapitel „Geschichtliches“.
Das Spielfeld
Es folgt ein Abschnitt über die Neuanlage und den Aufbau von Golfplätzen, indem der Autor anhand des damaligen Kurses des Hamburger Golfplatzes, die Funktionen von Bunkern und Gräben sowie die Tücken von Fairways und Grüns beschreibt. Schmunzeln lässt den modernen Golfer, dass sich auf dem Abschlag einer jeden Bahn eine Kiste mit feuchtem Sand befand („Tee Box“), mit dem der Golfer/die Golferin mit den Händen einen kleinen Hügel formte, auf den er/sie den Ball zum Abschlag „aufteen“ konnte.
Das Equipment
Den größten Teil des Buches nehmen die Kapitel zum „Spielgerät“, zur „Spieltechnik“ sowie zu den „verschiedenen Schlägern“ ein. Neben der Entwicklung des Golfballes oder der Materialien der Schläger lernen wir den „Treiber“ (Driver), den „Brassie“ und den „Spoon“ (Hölzer), den „Cleek“ (langes Eisen), die „Eisen“, den „Mashie“ (Eisen 5) sowie den „Niblick“ (Eisen 9) und schließlich den Putter kennen. Sehr ausführlich geht der Autor in diesem Kapitel auf über 30 Seiten auf den Golfschwung ein. Diese für Golfanfänger gedachte Einführung bedarf einer Menge Geduld und wirkt auf heutige Leser schnell ermüdend. Zu Gute halten muss man Schlepegrell allerdings, dass er sich darauf versteht, seine Anleitungen anschaulich an Beispielen zu vermitteln und an mehreren Stellen des Buches seinen Humor aufblitzen lässt. Dies macht das Lesen, auch schwerer Passagen, letztlich doch zu einem Gewinn.
Die Spielarten
Besonders interessant ist das Kapitel zu den „Spielarten“. Neben dem uns heute noch bekannten Matchplay (Lochwettspiel) und dem Zählspiel (medal play) erhalten wir Einblicke in verschiedene Unterarten wie dem Dreiball, Bestball, Vierball, Punktespiel, Einheitsspiel, Auswahlspiel oder Mannschaftsspiel. Eine amüsante Herleitung erhielt das „Kirchhofspiel“, bei dem jede/r Spieler/in den Platz solange spielt, bis die Anzahl der PAR-Schläge des Platzes (Zahl der Schläge, die ein guter Spieler, „Scratchspieler“, für den Platz benötigt) addiert mit der eigenen Vorgabe erreicht ist. Am Punkt des letzten Balles platziert jede/r ein Holzkreuz in der Hoffnung, von allen Spielern/innen am weitesten gekommen zu sein und damit das Wettspiel zu gewinnen. Da nach der Runde auf den Bahnen so viele Kreuze zusammenstanden, nannte man das Spiel „Kirchhofspiel“ („Friedhofspiel“).
Die Vorgaben
Gegen Ende des Buches wird es noch einmal formal. Schlepegrell liefert Informationen über den Ablauf von offenen Wettspielen der Klubs sowie einen ausführlichen Bericht zur Festlegung von Vorgaben durch den sog. Handikapper. Beim Lesen dieses Kapitels wird der moderne Leser unweigerlich an die Neueinführung des World Handicap Systems dieser Tage mit seinen für Außenstehende schwer nachzuvollziehenden Berechnungen erinnert. Auch vor nahezu 100 Jahren war dies eine Wissenschaft für sich. „Das Golfspiel“ endet mit einem Exkurs zur „Physik des Ballfluges“, von Dr. Karl Beck, der von 1921 bis 1924 Vorsitzender des Deutschen Golfverbandes war.
Fazit
Das Buch „Das Golfspiel“ von Harry Schlepegrell ist in mehrfacher Hinsicht ein kleiner Schatz aus Zeitgeschichte, Einblicken in die Entwicklung des Golfsports der 20’er Jahre und interessanten, unbekannten und teilweise skurrile Fakten. Zudem lässt sich der Text auch nach einem Jahrhundert flüssig lesen und hält für den heutigen Leser manches zum Schmunzeln bereit.
Originalexemplare aus dem Jahr 1923 werden auf diversen Plattformen zu Preisen von bis zu 249 Euro angeboten. Hierfür erhält man i.d.R. ein leicht vergilbtes, mit Stockflecken versehenes und im ungünstigsten Fall beschriebenes Exemplar. In besserem Zustand befinden sich repräsentative, in Leder gebundene Bände einer 1986 im Frank P. van Eck Verlag Vaduz nachgedruckten Ausgabe, die auf 100 Exemplare limitiert war. Hier kann man für unter 100 Euro fündig werden und ein schönes Geschenk für einen passionierten Golfer mit einem Hang zur Historie erwerben!
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