Die Fauna und Flora auf diesem Planeten stirbt aus. Zahlen und Fakten sind der pure Horror. Geschätzt existieren auf der Erde 8,7 Millionen Arten von Organismen, und der World Wildlife Fund (WWF) konstatierte bereits 2014 eine Reduzierung der Artenvielfalt um 52 Prozent. In Deutschland sind vier Prozent der rund 72.000 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten bereits ausgestorben, 31 Prozent mindestens akut bestandsgefährdet, der Feldhamster und der Kiebitz beispielsweise. Oder 41 Prozent der Wildbienen-Arten. Zudem drohen zwei Drittel der hiesigen 863 Biotop-Typen im Wortsinn unter die Räder zu kommen. Die Aussichten sind düster, und wer davor die Augen verschließt, sieht bekanntlich trotzdem schwarz.
Landwirtschaft statt Ökoflächen
Verursacher sind wir! Unser nicht nachhaltiger Ressourcenverbrauch, Stichwort Abholzung der Wälder; unsere Umweltverschmutzung; der Klimawandel, den auch vor Greta Thunberg nur Gesinnungsgenossen von Betonköpfen mit orangefarbenen Haaren geleugnet haben; nicht zuletzt die rücksichtslose Ausweitung der Landwirtschaftsflächen. 1,5 Milliarden Hektar natürliches Ökosystem sind bis 2014 bereits in Anbauflächen umgewandelt worden, das ist 410 Mal die Fläche Deutschlands; nur 25 Prozent der Erdoberfläche sind noch unberührt.
Fauna und Flora müssen es ausbaden
Gerade der westliche Mensch unserer Überflussgesellschaft lebt in Sachen Biokapazität auf Pump: 2,9 Hektar Anbaufläche sind pro Kopf verfügbar, verbraucht werden jedoch Güter von 4,6 Hektar, so hat es das internationale Wissenschaftler-Gremium IPBES (Weltrat für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen) errechnet. Ausbaden müssen Fauna und Flora die intensive Acker- und Viehwirtschaft. Die Hälfte der hierzulande auf Wiesen, Weiden und Äckern lebenden Vogelarten ist gefährdet, beim Grünland sind es gar fünf von sieben Arten. Bedroht ist überdies mehr als ein Drittel aller Ackerwildkräuter. Vom Insektenschwund gar nicht zu reden.
Mitglieder finanzierten Studie zur Artenvielfalt
Lange Vorrede, tiefer Sinn: In diesem Szenario des Schreckens entpuppen sich ausgerechnet Golfanlagen als Bastionen der Biodiversität. Wo früher auf Teufel kommt raus gedüngt, gespritzt und gewässert wurde, finden heute bedrohte Arten Rückzugsräume. Der oft angeprangerte Flächenbedarf eines Golfplatzes wird angesichts intensiv genutzter Kulturlandschaften zum Segen, seine Sicherheitszonen werden zu Habitaten und Refugien.
So wie im Golf- und Country Club Seddiner See südlich von Potsdam. Der Club hat sich seine ökologische Bedeutung unlängst sozusagen amtlich bescheinigen lassen. 2017 wurde – finanziert durch Spenden der Mitglieder und bezuschusst durch den Deutschen Golf Verband – zum zweiten Mal nach 2007/2008 ein „Monitoring der Artenvielfalt“ beauftragt und von ausgewiesenen Experten durchgeführt.
Eisvögel, Heidelerchen, Waldohreulen
Das Ergebnis: Der Golfplatz lebt! Und zwar mehr als je zuvor. In den Uferwänden der Teiche siedelt der Eisvogel, in den Hecken brüten Nachtigall und Sperbergrasmücke, am Waldrand ist die Heidelerche wieder heimisch geworden. Drei Reviere der seltenen Waldohreule wurden ausgemacht, und besonders zu erwähnen sind die Bemühungen zur Wiederansiedlung des eigentlich indigenen Steinkauzes, der allerdings weitgehend aus Brandenburg verschwunden ist. In einer Voliere am Rande des Golfgeländes lebt ein Steinkauz-Paar, von Seddins Greenkeeping-Superintendent David Duke liebevoll betreut, das dort brüten und mitsamt Nachwuchs im Spätsommer ausgewildert werden soll.
Signifikante Zunahme der Rote-Liste-Arten
Gegenüber dem ersten Gutachten nahm die Zahl der Arten auf dem insgesamt 178 Hektar großen Areal am Rand der Gemeinde Michendorf im Bereich der Flora mit 172 Arten um gut 30 und bei der Fauna mit 152 Arten um rund 20 Prozent zu. Schöner noch: Etliches, was auf den kleinteiligen naturnahen, insgesamt 61,7 Hektar umfassenden Flächen kreucht und fleucht, wächst und blüht, steht auf der Roten Liste bzw. ist besonders geschützt. Hier erhöhte sich die Anzahl der Arten von 13 auf 21.
„Da kann der Golfsport was für sein Image tun“
1991, kurz nach der Wende und weit vor der Nutzung als 36-Loch-Golfplatz lag die Biodiversität auf dem landwirtschaftlich genutzten Gelände bei allenfalls einem Drittel des heutigen Artenreichtums und der Bestand an Rote-Liste- oder geschützten Arten bei Null. „Dies verdeutlicht die schöne Erkenntnis, dass Golfplätze absolute Gegensätze zur normalen Landwirtschaft sind“, so Vorstand Horst Schubert. „Das muss man viel stärker rausstellen, da kann der Golfsport was für sein Image tun.“
63 Bewerbungen zum Thema „Golf und Umwelt“
Mit seinem „Monitoring der Artenvielfalt“ gehört der Golf- und Country Club Seddiner See zu den drei Finalisten des Innovationswettbewerbs „Abschlag der Ideen“, den der DGV 2018 gemeinsam mit Partner Allianz für die Kategorie „Golf und Umwelt“ für „innovative, kreative und nachhaltige Umweltprojekte aus dem Golfbereich“ ausgelobt hat. 63 Bewerbungen wurden von einer neunköpfigen Jury nach den Kriterien Innovationsgrad und Kreativität, Vorbildwirkung und Möglichkeit des Transfers, Naturerlebnis und Umweltwirksamkeit sowie Öffentlichkeits- und Imageeffekte gesichtet.
Am Ende blieben drei Projekte übrig, die beim 100. DGV-Verbandstag am Samstag den Mitgliedern zur Wahl des endgültigen Preisträgers vorgestellt werden: Die „GreenCycled Scorecard“ des Stuttgarter Golf-Club Solitude, der „Obstbaumlehrpfad“ des Golfclub Schönbuch und eben das „Monitoring der Artenvielfalt am Seddiner See“.
UN-Titel und Kooperation mit Sielmann-Stiftung
Erste Ritterschläge gab es schon. Die Seddiner gewannen die renommierte Heinz Sielmann Stiftung als Partner für das Monitoring-Projekt sowie die Arbeit im Qualitäts- und Umweltmanagement insgesamt. Und im vergangenen September wurde der Golf- und Country Club Seddiner See für sein Monitoring und das generelle Engagement als „Ausgezeichnetes Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt“ gewürdigt; die Vereinten Nationen hatten das laufende Jahrzehnt so getauft, um auf die weltweite Bedrohung der Artenvielfalt aufmerksam zu machen.
Schubert: „Das alles macht uns natürlich stolz, ist aber vor allem ein Ansporn, die Belange des Umwelt- und Naturschutzes beim Betrieb unserer Anlage am Großen Seddiner See weiterhin bestmöglich zu berücksichtigen.“