Heute tagt auf dem Kapitol in Washington wieder der Untersuchungsausschuss des US-Senats zur Causa PGA Tour und PIF, zum angestrebten Pakt des Golfestablishments mit Saudi-Arabiens Staatsschatulle Public Investment Funds. Zum zweiten Mal versucht der Ausschussvorsitzende Richard Blumenthal als treibende Kraft des Tribunals dem Umstand nachzuspüren, „wie ein brutales, repressives Regime Einfluss auf eine geschätzte amerikanische Institution kaufen kann“.
Terminkollisionen und Immunität
Doch der demokratische Senator aus Connecticut und seine Kollegen müssen erneut mit der zweiten oder dritten Darstellergarde dieser Scharade um Macht und Moneten im Profigolf vorliebnehmen. Beim ersten Hearing vor zwei Monaten fehlte PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan wegen seiner krankheitsbedingten Auszeit; Chief Operating Officer Ron Price und das außerordentliche Aufsichtsratsmitglied Jimmy „Dealmaker“ Dunne, der den Tour-Emissär bei den Saudis gegeben hatte, vertraten ihren Boss mehr schlecht als recht. Seinerzeit schon hätte Blumenthal liebend gern Monahans saudischen Counterpart, den PIF-Direktor Yasir Al-Rumayyan, sowie dessen LIV-Kalfaktor Greg Norman ins Kreuzverhör genommen. Beide verschanzten jedoch sich hinter der durchsichtigen Ausrede von Terminkollisionen.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
„Ungeeigneter Zeuge“: Absage an US-Senatsausschuss
Heute soll es um die grundsätzliche Frage von Investitionen des Staatsfonds in den USA gehen. Al-Rumayyan denkt allerdings gar nicht daran, vor dem Ausschuss zu erscheinen und sich in die Karten gucken zu lassen. Diesmal ließ er durch seine Berater ausrichten, er sei ein „ungeeigneter Zeuge“ und „als Minister an die Gesetze des Königreichs [Saudi-Arabien] bezüglich der Vertraulichkeit bestimmter Informationen gebunden“. Sowieso werfe die diplomatische Immunität des Zeugen Al-Rumayyan und des PIF erhebliche rechtliche Bedenken auf.
„Ihr offensichtliches Widerstreben, freiwillig zu erscheinen, wirft Fragen über den Wahrheitsgehalt Ihrer zuvor angeführten Terminkonflikte auf.“
Senator und Vorsitzender Richard Blumenthal zur neuerlichen Absage von Yasir Al-Rumayyan, vor dem Untersuchungsausschuss des US-Senats zu erscheinen
PIF als designierter „Minderheitspartner“
Mit dieser Position waren die Anwälte der LIV Golf League bereits im Rahmen des schier unübersehbaren Klage-Hickhacks mit der PGA Tour vor die Wand gelaufen. Die zuständige Richterin hatte alle Argumente über eine Ausnahmeregelung für Al-Rumayyans geschäftliche Aktivitäten unter dem Schutz der Immunität abgewiesen. Kurz darauf bereitete der überraschende Schulterschluss von PIF und PGA Tour wenigstens dieser juristischen Posse ein jähes Ende, als Al-Rumayyan und Monahan am 6. Juni im TV-Sender CNBC verkündeten, man werde das Kriegsbeil begraben und die jeweiligen Kräfte in einer profitorientierten Unternehmung mit dem Arbeitstitel NewCo bündeln. Dieses wiederum werde vom PIF als designiertem „Minderheitspartner“ finanziert, der überdies bei allen Projekten ein Erstzugriffsrecht als Investor haben soll.
„Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird“
Wenngleich die PGA Tour mantrahaft betont, dank Monahans Rolle als CEO die alleinige und ausschließlich Kontrolle über das neue Konstrukt zu haben, glaubt nicht nur Senator Blumenthal felsenfest an die Gültigkeit des alten Spruchs „Wer die Musik bezahlt, bestimmt, was gespielt wird“. Das gilt erst recht, seit die Gerüchte über eine von NewCo inszenierte Global Golf Tour ab 2025 kursieren, deren 18 Turniere mit 20-oder-mehr-Millionen-Börsen dotiert und einem eingeladenen Elitefeld aus Spielern von der PGA Tour, der DP World Tour und der LIV-Liga gewidmet sind.
Die „Washington Post“ formuliert sehr deutlich, was eh auf der Hand liegt: „Yasir Al-Rumayyan, ein weltgewandter Golfbesessener mit Harvard-Ausbildung und Handicap 12,schickt sich an, der mächtigste Mensch im professionellen Golfsport zu werden.“ Und: Die Rolle als Vorstandsvorsitzender von NewCo in Kombination mit der Finanzkraft des PIF „dürfte ihm den ultimativen Einfluss verschaffen […] Al-Rumayyan hat an der Spitze des Sports Platz genommen“.
„Vorsitzender des neuen Sportimperiums“
Auf der Homepage des „House of Saud“ (Unterzeile: „Aktuelle Nachrichten und Informationen über die Saudi-Royals“) wird der PIF-Direktor ohnehin als „neuer König“ der Golfwelt gefeiert. „Diese Bezeichnung ist zwar zutreffend, wird aber dem vollen Ausmaß seines Einflusses nicht gerecht“, heißt es in dem Beitrag vom 8. September weiter, der als Porträt angelegt ist, indes einer Laudatio gleichkommt: „Mit nur 53 Jahren ist Al-Rumayyan nicht bloß der Vorsitzende des neuen Sportimperiums, sondern auch eine der mächtigsten Persönlichkeiten in der gesamten Welt des Sports.“
Yasir bin Othman Al-Rumayyan, am 20. Februar 1970 als Sohn eines saudischen Vaters und einer syrischen Mutter in Buraidah/Saudi-Arabien in vermögenden Verhältnissen geboren, besuchte die Privatschule Al-Abna’a und anschließend die König-Faisal-Universität, wo er 1993 den Abschluss in Rechnungswesen machte. 2007 absolvierte er zudem ein General-Management-Programm an der Harvard Business School. Der Aufstieg in der Finanzwelt begann mit diversen Positionen, unter anderem bei der Saudi Hollandi Bank. Von 2010 bis 2015 war Al-Rumayyan CEO und Vorstandsmitglied von Saudi Fransi Capital und machte die angeschlagene Investmentbank zu einem der profitabelsten Unternehmen in Saudi-Arabien.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Das wiederum erregte die Aufmerksamkeit des saudischen Kronprinzen Mohammed Bin Salman, der ihn im September 2015 zum geschäftsführenden Direktor des PIF ernannte. Unter der Leitung von Mastermind Al-Rumayyan, der unter anderem auch Vorstandsvorsitzender des Erdöl-Dukatenesels Saudi Aramco ist, erwarb der Staatsfonds Beteiligungen an Unternehmen wie Uber, Disney, Electronic Arts, Nintendo, BP, oder Boeing, kaufte den Premier-League-Fußballklub Newcastle United und ist mit einem Anteil von 97 Prozent de facto Besitzer von LIV Golf. Aktuell wird das Vermögen des PIF auf rund 700 Milliarden Dollar beziffert; bis 2030 will Al-Rumayyan die Zwei-Billionen-Marke erreicht haben.
Reichlich Lorbeer. Dabei wird Al-Rumayyan als unaufdringlich, höflich, eher wortkarg und sehr charmant beschrieben. Gar kein schillernder Typ wie sein Chef, Saudi-Arabiens De-Facto-Herrscher Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS). Er ist Bin Salmans Wirtschaftsweiser und -Wesir, dessen rechte Hand und absolut loyaler Vertrauter, gleichzeitig das operative Organ für die geopolitischen Ambitionen des Kronprinzen, der die Monarchie am Persischen Golf mit der „Vision 2030“ als Big Player auf der Weltbühne platzieren will.
Wirtschafts-Wesir des saudischen Kronprinzen
Deswegen hat all das, was die Saudis mit der Power des PIF betreiben, nichts (mehr) von Sportswashing, wie so gern vordergründig kolportiert wird. Darüber scheint man mittlerweile erhaben. Selbst im Portal „House of Saud“ wird die „beunruhigende Menschenrechtsbilanz“ des Regimes in Riad offen adressiert. Es geht vielmehr um Image, um Markenbildung, um Prestige und Bedeutsamkeit, nicht zuletzt um die Attraktivität als Wirtschaftsstandort und die Akquisition von Unternehmen und Investitionen: Allzu lange mussten die Saudis zähneknirschend zuschauen, dass beispielsweise die Vereinigten Arabischen Emirate dafür erste Wahl waren. Golf passt übrigens genau in dieses Bild: Manager spielen Golf, CEOs spielen Golf, Politiker und allen voran US-Präsidenten spielen Golf.
Bradley Hope, Co-Autor des Buchs „Blood and Oil“, bezeichnet Al-Rumayyan als „hervorragenden Übersetzer zwischen Saudi-Arabien und dem Westen“. „Seine Exzellenz“, so die offizielle Anrede, antichambiert, kombiniert, interveniert; er ist ein Arrangeur, ein Menschenfänger mit Charisma wohl auch – fürs blanke Geschäft hat der PIF Analysten und sonstige Experten zuhauf.
„Sehr beeindruckender und smarter Mann“
Rory McIlroy hat den Drahtzieher hinter der LIV Golf League mal als „sehr beeindruckenden und smarten Mann“ bezeichnet. Bad Luck für die Golfbranche, dass Al-Rumayyan überdies ein ausgemachter Golf-Nerd ist. Während er sich bei PIF-Engagement in der Premier League oder in der Formel 1 ins „Ökosystem des Sportbetriebs“ (McIlroy) integriert hat, darf es beim großartigen Spiel mit dem kleinen Ball gern etwas mehr sein: die freundliche Übernahme einer ganzen Sportart. „Der Mann ist eindeutig ein Golffanatiker“, sagt Politikexperte David Schenker, ehedem Vize-Staatssekretär für Angelegenheiten des Nahen Ostens im US-Außenministerium. „Das ist sozusagen der Schnittpunkt seiner persönlichen und beruflichen Interessen.“
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
LIV-Zauber zur Befriedigung des eigenen Ehrgeizes?
Es gibt Spekulationen, die keineswegs ins Reich der Verschwörungstheorien fallen, dass Al-Rumayyan den ganzen LIV-Zauber nur inszeniert hat, um seinem Ehrgeiz, ja seinem Narzissmus zu frönen, im Golfsport ein, wenn nicht der Faktor zu sein und sich den bereits erwähnten Platz am Kopfende des Tischs zu sichern. Dazu passen die Forderungen, die er der PGA Tour bei den Verhandlungen über das Rahmenabkommen diktieren wollte: die Mitgliedschaft im Augusta National Golf Club und im Royal and Ancient Golf Club of St. Andrews, die Berufung als Präsident des Golf-Weltverbands IGF. So ist die Attitüde der Saudis. Oder wie sagte Al-Rumayyan bei der Bekanntgabe des Rahmenvertrags mit der PGA Tour vor drei Monaten: „Wenn wir Partnerschaften gestalten, dann denken wir sie wirklich groß.“
„Seien wir ehrlich, der Hauptgrund für das Engagement der Saudis im Golfsport ist Yasirs ungebrochene Liebe zu diesem Sport. Wäre er ein Volleyball-Fan, würden sie vielleicht Volleyball-Arenen bauen, eine Volleyball-Superliga gründen und die Volleyball-Weltmeisterschaften ausrichten.“
Keith Pelley, Chef der European Tour Group und der DP World Tour, im neuesten Buch des US-Enthüllungsjournalisten Alan Shipnuck
Woods als Respekt einflößendes Gegengewicht
Auch das wird McIlroy im Hinterkopf gehabt haben, als er dieser Tage erneut gewarnt hat: „So jemanden hat man natürlich lieber als Verbündeten denn als Gegner. Aber wir müssen aufpassen, dass die Saudis den Golfsport nicht in Bausch und Bogen kaufen.“ Umso wichtiger, dass nun Tiger Woods im Policy Board der PGA Tour, dem Kontrollgremium des Circuits, über Wohl und Wehe des Golfsports wacht. Der Superstar mit seiner Strahlkraft, seinem Einfluss und seiner Wirkweise ist DAS Gegengewicht, vor dem selbst ein Yasir Al-Rumayyan Respekt hat – allein schon, weil er „Batman“ Woods und dessen „Robin“ McIlroy mit all den Millionen des PIF nicht kaufen konnte.
Ansonsten freilich gilt, was auch im Porträt des „House of Saud“ die Arie auf Al-Rumayyan beschließt: „In der Welt des Sports und der globalen Wirtschaft ist sein Aufstieg faszinierend und verwirrend zugleich. Er hat sich zu einem Mann mit immenser Macht entwickelt, der über ein Billionen Dollar schweres Imperium verfügt. Seine Verbindung zu einem Land mit beunruhigender Menschenrechtsbilanz wirft zwar Fragen auf und legt einen Schatten über seine Erfolge. Doch erst die Zeit und sein wachsender Einfluss werden die wahre Bedeutung von Yasir Al-Rumayyan verdeutlichen.“