Wie war das noch, um das Masters zu gewinnen, braucht man eine Menge Erfahrung mit Augusta National? Fragen Sie mal Jordan Spieth! Beim zweiten Anlauf direkt ins grüne Jacket, dazu mit allerhand Rekorden und eingestellten Bestmarken: Aus dem Traum eines golfenden Teenagers ist eine beeindruckende, allenfalls mit dem Werdegang von Tiger Woods zu vergleichende Erfolgsstory geworden, die gestern auf Augustas 18. Grün ihren vorläufigen Höhepunkt fand.
Spieth ist erst der vierte Spieler der Masters-Historie, dem so schnell der Triumph gelang. Jimmy Demaret (1940), Herman Keiser (1946) und Charl Schwartzel (20011) waren freilich teils bedeutend älter, als der Texaner mit seinen 21 Jahren und acht Monaten. Und sie hatten weitaus schwächere Debüts – Schwartzel belegte 2011 den geteilten 30. Platz –, während Spieth es schon vergangenes Jahr haarscharf verpasste, jüngster Sieger aller Zeiten zu werden. Weil er in der Finalrunde weiche Knie bekam, drei Bogeys spielte und Bubba Watson das Sakko überlassen musste.
„Die größte Ehre in unserem Sport“
Dafür marschierte er diesmal durch: Unaufhaltsam wirkend und, von einigen kleinen Wacklern abgesehen, beeindruckend souverän - als erster Start-Ziel-Gewinner seit Ray Floyd 1976. Auf dem Weg holte er sich den Eintrag als jüngster Erstrunden-Führender, markierte den niedrigsten 36- und 54-Löcher-Score (130 bzw. 200 Schläge), notierte am Sonntag auf der 15 als neuen Masters-Spitzenwert sein 28. Birdie und knackte nur wegen des „gehudelten“ zweiten Putts auf dem Schlussloch den Gesamtrekord nicht, sondern egalisierte lediglich Woods‘ 270 Schläge aus dem Jahr 1997. Geschenkt!
„Der Gewinn des Masters ist die größte Ehre in unserem Sport“, sagte Spieth hernach kein bisschen müde, obwohl er vor lauter Aufregung erst am Sonntagmorgen ab sieben Uhr ein wenig Schlaf gefunden hatte. Kann man sich bei ihm gar nicht vorstellen, so ausgeglichen und abgeklärt er mittlerweile meist wirkt.
2014, da verlor er noch ab und zu die Fassung, wenn‘s nicht nach Wunsch lief, haderte und schimpfte mit sich – und spielte anschließend auch nicht besser. Das hat er abgelegt. „Wir reden über einen alten Kopf auf jungen Schultern“, sagt der dreifache Masters-Champion Nick Faldo und vergleicht Spieths mentale Stärke mit der von Jack Nicklaus.
Enger Zusammenhalt der Familie Spieth
Vielleicht lag‘s aber auch an der Nachricht von Mentor Ben Crenshaw, die der zweifache Masters-Sieger seinem texanischen Landsmann vor dem Finale schickte: „Bleib geduldig. Das wird Dein Ding. Halt den Kopf unten und bewahre Dir den Fokus.“ Check!
Reif und geerdet, das sind die Attribute, die einem jungen Mann mit schon leicht lichtem Haar gelten, der 2012 Profi wurde, als jüngster Titelträger im US-Profigeschäft seit 82 Jahren die John Deere Classic 2013 gewann, dann die Hero World Challenge 2014 und die Valspar Championship 2015 folgen ließ und am Masters-Sonntag zum vierten Mal in Serie eine Finalrunde in der letzten Gruppe bestritt. Zwischendurch fand er sogar die Zeit und die Achtsamkeit, seinem Flightpartner und engsten Verfolger Justin Rose nach gelungenen Schlägen einen „Like“-Daumen zu zeigen.
Am Rand der Fairways begleiteten Mutter Chris und Vater Shawn, Bruder Steven (19), ein hochtalentierter Basketballer, Freundin Annie Verret sowie eine Menge seiner einstigen Kommilitonen den neuen Champion. „Wir sind alle hier, um ihn zu unterstützen und ihm beizustehen“, sagte Verret, mit der Spieth seit der Highschool zusammen ist.
Jordan Spieth and his girlfriend Annie Verret seem to lead a relatively simple life. #Masters http://t.co/skaP4ETEMo pic.twitter.com/vEvmNZDZPl
— STN Sports (@STN_Sports) 12. April 2015
PGA Tour preist ihre neue Lichtgestalt
Nur Schwester Ellie fehlte, die 14-Jährige leidet unter Autismus. Vor allem der Umgang mit ihr habe Jordans loyalen und beständigen Charakter geformt, verriet Vater Shawn Spieth: „Er hatte von jeher sehr viel Familiensinn und war immer schon sehr geerdet, aber das hat auch viel mit Ellie zu tun.“
Die PGA Tour preist derweil ihre neue Lichtgestalt, seit heute Nummer zwei der Welt und allenthalben schon als Nachfolger von Tiger Woods gehandelt, in den höchsten Tönen: „Um einen Golfplatz vor Jordan Spieth zu schützen, muss man Teiche in die Mitte der Fairways graben und Putter verbieten.“
Der so Gelobte hat sein nächstes Ziel schon definiert und nimmt den Branchen-Primus Rory McIlroy ins Visier: „Ich freue mich darauf, ihm demnächst öfter in der 'Hitze des Gefechts' zu begegnen.“ Die Herausforderung heißt Platz eins der Weltrangliste - der Fehdehandschuh ist geworfen!