Nichts ist, wie es scheint. Sie plauderten, sie scherzten, sie lachten, sie lagen sich in den Armen. Als hätte es ruppige Worte und juristische Fehden, finanzielles Tauziehen und unverhohlene Kriegserklärungen nie gegeben. Die einstige Hartleibigkeit des PGA-Tour-Chefs Jay Monahan gegenüber dem Usurpator aus Riad, seine Nur-über-meine-Leiche-Attitüde? Wie weggeblasen von Leutseligkeit und Sportkameraderie. Die Machtgelüste des saudischen Wirtschaftswesirs Yasir Al-Rumayyan, der sich mit den Milliarden des Staatsfonds PIF zum neuen Machtfaktor im Weltgolf aufschwingt? Verbrämt unter der alerten Attitüde eines charismatischen Kosmopoliten.
Lächeln und die üblichen verbalen Nebelwolken
Wer bei dieser Alfred Dunhill Links Championship auf Neuigkeiten hinsichtlich der Verhandlungen über den Einstieg des PIF als Investor in die neue kommerzielle Unternehmung namens PGA Enterprises hoffte, der ging leer aus. Die Herren plauderten über ihr Golfspiel und das Faszinosum der Schauplätze Old Course, Kingsbarns, Carnoustie. Alles andere wurde weggelächelt, und das wirkte nie aufgesetzt. Man sei bereit, über dieses Andere zu sprechen, ließ Monahan wissen. Die üblichen Nebelwolken. Mehr nicht.
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Wer mit wem und andere versteckte Botschaften
Gleichwohl gab es versteckte Botschaften. Das Emblem des Premier-League-Fußballclubs Newcastle United auf Al-Rumayyans Hoodie beispielsweise, letztlich eine Insignie der saudischen Raubzüge im Profisport. Oder das Wer-mit-wem auf und am Rand der Fairways: Guy Kinnings, seit April Chef der DP World Tour; „Dunhill“-Gastgeber Johann Rupert; der nicht minder milliardenschwere J. P. McManus, Eigner des irischen Märchenschlosses Adare Manor, wo 2027 der Ryder Cup gastiert. Und immer mittendrin: Rory McIlroy, den sie im Policy Board der PGA Tour ausgebootet haben, als er sich um den Rücktritt vom Rücktritt bemühte, und mit einem Sitz im PIF-Verhandlungsausschuss getröstet haben.
McIlroy spielt sein eigenes Spiel
Dort führen Tiger Woods, Jordan Spieth und Patrick Cantlay als Gegner einer Global Golf Tour und mithin eines PIF-Engagements in PGA Tour Enterprises das große Wort. McIlroy wirkt in dieser Konstellation eher wie ein geduldeter Außenseiter. Doch der vom Saulus zum Paulus gewandelte, pragmatische Nordire spielt sein eigenes Spiel. Als Vermittler und Bindeglied zu den weniger betonköpfigen Spielern beider Seiten– getreu der Devise „Wenn du sie nicht besiegen kannst, dann verbünde dich mit ihnen.“ Sein diesbezügliches Statement hallt bis heute nach: „Ob es uns nun gefällt oder nicht, der PIF wird weiterhin Geld für Golf ausgeben. Wir haben es mit einem der größten Staatsfonds der Welt zu tun: Will man den lieber als Partner oder zum Feind haben?“
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Die Strippenzieher hinter den Kulissen
Am Ende der Turniertage an der schottischen Ostküste drängt sich eine Erkenntnis förmlich auf: Das Schisma weicht auf. Der ideologische Riss im Profigolf der Herren wächst zusammen. Vielleicht nicht mit einer sauberen Naht, wie sie durch Verhandlungen erreicht werden kann. Eher mit einer Wucherung. Aber immerhin. Dank Strippenziehern wie McManus, dem zwar aus dem Policy Board zurückgetretenen, gleichwohl hinter den Kulissen immer noch emsigen Jimmy „Dealmaker“ Dunne, gleichfalls zur „Dunhill“ eingeladen. Oder eben Rupert, der die 14 LIV’ler um Brooks Koepka eingeladen und mit Kinnings auch das Tête-à-Tête zwischen von Monahan und Al-Rumayyan eingefädelt hatte.
PGA Tour auf einmal am längeren Hebel?
Überdies wird der Beobachter das Gefühl nicht los, die PGA Tour sitze bei alldem gerade am längeren Hebel und spielt im Ringelrein mit dem PIF auf Zeit, lässt diese für sich arbeiten. Der anfangs so umstrittene „Commish“ Jay Monahan hat seinen Allerwertesten nicht nur gerettet – allein das eine strategische Meisterleistung –, sondern auch bequem gepolstert: durch stabile TV-Verträge, durch die Finanzspritze des Konsortiums von US-Sportunternehmern namens Strategic Sports Group, die der klammen PGA Tour mit der Einlage von 1,5 Milliarden Dollar neue Liquiditätsspielräume eröffnet haben, und last but not least durch die Nibelungentreue von Aktiven wie McIlroy.
Schlechte Karten für Al-Rumayyan?
Auf einmal scheint Yasir Al-Rumayyan die schlechteren Karten zu haben. Die LIV Golf League spielt kein Geld ein und ist eher ein Groschengrab, das Franchisekonzept fruchtet nicht, die Verträge mit Zugpferden wie Dustin Johnson, Bryson DeChambeau, Brooks Koepka oder Cameron Smith laufen 2025 aus. Rahm und Hatton sind die letzten, die ein Ablaufdatum haben; ihre Garantiegagen sind bis 2027 gesichert. Es ist interessanter- und pikanterweise genau das Datum, an dem Adam Scott und Rory McIlroy als Mitglieder des Verhandlungsausschusses der PGA Tour eine Wiedervereinigung erwarten.
Wenn tatsächliche Entwicklungen die Ordnung ändern
Alles kommt zu dem, der warten muss. Mit einem Mal sitzt die PGA Tour am Kopfende des Tischs und lässt die Dinge auf sich zu kommen. Derweil macht sich in der Szene die berühmte normative Kraft des Faktischen bemerkbar. Der Staatsrechtler Georg Jellinek hat damit das Phänomen beschrieben, wenn eine tatsächliche Entwicklung einen Zustand schafft, den die Rechtsordnung schließlich anerkennt.
Aus der Spaltung wird sogar Kapital geschlagen
Das lässt sich mühelos aufs Profigolf der Herren übertragen. Der Erregungshorizont über die Spaltung der Szene hat sich deutlich beruhigt. Mehr noch: Es wird mittlerweile Kapital aus der Frontenbildung geschlagen, in dem man Gladiatoren beider Lager aufeinander loslässt. Das Gefasel diverser Netzpropagandisten vom Ryder Cup zwischen Establishment und Operettenliga wird tatsächlich allmählich Realität. Am 17. Dezember treten auf dem Shadow Creek Golf Course in Las Vegas – wo auch sonst – Branchenprimus Scottie Scheffler und Europas Aushängeschild Rory McIlroy zum monströs vermarkteten Duell mit Koepka und DeChambeau an, die zu ihren PGA-Tour-Zeiten mal ziemlich beste Feinde waren. „The Showdown“ soll nur der Anfang eines komplett neuen und erweiterbaren Formats sein. Was zu beweisen war.
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DP World Tour bietet den Stars beider Lage eine Bühne
Schon jetzt lässt sich besagte Realität bei den bedeutendsten Turnieren der DP World Tour registrieren. Die hat den abtrünnigen Stars mit Sperren und Geldstrafen stets eine Hintertür offengelassen, statt sie nach dem Vorbild der von Monahans Steifigkeit gesteuerten PGA Tour auf Lebenszeit in Acht und Bann zu schlagen. Davon profitiert Wentworth jetzt. Stars wie Rahm und Hatton geben sich die Klinke in die Hand, notfalls über das Mittel der Berufung gegen die verhängten Sanktionen, und sichern sich so die Spielberechtigung für den Ryder Cup und dringend notwendige Weltranglistenpunkte. Was auch die Amerikaner auf den europäischen Circuit treibt – via Einladung beispielsweise –, obwohl die verantwortliche PGA of America ihnen per Dispens die Rückkehr ins Ryder-Cup-Team ermöglicht hat und Skipper Keegan Bradley bereits beton hat, davon ausgiebig Gebrauch zu machen.
Guy Kinnings als lachender Dritter?
Wie auch immer: Die DP World Tour wird auf diese Weise zur Attraktion für den globalen Golffan, der bislang der Hauptleidtragende des Schismas war und bei der PGA Tour weiterhin im Wortsinn das Nachsehen hat. Guy Kinnings könnte zum lachenden Dritten des Tauziehens der Touren werden. Er bietet der Beletage des Spiels eine Bühne und den Fans das sehnlichst vermisste personelle Spektakel. Überdies ist die DP World Tour – nomen est omen – längst international aufgestellt und bedient jene Märkte in Fernost oder Australien, die von der PGA Tour nicht zuletzt aufgrund der Reiseunwilligkeit ihrer Wortführer Woods, Spieth oder Cantlay sträflich vernachlässigt werden. Damit ist er übrigens gar nicht weit von der Philosophie der LIV Golf League entfernt.
Strategische Allianz wird zum Klotz am Bein
Die Strategische Allianz mit dem Big Brother auf der anderen Seite des Atlantik wird auf diese Weise zum Malus und bindet Kinnings noch bis 2035 die Hände für eigene, unabhängige Aktivitäten. Zwei Mal mussten sein Vorgänger Keith Pelley und er schon dem Verdikt aus Ponte Vedra Beach folgen: Beim ominösen Malta-Meeting 2021 und jetzt, als der PIF anbot, seine Spieler in die DP World Tour einzukaufen. Vermutlich ist es keine sonderlich gewagte Spekulation, dass der Engländer diesen Klotz am Bein lieber früher als später los wäre, der den Europäern vor ein paar Jahren noch als Existenzsicherung sehr willkommen, mittlerweile jedoch eher Nachteile mit sich bringt.
Neue Milliarden für den lahmen Gaul, der Al-Rumayyans Steckenpferd war?
Und was wird aus der LIV Golf League? Wird Al-Rumayyan seinen Erfüllungsgehilfen Greg Norman anweisen, die Verträge mit den Kollaborateuren der ersten Stunde noch mal zu verlängern, mit kürzeren Laufzeiten? Wird er erneut zwei, drei Milliarden Dollar in sein unrentables Steckenpferd pumpen, um den lahmen Gaul weiter am Laufen zu halten und einen Zirkus zu finanzieren, den nur wenige sehen wollen und der nicht mal einen Bruchteil des Zasters einspielt, der bislang investiert worden ist? Bei aller Golfliebe Seiner Exzellenz ist das schwierig vorstellbar. Zum Al-Rumayyan ja jetzt dank der „Dunhill“, Guy Kinnings und Johann Rupert eine Menge neuer Freunde hat. Im Gegensatz zu „Brechstangen-Jay“ Monahan sind die ebenso wendig wie er und vermitteln durch geschickte Manöver das hehre Bild vom Sport, der über allem Gezänk stehen sollte.