So schnell kann‘s gehen: Der Fall Nick Watney lässt eine dunkle Wolke über der zuvor noch so heiteren Welt des PGA-Tour-Restarts aufziehen. Das Corona-Virus schien so weit weg – und plötzlich ist es wieder sehr präsent, weil sich die vermeintliche Blase aufgrund der aufgeweichten Richtlinien als erwartbar löchrig zeigt. Und aus dem erleichterten Frohlocken und gegenseitigen Schulterklopfen nach der Charles Schwab Challenge sind betretene Erklärungsnot und bange Blicke nach vorn geworden. Während Webb Simpson seinen siebten Tour-Sieg feiert, läuft hinter den Kulissen die Verfolgung von Watneys Kontakten. Sein Caddie Tony Navarro, die Erstrunden-Flightpartner Luke List und Vaughn Taylor sowie deren Bag Men wurden bereits ebenso (negativ) auf Covid-19 getestet wie Sergio Garcia, der mit Watney im Privatjet nach Hilton Head Island geflogen war.
Genau das offenbart die Schwachstellen des Hygienekonzepts der Tour, das ursprünglich viel strikter und verbindlicher geschnürt war. Watney reiste individuell an, statt den PGA-Tour-Flieger zu nehmen. Er war in einem privat gemieteten Haus statt im Tour-Hotel. Er ging mit Navarro im Supermarkt einkaufen. Und das in einem Ferienparadies, in dem es laut Justin Thomas zuging „wie in einem Zoo“. Der Weltranglisten-Dritte berichtete von überfüllten Stränden, dicht bevölkerten Restaurants: „Alles voller Menschen, egal, wo ich entlang fuhr. Niemand draußen scheint das Infektionsrisiko besonders ernst zu nehmen. Und unglücklicherweise kann die Tour trotz des umfangreichen Protokolls nicht kontrollieren, wo die Spieler wohnen, essen gehen oder was auch immer tun.“
Genau das war im ursprünglichen Konzept vorgesehen, das „Cocooning“ des gesamten Tour-Trosses, das Tour-Leben in der Blase. Auch wenn Ian Poulter recht hat mit der Aussage: „Irgendwann musste es einfach passieren“: Die PGA Tour hat sich zu fragen, wie sie weiter verfahren kann? Ob ihre Lockerungen nicht ein Fehler waren? Wie sehr sie die Zügel wieder straff ziehen soll? Ob sie von bloßen Empfehlungen doch wieder auf Anweisungen schwenken will? Schon bei der Charles Schwab Challenge gab es jede Menge Sichtungen von mangelnder Distanz, körperlichem Kontakt, Gesprächen auf engstem Raum, obwohl all das im 37-seitigen Hygienekonzept der PGA Tour angesprochen war; Commissioner, Jay Monahan musste denn auch zugeben, dass es „noch eine Menge Arbeit zu tun“ gibt.
Zumal – und das macht die Verfahrensweise noch fragwürdiger –Watneys Befinden den Offiziellen vor Eintreffen des Spielers bekannt war. Er hatte telefonisch vom schlechten Befinden berichtet, sein Fitnessarmband entsprechende Daten geliefert, und hätte die Anlage daher gar nicht erst betreten dürfen, sondern zuhause getestet und erst mal isoliert werden müssen. Stattdessen wurde Watney aufs Übungsareal gelassen, wo er sich auf eine möglich zweite Runde vorbereitet und noch mit Rory McIlroy plauderte – alles ohne Maske –, bevor ihn das positive Testergebnis erreichte.
Weitere Nachlässigkeiten dieser Art kann sich die PGA Tour nicht leisten.
Garcia: „Andere hätten es eher verdient“
Unglückliche Äußerung: Sergio Garcia war vom positiven Corona-Test bei Nick Watney unmittelbar betroffen, da beide gemeinsam in einem Privatjet von Austin/Texas nach Hilton Head geflogen waren. „Es tut mir unfassbar leid für Nick, denn er ist ein guter Freund und ein total netter Kerl“, sagte der Spanier, dessen neuerlicher Test ohne Befund ausfiel, und fügte an: „Da gibt es andere, die hätte so was eher verdient.“
Was klingt wie eine Gehässigkeit gegen ungeliebte Kollegen war eine Anspielung auf das lasche Hygiene- und Distanzverhalten mancher Spieler, während Watney laut Garcia allen Vorsichtsmaßnahmen gefolgt sei. „Andere hätten womöglich nichts gesagt und einfach stillschweigend weitergespielt“, vermutet der Masters-Champion von 2017. „Er hat sich bloß unwohl gefühlt und das sofort gemeldet.“ Laut Watneys Caddie Tony Navarro, der ebenfalls negativ getestet wurde, geht es dem 39-Jährigen gut: „Er hofft bloß, dass er niemanden angesteckt haben könnte und dachte vom ersten Augenblick des positiven Tests nicht an sich, sondern bloß daran, wo er sich zuvor aufgehalten hat und wem er begegnet ist, um alle zu informieren.“
Drives ohne Dimples
Feldversuch: Wer immer schon mal wissen wollte, was die Dimples in den Golfbällen wirklich bringen, der sollte dieses Video anschauen. Da zeigt sich nämlich, was ein glatter, grübchenloser Ball nicht bringt: Länge, Flugkurve, Richtungsstabilität. Statt eines Vortrags über Aerodynamik und Ballistik sei daran erinnert, dass die altvorderen Golfer ihre eigentlich glatten Guttaperchas, die deutlich günstigeren Nachfolger der „Featheries“, mit dem Hammer malträtierten, nachdem sie festgestellt hatten, dass verschlissene, gefurchte oder mit sonstigen Gebrauchsspuren versehene Kautschuk-Kugeln besser flogen als neue, makellose Bälle.
Tiger und Charlie: Wenn der Vater mit dem Sohne …
Dad‘s Day: In den USA war gestern Vatertag, was dort nicht unbedingt auf Bierbikes oder mit Umtrunk-Umzügen begangen wird. Stattdessen gehen die Generationen Golf spielen. So wie Tiger Woods und sein Sohn Charlie, die im Frederica Golf Club auf St. Simons Island/Georgia gesichtet wurden. Der große und der kleine Tiger residierten laut Davis Love III, der auf St. Simons Island lebt, seit vergangenen Donnerstag im exklusiven Resort The Cloister auf Sea Island. Anfangs des Monats hatte Woods Spekulationen über einen möglichen Start bei der RBC Heritage auf Hilton Head Island ausgelöst, weil seine Jacht „Privacy“ in einem Hafen von St Simons Island angelegt hatte.
Michelle Wie brachte Tochter zur Welt
Mutterglück: Michelle Wie ist Mama. Die 30-Jährige wurde von einer gesunden Tochter entbunden, die den Namen Makenna Kamalei Yoona West, kurz Kenna, bekommen soll. Wie ist mit Jonnie West verheiratet, der eine leitenden Funktion beim Basketballteam Golden State Warriors bekleidet, wo auch Golf-Nerd Steph Curry spielt. Wie will übrigens bei der US Open wieder aktiv ins Golfgeschehen eingreifen, die sie 2014 gewann und die heuer im Dezember in Houston stattfinden soll.
McIlroy kritisiert PGA-Tour-Verweigerer
Unverblümt: Rory McIlroy hat mal wieder einen rausgehauen. Vor der RBC Heritage, die für den den Weltranglistenersten mit Platz T41 nicht so berauschend lief, nahm er Kollegen wie Tommy Fleetwood oder Francesco Molinari ins Visier, die wegen der Corona-Auflagen und Quarantäne-Vorschriften auf einen PGA-Tour-Start vorläufig verzichten, während die Weltranglisten-Berechnung wieder aktiviert wurde – was als unfair empfunden wird. „Wem die Karriere wirklich was wert ist, der sollte hier sein“, sagte McIlroy. „Ich an ihrer Stelle hätte die Angebote angenommen, die hier in Sachen Sicherheit gemacht werden. Klar, es gibt immer individuelle Umständen und familiäre Belange, aber wir allen haben die Möglichkeit, in Florida ein nettes Haus zu mieten – da lassen sich zwei Wochen Quarantäne doch ganz gut aushalten.“ Die European Tour pausiert seit März und beginnt wieder am 22. Juli mit dem British Masters.
Halbe Golfanlage wegen seltener Orchidee gesperrt
Naturschutz: Trotz der aktuell hohen Nachfrage nach Golfrunden in Großbritannien hat der öffentliche Ashton Court Golf Course im englischen Bristol die Hälfte seines Platzes gesperrt, weil während des Corona-Lockdown eine seltene Orchideen-Art auf der Anlage entdeckt worden war. Das „Kleine Knabenkraut“ (Anacamptis morio) gilt als gefährdet und mag Magerrasen sowie Stickstoff-arme, wenig gedüngte Böden – was für die ökologische Qualität der Golfanlage spricht. Die neun Bahnen bleiben für die Dauer der Blühphase bis Mitte Juli geschlossen. Was bei den örtlichen Golfern nur sehr bedingt auf Verständnis stößt, hat dem Golfplatz in den sozialen Medien enorm große positive Resonanz beschert.
A golf course in Bristol has closed off nine of its 18 holes following advice from an ecologist, after a rare orchid that had grown during the lockdown was found at the venue. https://t.co/HRd23NDfJ1 pic.twitter.com/vO3tRBySTH
— The Golf Business (@thegolfbusiness) June 20, 2020
Meistertitel für Wiesberger
Kompensation: Ungeahnten Zuspruchs erfreute sich am vergangenen Wochenende die österreichische Golfmeisterschaft. Weil der „Erstliga“-Betrieb bekanntlich noch ruht, reisten die European-Tour-Stars Bernd Wiesberger und Matthias Schwab nach Zell am See und lieferten sich auf dem verschärften Kitzsteinhorn-Kurs ein zähes Duell um die Staatsmeisterschaft, das Wiesberger schließlich mit 260:261 Schlägen für sich entschied und damit eine gelungene Generalprobe für seinen Start beim Memorial Tournament auf der PGA Tour Mitte Juli feierte. Bei den Damen holte sich Emma Spitz den Titel.
Wenn der Vater mit dem Sohn, die Zweite …
Zum Schluss: Weil gestern in der englischsprachigen Welt Vatertag war, soll das auch die abschließende Trickshot-News bestimmen. Hauptdarsteller sind Ryan „Coach Rusty“ Rustand und sein Filius Liam, die in perfekter Synchronizität performen: