Mein erster Schläger war ein altes 56° Wedge der Fazer Contender Series II. Der Schlägerkopf glich eher einer Schaufel, es war kein „Trusty Rusty“, kein edler Schläger. Gut genug aber für Ausflüge in einen Berlin-Neuköllner Hinterhof, wo sich eine großartige Übungsfläche auftat: eine grüne Hügellandschaft, durch Bäume und Häuserfassaden eng begrenzt. Seit diesen ersten Versuchen bin ich mit dem Golfvirus infiziert, ist der autodidaktische Ansporn geweckt. Lange war die Wednesday Selection auf Eurosport die einzige Vorlage, um auszuprobieren, zu lernen und das Gefühl für den ureigenen Schwungapparat zu entwickeln. Die erste Lektion: Der Kopf schwingt, nicht der Schläger.
Golf auf urbanem Raum: Challenge Accepted!
Für eine solche Herangehensweise ist der urbane Raum Berlins ein idealer Nährboden. Im Zentrum kann dort die Handlungslogik eines Golfers stehen, der das Spiel liebt, ohne Gefahr zu laufen, dem Darstellungsreflex einiger Golfclubs zum Opfer zu fallen: Wer hat den längsten Drive, wer die neuesten Schläger, wer sieht wie ein „Professional“ aus.
Mittlerweile bin ich im fünften Jahr der Implementierung des Golfsports in meinen Alltag. Was es brauchte, waren Bälle und meist nur ein Schläger. Ob man nun in einem Park die große Eiche annähert, auf Fußballplätzen den Ball mit dem Pitching-Wedge an den gegenüberliegenden Pfosten nagelt, spontan im Lichte einer Laterne chippen geht oder gemütlich ein paar Bälle in die Spree „drived“ hieß es fortan: Challenge Accepted!
Urbanes Golf ohne Punk-Attitüde
Die Übungsmöglichkeiten in der Stadt sind mannigfaltig. Ich habe mir den Lebensraum auf andere Arten angeeignet als vorgesehen und betrachte ihn nicht nur als Durchlaufstation von Arbeit zur Wohnung und umgekehrt. So wurde Golf für mich zu einem urbanen Vergnügen, wie es für andere das Skateboarding oder Frisbee spielen ist.
Dabei gibt es für mich einen Unterschied zum Crossgolf: die fehlende Punk-Attitüde nämlich. Es geht mir dabei nicht um Abgrenzung, sondern um eine Öffnung des Golfsports und ein Plädoyer für seine Alltagstauglichkeit. Das Spiel im öffentlichen Raum sollte für mich von Beginn an einen Trainingseffekt haben, um auch auf „richtige Plätze“ übertragbar zu sein.
Golfen geht auch für günstig
Immer wieder traf man auf ähnliche Floskeln: Wie, du spielst Golf? Wo kann man denn hier Golf spielen? Ist das nicht teuer? Ein Floskeltriumvirat, das ich durch meine Art des Golfspiels zu widerlegen suche. Zum Beispiel lässt sich eine Ausrüstung moderat zusammenstellen; zum Beispiel bei jedem beliebigen Internetshop oder -auktionshaus. Mittlerweile spiele ich die Apex-FTX S-Wedge-3 Eisen für 140 Euro.
Platzreife ist keine Frage des Papieres
Golfplätze zu spielen liegt in der Natur des Sports. Anfänglich nur mithilfe bloßen Charmes, einer grundlegenden Offenheit und erprobten Leidenschaft für das Golfspiel begann ich mit sportlichem Ehrgeiz „richtige“ Golfplätze zu bespielen. Ob man das nun geglückte Dreistigkeit nennt oder nicht; auch ohne Clubmitgliedschaft kann man 18. Loch gehen, dabei an der 89 kratzen und sich eines klar machen: Die Platzreife ist mit Sicherheit keine Frage des Papieres. Wenn vor einem teure Spielmaterialien über die Wiese geschubst werden, der Ball das Gefühl des Fliegens aber nur vom Hörensagen kennt, kratzt man sich schon am Kopf.
Eine kleine Plastikkarte, die Clubmitgliedschaft, sagt nichts aus über die Spielstärke oder die Neigung zum Ausbessern von Divots und Pitchmarken. Vielleicht kommen die Umsicht und der Respekt auch eher, wenn man den Ort seines Golfspiels nicht als Dienstleistung erfährt, sondern als Orte des Zusammenlebens - in der Stadt oder auf dem Golfplatz.