Die Waste Management Phoenix Open hat sich über die letzten 20 Jahre zu einem der größten Sportevents Amerikas entwickelt und zog in dieser Saison unglaubliche 719.179 Zuschauer vor Ort im TPC Scottsdale in ihren Bann. Eine Zahl, die ob deutscher Golf-Verhältnisse schier unglaublich erscheint und in der Nachbetrachtung unseren Autor ins Grübeln bringt.
Wie ist so etwas nur möglich und was machen wir falsch?
Als die amerikanischen Kommentatoren im Laufe der Finalrunde der Waste Management Phoenix Open 2018 die offizielle Besucherzahl über die gesamte Turnierwoche hinweg bekanntgaben, blieb unserem Autor kurz die Spucke weg und er wähnte sich verhört zu haben. Über 700.000 Menschen fanden den Weg auf die Anlage des TPC Scottsdale in Arizona und sorgten für die tatsächlich "Greatest Show on Grass", wie das Turnier seit einigen Jahren "liebevoll" genannt wird.
Eine Zahl, die in der Nachbetrachtung noch viel sagenhafter wirkt, übersteigt sie doch um knapp 50.000 die der in Deutschland aktiven Golfer. Ohne Frage deklariert der Deutsche Golf Verband Jahr für Jahr ein konstantes, wenn auch minimales Wachstum. Doch die Tatsache, dass es in Deutschland Stand Anfang 2018 644.943 Clubgolfer gibt, macht ob der Zuschauerzahlen bei der Waste Management Phoenix Open mehr als betroffen.
Es stellen sich Fragen, die in Deutschland keiner so wirklich beantworten kann, geschweige denn möchte. Vielmehr würde eine Konfrontation mit den Ereignissen rund um die Waste Management Phoenix Open zu Empörungen führen und die "Regelpäbste" und "Clubsakkoträger" der Nation auf den Plan rufen.
Gemeint ist, dass ein Event wie in Arizona in Deutschland weder gewollt noch möglich ist. Selbstverständlich liegt dies zu aller erst an der wesentlich niedrigeren Einwohnerzahl Deutschlands und desweiteren an der Verbreitung des Golfsports und dem Image. Doch geht man ein bis zwei Schritte weiter und betrachtet das Publikum der Waste Management Phoenix Open, liegen spannende Lösungen und Ideen auf der Hand.
Studenten haben die Waste Management Phoenix Open groß gemacht
Zur Erklärung der Idee unseres Autors muss zunächst etwas zurückgegangen werden. Die Waste Management Phoenix Open hat sich in den letzten 20 Jahren zu einem Spektakel entwickelt, wie es im Golfsport kein zweites gibt. Nicht einmal der von allen heiß und innig geliebte Ryder Cup kommt an die Show in Phoenix heran. Doch woran liegt es, dass dieses Event so polarisiert und so viele, vor allem junge Menschen, in seinen Bann zieht?
Die Antwort ist ganz einfach. Emotionen, Ermäßigungen und Ekstase! Diese drei Punkte ermöglichen und spielen das Event und seine Veranstalter gekonnt seit vielen Jahren. Dazu die Zielgruppe. Diese besteht fast zu 50 Prozent aus College-Studenten, die es sich inzwischen zweimal überlegen, ob es zum Spring Break nach Mexiko geht oder zur "Greatest Show on Grass".
Hier wurde der Grundstein schon sehr früh gelegt. Mit der Arizona State University im Rücken schaffte es das Event zu einem Magneten für College-Studenten zu werden. Dank illustrer Absolventen wie Phil Mickelson und Co. war die Identifikation von vornherein gegeben und innerhalb kürzester Zeit fanden sich nicht nur golfbegeisterte Studenten im TPC Scottsdale ein, sondern fast alle Immatrikulierten.
Die richtigen Knöpfe drücken
Diese Zielgruppe gezielt bespielend weitete sich das Event über Arizonas Grenzen hinweg aus und zog Jahr für Jahr mehr College-Studenten in seinen Bann. Bedingt durch das junge Publikum, die ausgelassene Stimmung und die Idenfikation der Profis mit dem Turnier wurde eine Mischung geschaffen, die es so nirgends anders gibt. Doch der Erfolg und die Umsetzung sind dabei mehr als simpel und logisch. Die Zutaten sind nämlich nichts anderes als die bereits erwähnten Emotionen, Ermäßigungen und Ekstase.
Empfindungen und Angebote nach denen jeder junge Mensch auf der Suche ist und deren Befriedigung recht einfach und massentauglich umsetzbar ist. So gesehen auch in diesem Jahr wieder bei der Waste Management Phoenix Open. Doch spätestens jetzt stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass mehr Zuschauer zu diesem Turnier pilgern, als es "organisierte" Golfer in Deutschland gibt.
Warum funktioniert der Golfsport in Deutschland nicht?
Die Antworten sind sicherlich zahlreich doch einige möchten beleuchtet und angeführt werden. Wenn soeben College-Studenten als Motor der Veranstaltung angeführt wurden, muss in Deutschland der Hochschulsport betrachtet werden. Inwiefern bietet dieser golfbegeisterten jungen Menschen oder Studenten, die einfach nur auf der Suche nach Sportevents im Rahmen ihres Ökosystems sind, eine Bühne?
Gewiss gibt es in Deutschland die Deutschen Hochschulmeisterschaften im Golf, doch nehmen daran meist weniger als 80 Spielerinnen und Spieler teil und für die golfbegeisterten "Highhandicapper" ist dieses Event eine Qual. Studenten aus den DGL-Mannschfaten der ersten und zweiten Liga laufen für zwei Tage unter der Flagge ihrer Hochschule auf und spielen mit gewohnt elitärem Touch den Sieg unter sich aus. Ein kleiner versprengter Kern der Unigolftour haucht der ganzen Veranstaltung etwas Leben ein, wobei dies wohl kaum gewünscht ist.
Eben jene Unigolftour, die sich aus dem Unigolfteam der Universität Lüneburg ausgründete, kann als eine der wenigen Bastionen im "Kampf" gegen die Tristesse und Engstirnigkeit des deutschen Golfsports herangezogen werden. Gut organisiert, feierwütig aber auch sportlich motiviert veranstalten die Studentinnen und Studenten inzwischen fast 20 Turniere im Jahr und hauchen dabei dem angestaubten, wenn nicht sogar komplett verstaubten Golfsport etwas Leben ein.
Es geht um die richtige Zielgruppe und Meinungsmacher
Ein "Einhauchen", das dem DGV und weiteren Institutionen meist abhanden kommt oder von Anfang an im Sande verläuft. Natürlich sind Aktionen wie "Abschlag Schule" und Co. sehr löblich und in gewisser Weise auch erfolgreich, doch erreichen sie ein Publikum und sprechen sie eine Zielgruppe an, die noch nicht ausreichend begeistert werden kann.
Vielmehr sollten es nach Meinung unseres Autors nämlich die Studenten und jungen Berufstätigen sein, die es auf die Plätze der Nation zu locken gilt. Dies gelingt momentan jedoch weder dem DGV noch den Golfclubs. Besonders letztere verstricken sich in allzu viel Bürokratie und Gier und vergessen dabei ihre Position als Dienstleister im Multimillionen-Markt der Freizeitindustrie.
Eine Lösung sollte daher die Aktivierung, Mobilisierung und Motivation eben jener Zielgruppe sein, die bei gegebener Begeisterung schließlich auch als stärkstes Sprachrohr und als Meinungsmacher in Deutschland unterwegs ist und wahrgenommen wird. Doch so lange starre Strukturen in Marmor gefliesten Clubhäusern vorherrschen und die Pläne und Lösungen von rüstigen Herren im Zweireiher-Sakko erarbeitet werden, wird es schwer die Zukunft bzw. die jungen Menschen zu begeistern.
Richtig ist, dass in Deutschland seit vielen Jahren die Nachwuchsarbeit stagniert. Die Verantwortlichen solten in Europa z.B. einmal nach Frankreich und Großbritannien schauen, denn dort wachsen permanent gute Spieler nach.
Die USA kann dabei auch als Vorbild dienen. Nicht wünschenswert sind aber die Zuschauermassen wie in den USA, von denen ein großer Teil das Golfturnier mit einem Oktoberfest verwechselt. Leider hat Ihr Kommentator diesen Aspekt unterschlagen.
Mit besten Grüßen