Sie kam, sah und siegte. Lydia Ko hüpfte während des Saison-Showdown auf der LPGA Tour mal schnell nach Saudi-Arabien rüber, gewann mit fünf Schlägen Vorsprung die zweite Auflage des Ladies International, sackte dafür knapp 130.000 Dollar Taschengeld ein und dürfte insgesamt jeden Cent ihres gewiss deutlich höheren Antrittshonorars wert gewesen sein.
Lydia Ko sang brav das Lied der Gastgeber
Die Weltranglisten-Siebte und zweifache Majorsiegerin verhalf nicht nur der European Ladies Tour zu Rampenlicht, die sonst im globalen Golfreigen eher ein Mauerblümchen-Dasein führt: Sie ließ sich vor allem willig vor den Karren des Königreichs spannen, das Missstände, Menschenrechtsverletzungen, sogar Mord zu kaschieren trachtet und seine blutige Hand mit Aber-Millionen aus seinem Public Investment Fund willigen Handlangern zum Willkommen reicht.
Diesmal zielte das „Sportswashing“ der Saudis auf die Rolle und die Rechte der Frauen in der Monarchie am Persischen Golf. Und so trällerte denn Lydia Ko ebenfalls brav das Lied ihrer Gastgeber: „Vergangenes Jahr hat das Turnier mehr als 1.000 saudische Mädchen bewogen, sich anzumelden und Golf lernen zu wollen. Es klingt also so, als würde ich irgendwo spielen, wo man sich wirklich in Golf verliebt.“ Wer die Musik bezahlt, der bestimmt halt, was gesungen wird.
? GO GO LYDIA KO ?
After a final day score of 65 (-7) Lydia Ko is the @aramcoladiesint Champion ?
What a sensational Saudi performance ?#RaiseOurGame | #SaudiLadiesIntl pic.twitter.com/lTVL1sLGaQ
— Ladies European Tour (@LETgolf) November 7, 2021
Zuvor hatte schon Greg Norman eine angebliche Normalität vermitteln wollen. „Ich bin von den saudischen Frauen sehr beeindruckt. Du gehst in ein Restaurant und es sind Frauen dort. Sie tragen keine Burkas. Und sie gehen raus und spielen Golf“, konstatierte der Chef des neuen Turnier-Promoters von Saudi-Arabiens Gnaden, LIVM Golf Investments. Wie lautete noch mal das geflügelte Goethe-Wort? Ach ja: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“
Moral vs. Mammon in anderem Licht
Viel ist geschrieben worden über Haltung vs. Habsucht, über Sport und Politik, über die Käuflichkeit von Athleten, die sich wie Dustin Johnson oder Justin Rose gern mit Plattitüden und Hülsen rausreden, wenn sie auf „Sportswashing“ angesprochen werden: „Ich komme, um Golf zu spielen, nicht als Unterstützer“ (Johnson); „ich bin kein Politiker, sondern Profigolfer“ (Rose). Manchmal lässt sich das freilich nicht trennen. Und ein gewisse Vorbildrolle ist wohl inkludiert, wenn man Millionen für Darbietungen auf der Weltbühne einstreicht.
Das aktuelle Beispiel des Saudi Ladies International freilich wirft noch mal ein anderes Licht auf den Konflikt zwischen Moral und Mammon. Nicht in Bezug auf Lydia Ko – wie „D.J.“ und Co. hätte die Neuseeländerin auf den Schotter des Schurkenstaats gut verzichten können, ohne zu verhungern. Aber gerade bei den Proetten der European Ladies Tour (LET) sind nur sehr wenige Brötchen halbwegs gut belegt. Die meisten Spielerinnen leben von der Hand in den Mund, um im Bild zu bleiben.
Weniger als 20.000 Euro pro Saison verdient
Die Dotierung des Damen-Events im Royal Greens Golf & Country Club von einer Million Dollar ist das Vierfache dessen, was ansonsten im Höchstfall auf der LET ausgeschrieben wird. Leonie Harm als Nummer 9 und beste Deutsche der europäischen Geldrangliste hat bislang 193.806 Euro verdient, was angesichts von Kosten und Aufwand nur auf den ersten Blick stattlich klingt. Mit derselben Platzierung wie Harm bringt es LET-Spitzenreiterin Anna Nordqvist (798.737 Euro) im Money Ranking der LPGA auf 1,196 Millionen Dollar.
Worum es indes wirklich geht: 97 der 166 auf der LET-Geldrangliste geführten Spielerinnen haben heuer nicht mal 20.000 Euro verdient; das blasen die männlichen Stars allein durch die Triebwerke der Privatjets, wenn sie nach Riad fliegen, um aberwitzige Antrittsgagen abzugreifen.
Finanzielles Füllhorn für den Damen-Circuit
Lassen sich da wirklich dieselben moralischen Standards wie bei den männlichen Multi-Millionären anlegen? Die Antwort der pragmatischen LET-Chefin Alexandra Armas fällt kurz und bündig aus: „Meine Aufgabe ist es, unseren Sportlerinnen Spielmöglichkeiten zu bieten.“ Golf Saudi habe große Pläne fürs Damengolf, „da macht es sehr viel Sinn, hierher zu kommen und beim weiteren Aufbau mitzuwirken“. Fünf Millionen Dollar hat Riad in diesem Jahr in acht LET-Turniere investiert; und wenngleich dieselben Summe bei den Herren allein fürs Saudi International 2022 bereit gestellt wird, ergießt sich damit ein finanzielles Füllhorn auf den wirtschaftlich wankenden Damen-Circuit.
Zwist zwischen Überlebensdrang und Untergang
„Nur wenige Spielerinnen beharren auf Prinzipien, weil Prinzipien nun mal keine Miete bezahlen“, schreibt beispielsweise Eamon Lynch in „Golfweek“. „Die Saudis beherrschen dieses Kalkül, und bei der LET können sich darauf verlassen, dass es funktioniert.“ Der Würgegriff stößt auf wenig Widerstand: Denn die Schecks aus Riad sichern das Überleben der Tour und vieler Akteurinnen. Nur darum geht es. Ausschließlich. Existenziell. Und deswegen fällt auch die berechtigte Kritik vergleichsweise leise aus.
Haltung muss man sich halt nicht nur leisten wollen, sondern gleichermaßen leisten können. Es ist ein ewiges moralisches Dilemma: der Gewissenszwist zwischen Überleben mit etwas biegsamem Rückgrat und Untergang in steifer Aufrichtigkeit. Ohnehin schade und bitter, dass Damen-Golf – das europäische zumal – vor allem dann Aufmerksamkeit erhält, wenn’s um solche Themen geht. Sportlich hätten die Ladies den entsprechenden Fokus umso mehr verdient.