Mehr Abgeschiedenheit geht kaum. Wir sind in Polen, genauer gesagt in Westpommern, rund 230 Kilometer oder knapp drei Autostunden östlich von Berlin. Das Gelände der Neumark ist hügelig, der Baumbestand dicht, jedes Gewässer kristallklar, die Historie kompliziert. Hier, am Rand der Kreisstadt Choszczno, hat der Finanz- und Investmentmanager Artur Gromadzki ein kleines Golfidyll in die liebliche Landschaft gepflanzt. Modry Las trägt die Gegend im Namen, wörtlich übersetzt heißt es „blauer Wald“.
Trommelwirbel für das erste Highlight
Wie das zusammenpasst, zeigt sich schon auf den ersten beiden Bahnen. Der Auftakt fließt als entspanntes Dogleg rechts am Saum der Bäume dahin – notorische Slicer freilich lernen den Eichen-, Kiefern- und Birkenbestand ganz schnell auf unliebsame Weise kennen, zumal bei Kaltstart. Auch Loch zwei verläuft in einem Bogen, und nach einem gelungen Drive folgt zur Belohnung ein berauschender Blick aufs Grün des Par-5 vor der Kulisse des spiegelglatten, tiefgründig schimmernden Raduñ-Sees.
Womit „Modry Las“ erklärt wäre und man sich von der Poesie abwenden und stattdessen auf den beileibe nicht mal schnell daher gespielten zweiten Schlag über einen Wasserlauf knapp 140 Meter vor dem Grün konzentrieren kann.
Ach, spätestens jetzt sollte natürlich noch angemerkt werden, dass Gary Player bzw. die Designfirma des südafrikanischen Altmeisters den Platz konzipiert hat. Die wulstigen Kanten der Topfbunker beispielsweise sind ein untrügliches Merkmal, sie gleichen vielfach fast den Rändern eines Schlauchboots, kennt man ansonsten eher von manchen Promi-Lippen.
Reminiszenz an einen „Nice Guy“
Der neunfache Majorsieger sei sogar mehrfach in Choszczno gewesen, habe sich persönlich um das Projekt gekümmert und stets von der „wunderschönen natürlichen Landschaft“ geschwärmt, erzählte beim ersten Besuch des Autors Head-Pro und Akademie-Leiter Stewart Snedden (Foto), der vor zwei Jahren im Alter von 54 Jahren einem Herzschlag erlegen ist – während eines Golfturniers.
Snedden war eine Type, ein „Nice Guy“ von knorriger Statur, der erzählen konnte und was zu sagen hatte, Ex-Angehöriger britischer Spezialmilitärs, Mitglied der Honorable Company of Edinburgh Golfers in Muirfield. 2010 kam er von Schottland nach Polen, um beim Aufbau des im Jahr zuvor eröffneten Kurses zu helfen und wurde dort sesshaft. Diese Reminiszenz an einen Charakterkopf sei gestattet.
Patron Gromadzki selbst hatte Golf eigentlich gar nicht im Sinn, als er das knapp 130 Hektar umfassende Gelände rund ums Anwesen der Familie 1993 kaufte. Auch der Kontakt zu Gary Player kam erst durch die Initiative eines Geschäftsfreunds zustande.
Seither wurde Modry Las mehrfach zum Polens bestem Golfplatz gewählt, muss sich die Ausnahmestellung im Norden des Landes allerdings mittlerweile mit Sand Valley viel weiter im Osten teilen. Doch im Gegensatz zum Projekt einer finnischen Unternehmerfamilie in unmittelbarer Nähe der Autobahn von Warschau an die Ostsee liegt Modry Las letztlich irgendwo im Nirgendwo, diese Perle muss man erst mal finden.
Artifiziell, aber nie künstlich
Indes, es lohnt sich. Der Parkland-Parcours ist ein gefälliges Auf und Ab an Spannung und Aufregung. Das allerdings auf hohem Niveau. Players Planer und die Raupen haben in Sachen Erdbewegung gute Arbeit geleistet. Modry Las ist artifiziell, wirkt jedoch nur selten so; es gewährt Verschnaufpausen mit einfach zu treffenden Fairways sowie gut zu attackierenden Grüns und zieht dann wieder an. Auf Loch 7 beispielsweise, einem Par 5 mit knackiger Bebunkerung im Landebereich des Drive und dem von Wasser und einem steinernen Wall bewachten Halbinsel-Grün. Das übrigens in Sachen Fairway-Features mit der 15 nahezu ein Pendant hat, womit Modry Las’ kleines Manko benannt ist: Manche Bahnen sind sich zu ähnlich.
Einzigartig und herausragend hingegen ist die 15. Das 142 Meter lange Par 3 (von Gelb), ebenfalls mit einem Naturstein-bemäntelten Grün und dem außergewöhnlich geformten Bunker an der rechten vorderen Kante, der ins frontale Wasser ausläuft, hat Kalender-Qualität.
Amphitheater für den Schlussakkord
Gleichermaßen schließt Modry Las mit einem Finale furioso. Die 18 hat von Gelb 444 Meter (Par 5), windet sich wiederum als Dogleg rechts um den langgestreckten Raduñ-See und wirkt wie eine Art Amphitheater für den Schlussakkord. Vom Abschlag geht’s hinab in einer Senke und dann – entsprechende Länge vorausgesetzt – wieder hangaufwärts. Nur die strategisch exzellent platzierten Sandhindernisse sollte man tunlichst vermeiden.
Am Ende wartet dann das endlich weitgehend fertiggestellte Clubhaus im Landhausstil. Und „Orli Las“, der kleine 9-Loch-Par-3-Bruder, den man ebenfalls unbedingt kennen lernen sollte. Allein schon weil der Kurs sich – direkt am See gelegen – genau so wunderbar in die Waldlandschaft der Neumark einfügt. (modrylas.pl)
Fischen, Reiten, Wassersport
Where to be: Die Region um Choszczno, früher Arnswalde, rund 70 Kilometer östlich der westpommerschen Hauptstadt Stettin, ist dank der Vielzahl möglicher Outdoor-Aktivitäten – von Wassersport über Angeln und Reiten bis hin zur Jagd – eine beliebte Ausflugs- und Feriendestination. Die historische Landschaft Neumark wiederum gehörte bis 1945 zur preußischen Provinz Brandenburg, ein kleiner westlicher Teil ist bis heute Bestandteil des Bundeslands, alles andere zählt zur Woiwodschaft Lebus, die an Brandenburg und Sachsen grenzt.
Where to eat: Über Geschmack soll man ja bekanntlich nicht diskutieren, aber an den Erzeugnissen des Landstrichs führt in Sachen Kulinarik eigentlich kein Weg vorbei. Und Stettiner Paprika (eingewecktes Fischgericht), die Stettiner Pastetchen (herzhaft, meist mit Fleisch gefüllte Teigtaschen), oder mit Zapfen marinierte Pilze (Honig, grüne Tannenzapfen) muss man zumindest mal verkostet haben. Ebenso den Honigwein Met Trójniak, der nach jahrhundertealter und streng definierter Herstellungsweise lange im Eichenfass reifen muss.
What to see: Ein Ausflug nach Stettin ist durchaus empfehlenswert. Die Universitätsstadt an der Mündung der Oder ins Stettiner Haff hat eine sehenswerte Altstadt mit Greifenschloss und Jakobskathedrale sowie natürlich die berühmte Hakenterrasse mit dem Nationalmuseum am Westufer der Oder. Und die ausgedehnten Sandstrände der Ostsee sind dann auch nicht mehr weit.
Where to stay: Wer sich nahezu ausschließlich auf Golf konzentrieren will, dem sei Modry Las selbst als Quartier empfohlen. Die Anlage offeriert mitten im Platz drei „Woodland Cottages“, gelegen im Bereich zwischen dem achten und dem 16. Loch. Die Bungalows haben 50 Quadratmeter Fläche und zwei Schlafzimmer, bis zur Grillstelle draußen sind es nur wenige Schritte, bis zum nächsten Abschlag bloß ein paar Meter. Außerdem gibt es sechs „Garden Suites“ für maximal zwei Personen mit Blick auf die Bahn 16 und im neuen Clubhaus elf luxuriöse Gästesuiten.