Das „Hasenfest“ steht vor der Tür, und „im Tale grünet Hoffnungsglück“ notierte schon Goethe in seinem „Osterspaziergang“. Zwei Wochen später ist Masters, und grüner wird‘s nicht mehr, das steht fest. Die „Bundesgartenschau“ in Georgia dient gern als Golfkurs-Ideal und weckt bei Clubmitgliedern begehrliche Frühlingsgefühle: „Warum sieht unser Platz nicht so aus?“ Weil Augusta nur 300 Mitglieder hat, spärlich bespielt wird und vor dem Masters monatelang geschlossen ist. Weil Kohorten von Platzarbeitern Hand anlegen. Weil High-End-Technik bis hin zu Rasenheizung und unterirdischer Bewässerung im Einsatz ist. Letztlich alles eine Frage des Geldes. Derweil wird hierzuland gemosert, wenn sich auf dem Spielfeld ein braunes Hälmchen zeigt und nicht aller Flor so makellos ist wie der heimische Teppichboden.
Braunes Gras schläft bloß
Keine Bange, es folgt weder ein Exkurs in Agronomie, noch eine Vorlesung über Rasenkunde. Eigentlich muss man nur wissen, dass braune oder goldene Halme erstens nicht schlechter als grüne sind und zweitens vielfach sogar besser. Und dass Ihr Club keineswegs mit der Wasserrechnung im Rückstand ist.
Während der US Open in Chambers Bay 2015 tönte ein Unkundiger via Twitter: „Ist das Gras tot, oder warum ist der Platz so braun?“ Heilige Einfalt! Nein, der Turf von Chambers Bay war ebenso wenig abgestorben wie Pinehursts Belag im Jahr zuvor oder die Vegetation in Muirfield, als Phil Mickelson 2013 seine erste Open Championship gewann.
Gräser fallen bloß in einen Ruhezustand, wenn die Bedingungen unwirtlich werden, sei‘s durch Kälte oder Trockenheit. Salopp formuliert spart sich der Halm durch diese Dormanz seine Kraft fürs Überleben und pfeift aufs Grünsein. Kommt beizeiten belebendes Nass, blüht das Geläuf wieder auf. Apropos blühen: Gras kann überdies während seiner Blütezeit die Farbe wechseln.
Festuca rubra steht für Nachhaltigkeit
Ohnehin ist Braun vielfach das bessere Grün, keine neue, indes eine nicht oft genug wiederholbare Erkenntnis. Brauner oder goldener Rasen zeugt nämlich vor allem von den genügsamen und widerstandsfähigen Gräsern, die keine Tonnen von Dünger, Pestiziden und Wasser brauchen, um allen Widrigkeiten zu trotzen. Festuca ist ein Paradebeispiel, der robuste Schwingel, die traditionelle Vegetation der klassischen Linkskurse mit ihren kargen Sandböden an zumeist rauen Küsten.
Chambers Bay ist Festuca pur, von den Abschlägen bis zu den Grüns. So gesehen hat der amerikanische Golfverband USGA mit der Vergabe seiner Meisterschaft ein bemerkenswertes ökologisches Statement abgegeben. Und das in den USA, wo jahrzehntelang die Plätze überdüngt und fast geflutet, nicht selten mit Farbbeigaben noch grüner gemacht wurden. Schon Martin Kaymers US-Open-Triumphstätte Pinehurst war so ein Signal. Bei der Renovierung zuvor hatte das Architektenduo Ben Crenshaw/Bill Coore rund 16 Hektar Rough „gejätet“, 700 Sprinkler demontiert und den Wasserverbrauch damit um gut 40 Prozent reduziert.
Der „Kuckuck“ Poa annua
Der Antipode von Festuca ist Poa annua, das einjährige Rispengras, ein Gewächs von der Sorte, die allenthalben gepriesen wird: fett, dicht, fast blaugrün. Freilich auch ein Schmarotzer, der sich per Windbestäubung in anderen Graspopulationen einnistet. Als Kuckuckskind quasi, das im fremden Nest alles verdrängt und aushungert. Selbst in der trockenen Festuca-„Wüste“ von Chambers Bay hatte sich der invasive Fiesling breit gemacht, sorgte durch sein flotteres, zudem grundsätzlich uneinheitliches Wachstum für unebene Grüns. Poa annua wird man kaum und nur mit erheblicher Mühe wieder los, sowieso kommt es oft wieder.
Um dieser Sisyphusarbeit zu entgehen, werden eine Menge Golfplätze direkt mit der aufdringlichen Rispe eingesät. Pebble Beach ist wohl der berühmteste „Poa-Platz“.
Dabei ist der wuchernde Schnorrer nicht mal pflegeleicht, das „einjährig“ in seinem deutschen Namen sagt alles. Gegenüber Festuca braucht Poa doppelt so viel Wasser, Düngung und Pflegeaufwand. Doch wenn es eingeht, bleiben kahle Flächen. Folglich wird Poa annua mit allen Mitteln über jeden Winter gepäppelt, weil es irgendwann nicht mehr sterben darf. Ein Heidenaufwand.
Also, es grünt so grün? Nein, wir sollten uns vielmehr über farbliche Vielfalt auf unseren Spielwiesen freuen, im Sinne von Umweltschutz, verantwortlichem Umgang mit Ressourcen und Nachhaltigkeit!