Der Horror hält sich in Grenzen: Die USGA verkauft ihr Major gern als „härtesten Test im Golf“, doch man hat bei einer US Open schon weitaus schlimmeres erlebt. Erin Hills mit seinen in den Drive-Landezonen bis zu 55 Meter breiten Fairways präsentiert sich trotz imposanter Zahlen keineswegs brutal. „Es gibt eine Menge Raum vom Tee, und wenn man den besten Spielern der Welt diesen Raum gibt, dann muss man auch niedrige Scores erwarten“, sagt Lee Westwood.
Zum Auftakt blieben 44 Spieler unter Par, so viele wie noch nie in der US-Open-Historie. Gleichzeitig war es mit einem Durchschnittsscore von 73,33 die einfachste erste Runde seit 1983. Gestern dann versammelten sich an der Spitze gleich vier Spieler mit -7 gegen Par, Paul Casey, Brian Harman, Tommy Fleetwood und Brooks Koepka, auch das gab‘s bei einem USGA-Major noch nicht. Und die Cutlinie von 145 Schlägen (+1) ist die zweitniedrigste nach den 143 von Olympia Fields 2003 (+3), gegen Par mit Medinah 1990 sogar die niedrigste.
Recapping the top moments from the second round of the 117th #USOpen. pic.twitter.com/OO78s7LXry
— U.S. Open (USGA) (@usopengolf) 17. Juni 2017
Die Gründe sind schnell aufgezählt: Erin Hills spielt sich weniger lang als es misst, selbst bei der gestrigen Distanz von 7.168 Metern, „weil viele Fairways gerade im Landebereich der Abschläge bei 245 bis 255 Metern bergab führen“, sagte Danny Willett, der gestern wegen einer Rückenverletzung ausstieg. Zudem trocknet der Parcours nach den Regenfällen aus, was die Bälle länger rollen lässt, während sie auf den Grüns nach wie vor sehr gut halten. Und grober Wind ist bislang Mangelware.
Nicht zuletzt spielt das Par von 72 eine Rolle, die USGA hat diesmal darauf verzichtet, aus mittleren Par-5-Bahnen knackig-lange „Vierer“ zu machen. Also, solange man das Rough vermeidet und im Bunker nicht an einer der ungemein engen Stellen landet, ist Erin Hills ein Schaf im Wolfspelz. Noch.
Brooks Koepka zum kompletten Spieler gereift
In Lauerstellung: Brooks Koepka gilt auch als einer, auf dessen endgültigen Durchbruch die Golfwelt seit geraumer Zeit wartet. Der Baseball-Fan, der Golf als Zuschauersport eher langweilig findet, war 2014 „Rookie of the Year“ auf der European Tour, feierte 2016 in Hazeltine ein erfolgreiches Ryder-Cup-Debüt und peilt jetzt als Mitglied des Spitzenquartetts von Erin Hills den US-Open-Sieg an. Den letzten Schliff dafür gab ihm die Freundschaft und das gemeinsame Training mit Dustin Johnson sowie die Arbeit mit „D. J.‘s“ Trainer Butch Harmon und dessen Sohn Claude.
So ist aus dem 27-Jährigen ein sehr athletischer und ziemlich kompletter Spieler geworden, mit meilenweiten Drives dank enormen Schwungtempos und viel Touch auf dem Grün.
@djohnsonpga and @bkoepka throwing some metal around after the first round.
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Rickie Fowler und Paul Casey bei „Bookies“ vorn
Wetten, dass..? Die Favoriten für den Triumph in Erin Hills sind unverändert, bloß näher zusammengerückt. Bei den Buchmachern rangieren Rickie Fowler und Paul Casey mit 11:2 nun gleichauf, nachdem Fowler gestern mit seiner 73 etwas einknickte, während Casey sich angesichts von immerhin sechs Birdies fragen wird, wo er heute stehen würde, wenn nebst zwei Schlagverlusten vor allem das Triple-Bogey auf Bahn 14 nicht gewesen wäre.
Brooks Koepka und Hideki Matsuyama als nächste zahlen 13:2 bzw. 9:1, mit 12:1 folgen J.B. Holmes und Tommy Fleetwood, der mit einer Top-15-Platzierung auch die reguläre PGA-Tour-Karte für die kommende Saison sicher hätte.
Counting down 9 of the best shots from the second round of the #USOpen. pic.twitter.com/Of7YYwjfVf
— U.S. Open (USGA) (@usopengolf) 17. Juni 2017
Butch Harmons Motivationstrick für Rickie Fowler
Motivation: Ist Rickie Fowler endlich reif für den ersten Majorsieg? Das inoffizielle fünfte, die Players Championship, hat der 28-Jährige ja 2015 bereits gewonnen. Trainer Butch Harmon hat jetzt verraten wie er den Ehrgeiz des Kaliforniers angestachelt hat, galt Fowler doch lange eher als Posterboy und Teenie-Schwarm. „Ich fragte ihn Ende 2016, ob er lieber ein Kardashian sein wolle oder ein ernsthafter Golfprofessional. Noch bist Du nur ein King in den sozialen Medien“, provozierte Harmon seinen Schüler in Anspielung auf die amerikanischen It-Girls: „Ich wollte eine Parallele ziehen zu Leuten, die eine Menge Ruhm bekommen, ohne dafür etwas zu tun, und ihn anstacheln, mehr an sich und seinem Spiel zu arbeiten.“
Novum: Top 3 der Welt gemeinsam raus
Das gab‘s auch noch nie: Erstmals seit der Einführung der Weltrangliste 1986 sind beim selben Major alle drei Topspieler am Cut gescheitert. Dustin Johnson beendete die US Open vorzeitig mit +4, Rory McIlroy mit +5 und Jason Day gar mit +10. „Ich hätte nicht besser schlagen können, habe es aber auf den Grüns vermasselt“, sagte Johnson: „Das Set-up des Platzes war perfekt für uns drei. Aber letztlich geht‘s halt ums Putten, und ich bekam den Ball nicht schnell genug ins Loch.“
Da tröstet es wenig, dass die Drei namhafte Gesellschaft haben. Das Wochenende in Erin Hills verpassten u. a. auch Justin Rose, Adam Scott, Henrik Stenson, Thomas Pieters, Bubba Watson, Graeme McDowell, Jimmy Walker, Alex Noren, Memorial-Sieger Jason Dufner und Wesley Bryan. Ach ja, Jon Rahm, Favorit des Autors übrigens, ist ebenfalls nicht mehr dabei. Der Spanier (+5) verabschiedete sich mit einem sehr unschönen Wutanfall. Kevin Van Valkenburg vom TV-Sender „ESPN“ hat die Details:
Was standing near Jon Rahm a minute ago when he:
1. Bellowed an F-Bomb
2. Slammed his wedge
3. Kicked it
4. Picked it up & slammed it again— Kevin Van Valkenburg (@KVanValkenburg) 16. Juni 2017
Here? pic.twitter.com/UG4d25bmBP
— Kevin Power (@KevinPower5) 16. Juni 2017
McIlroy verliert gegen Na, gewinnt aber auf Twitter
Wer zuletzt lacht: Es ist nicht bekannt, ob Kevin Na zur Häme neigt. Grund zur Schadenfreude hätte er gleichwohl. Rory McIlroy hatte dem US-Pro nach dessen Kritik am Rough von Erin Hills geraten, besser abzureisen, wenn er die breiten Fairways des US-Open-Kurses nicht zu treffen imstande sei. Und dann verfehlte eben jener McIlroy während der ersten Runde 9 von 14 Fairways, traf in Runde zwei nur 12 von 18 Grüns „in regulation“ und musste selbst vorzeitig die Koffer packen, zum zweiten Mal hintereinander bei einer US Open übrigens.
Hätte er mal geschwiegen... Stattdessen aber lieferte er sich anschließend noch ein Twitterduell mit dem gern vollmundigen Steve Elkington, PGA Champion von 1995, der ihm vorwarf, finanziell zu satt zu sein. Dieses Duell wenigstens hat „Rors“ eindeutig gewonnen:
More like 200mil... not bad for a "bored" 28 year old... plenty more where that came from. pic.twitter.com/R2nigEaee7
— Rory McIlroy (@McIlroyRory) 17. Juni 2017
Gestatten, Schauffele und Champ
Neue Gesichter: Xander wer? Wie, Champ? Auf einem Leaderboard, das mit Masters-Triumphator Sergio Garcia den ersten Majorsieger auf T19 führt, stechen zwei unbekannte Namen besonders ins Auge: die der beiden US-Open-Debütanten, Kalifornier sowie Qualifikanten Xander Schauffele und Cameron Champ (je -5). Schauffele (23) ist PGA-Tour-Rookie mit drei Top-25-Platzierungen, Nummer 352 der Welt, wird von Vater Stefan trainiert und kommt aus Phil Mickelsons Heimatstadt San Diego.
Playing with nothing to lose, @XSchauffele and @CameronChamp54 are leaving it all on the course. https://t.co/aOWaCarjAd pic.twitter.com/xwS8VL3ePk
— U.S. Open (USGA) (@usopengolf) 16. Juni 2017
Champ ist Amateur, kommt aus Sacramento, spielt für die Universität von Texas, feierte am Donnerstag seinen 22. Geburtstag und führt mit Abschlägen von durchschnittlich 310 Metern die Drive-Statistik des US-Open-Felds an. Golf lernte er schon als Zweijähriger von seinem Großvater Mack Champ, der als Caddie gearbeitet hatte und dem als Afroamerikaner damals der Weg auf den Golfplatz verwehrt blieb.
94-jähriger Zuschauer gestorben
Trauerfall: Die 117. US Open hat einen Toten zu beklagen. Gestern Nachmittag wurden Sanitäter auf eine Tribüne am sechsten Grün gerufen, um einen offenbar ohnmächtigen Mann zu behandeln, doch die Wiederbelebungsmaßnahmen bei dem 94-Jährigen aus Wisconsin blieben erfolglos, er verstarb im Rettungsfahrzeug. Nach Angaben der Polizei waren natürlich Umstände die Todesursache.
„Beef“: Mit süßen Sandwiches ins Wochenende
Zum Schluss: Mit all dem Major-Ballyhoo hat Andrew „Beef“ Johnston wenig am Hut, macht höchstens Scherze. Und solange der freundliche Engländer nicht hungern muss, ist ohnehin alles bestens. Daher schaffte sein Manager Shaun Reddin gestern auch flugs zur Halbzeit der Runde noch Proviant ran. „Die 18 Loch hier sind ein langer Marsch und ich wollte sicher sein, dass ich genug Verpflegung im Bag habe“, sagte „Beef“, dessen Morgenmahl bei einer Startzeit um 7:18 Uhr Ortszeit vermutlich eher kurz ausgefallen war. Dafür gab‘s als zweites Frühstück vier (!) Sandwiches mit Erdnussbutter und Marmelade. Derart gestärkt ließ Johnson seiner Auftakt-69 eine 73 folgen und ist damit im Wochenende.