Der deutsche Energiemarkt: Tausende Strom- und Gas-Anbieter, ein Dschungel an Tarifen, Markt- versus Endverbraucherpreis, Entlastungsbeträge, Abschläge, Neukunden- gegenüber Bestandskundengebühr, Arbeits- und Leistungspreise, Tag-Nacht-Differenzen, regionale Unterschiede, die Preisdeckel der Bundesregierung etc. pp. Und unterm Strich? Unwägbarkeiten und große Unsicherheit. Assyrische Keilschrift-Hieroglyphen sind vermutlich einfacher zu entschlüsseln, als die verklausulierten Diffusitäten, die in den vergangenen Wochen von den Versorgern ins Haus geflattert sind. Das einzige, das klar ersichtlich ist und jeder weiß, ohne ein Wort verstanden zu haben: Es wird teu(r)er.
Unwägbarkeit und Unsicherheit trotz Stabilisierung
Immerhin bleiben die Blackouts wohl aus, die noch im November 2022 als Apokalypse schwarzgemalt worden waren: Frierende Menschen, mit Pullovern, Jacken und Decken vermummt, die sich zähneklappernd an der kalten Heizung zusammen kuscheln und im trüben Licht irgendeiner „gepreppten“ Tranfunzel auf die schwindende Akkuleistung ihrer Mobiltelefone starren. Will heißen: Kerzenlicht gab’s vermutlich vorwiegend, weil gestern Valentinstag war – in der romantischen Version halt. Doch obwohl sich die Lage einigermaßen stabilisiert ließ, diverse Maßnahmen greifen und die Preisrallye auf dem Energiemarkt an Tempo verloren hat: Der Energiesektor bleibt die große Unbekannte in der Kostenkrise.
Aktuelle Preise für Strom und Gas
Zur Einordnung: Aktuell schlägt die Kilowattstunde Strom für den privaten Endverbraucher laut Vergleichsportal Verivox mit durchschnittlich 47 Cent zu Buche, noch vor einem Jahr waren es 30 Cent/kWH. Beim Gas bewegen sich die Preise mit aktuell 11,8 Cent pro Kilowattstunde im Mittel (für Neukunden) auf dem Niveau von Anfang 2022, nachdem der Ukraine-Krieg zwischenzeitlich Spitzen von 40 Cent/kWh erzeugt hatte. Der milde Winter, das Wissen um gut gefüllte Speicher und die anlaufende LNG-Versorgung haben den Markt beruhigt. Zudem und vor allem greifen die Einsparungen in Industrie, Gewerbe und Haushalten. Dennoch hat sich der Preis gegenüber dem ersten Halbjahr 2021 nahezu verdoppelt, damals wurden für Erdgas im Schnitt 6,41 Cent je Kilowattstunde aufgerufen.
Sparmaßnahmen: Akkus, Licht, Heizung, Warmwasser
Es bleibt also dabei: Warm anziehen im wörtlichen wie übertragenen Sinn und „sparen, sparen, sparen“ lautet die Devise. Das gilt natürlich ebenso für die Golfanlagen, wo man sich mit der Faustformel konfrontiert sieht, dass alles mindestens 30 Prozent teurer geworden ist, und landauf landab entsprechende Maßnahmen eingeleitet hat. Die Akkus von E-Carts und E-Trolleys hängen nicht mehr permanent am Strom, das Licht im Clubhaus wird gedämpft, die Heizung um ein, zwei Grad runter und das Warmwasser in den Duschen abgedreht, wie es der Kollege Peter Marx unlängst von einem Club aus dem Schwarzwald berichtet hat. Oder der Brausebereich wird gleich ganz geschlossen. Dass vielerorts die Gastronomie eh über den Winter pausiert, ist vor diesem Hintergrund mehr als hilfreich.
Neu-Mitglieder, bloß um Teuerung auszugleichen
Generell gilt: „Wir haben gelernt, mit den Teuerungen zu leben“, sagt Florian Gneist, Geschäftsführer der Betriebs-GmbH des Berliner Golfclub Stolper Heide. Für die Anlage nordöstlich der Bundeshauptstadt hat sich der Strompreis von 2020 auf 2022 mehr als verdreifacht. Die Gas-Kosten wiederum dürften ebenfalls von rund 25.000 Euro für 2022 auf heuer 75.000 Euro steigen, prognostiziert Gneist und macht eine simple Rechnung auf: „Ich brauche theoretisch 75 Mitglieder mehr, um allein diese Steigerung aufzufangen, ohne dass es deswegen hier wärmer wird. Daher geht nichts über sparen.“
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Maßnahmenkatalog zeigt Wirkung
Und über Kommunikation. Um die Mitglieder mitzunehmen. „Alle sind gefordert, beim Sparen zu helfen. Das muss vernünftig vermittelt werden“, verdeutlicht Gneist, der einen Maßnahmenkatalog aufgestellt hat und in der Verwaltung mit gutem Beispiel voran geht. Siehe Licht und Wärme. „Man muss sehr kleinteilig denken und ein bisschen Hirnschmalz einsetzen. Aber gefühlt haben wir allein durch solche vergleichsweise geringen Änderungen 20 Prozent eingespart“, schätzt Gneist für den Bereich des Clubhauses. „Wenn der Gaspreis-Deckel greift, kommen wir vielleicht bei Plus-Minus-Null raus.“
Löwenanteil des Kostendrucks im Greenkeeping
Freilich, das dicke Ende der Rechnung findet sich draußen – hier gilt gleichermaßen Adi Preißlers legendärer Leitsatz „Entscheidend is’ auf’m Platz.“ Denn im Greenkeeping fällt der Löwenanteil des Kostendrucks an, mit dem sich die Golfanlagen herumplagen. Bei den Betriebsmitteln, beim Personal und beim Strom fürs Bewässerungsmanagement, für Pumpen, Regner etc. Allein diesbezüglich kalkuliert Michael Blesch, Chef der Green Eagle Golf Courses in Winsen (Luhe), für 2023 eine Kostensteigerung um 60.000 bis 80.000 Euro ein, rund das Dreifache. „Also schaltest du die Beregnung aus und schickst jemandem mit dem Schlauch herum, um neuralgische Stellen gezielt zu behandeln.“
Strom-Vertragspartner 550 Kilometer entfernt
Dabei hat er noch Glück, weil durch die Arbeiten am neuen West Course die Hälfe des bisherigen Süd Course zur Baustelle geworden ist und sich im Greenkeeping nicht mehr niederschlägt. Ähnlich froh ist man in Brandenburg. Um die Versorgung der 42-Loch-Anlage (zwei 18-Loch-Plätze plus Kurzplatz) sicher zu stellen, ist Stolper Heide an die Strombörse gegangen und hat dort einen Vertrag mit den 550 Kilometer entfernt angesiedelten Stadtwerken Velbert geschlossen – so absurd geht’s im Energiebereich zu –, durch den sich die Kosten „nur“ verdoppeln.
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Feste Rechnungsgröße, stabile Energiekosten
„Unser Energieberater sagt: ,Greift ja zu und seid froh, dass Ihr eine feste Rechnungsgröße und für ein Jahr kalkulierbare Energiekosten habt“, erzählt Geschäftsführer Gneist. Sein größter Posten nach den Personalkosten sind die Pumpen fürs Grund- und Beregnungswasser, die statt zuvor 80.000 nunmehr – wenigstens stabile – 160.000 Euro verschlingen. „Nur, um überhaupt die Qualität zu halten; ohne dass sich am Produkt sichtbar und positiv was verändert“, merkt Gneist an. Auch das muss man Mitgliedern und Gästen erstmal verklickern.
Schnellschüsse zur alternativen Energiegewinnung?
Selbst im Eilverfahren auf alternative Energiegewinnung umzurüsten, ist keine Lösung. „Das kann ja momentan niemand bezahlen“, weiß Blesch, der Photovoltaik gleichwohl mittelfristig auf dem Zettel der geplanten Erweiterungen seiner Anlage nahe Hamburg hat. 500.000 bis eine Million Euro wären zu investieren, von der Lieferkettenproblematik der zumeist aus China kommenden Zellen nicht zu reden. Blesch ließ stattdessen zwei Wetterstationen installieren, deren Daten ins Wasser-Management einfließen, will den Porsche Nord Course sowie die anderen Rasenareale nur noch am Wochenende großflächig beregnen. Unter der Woche wird die Beregnung ausgeschaltet und punktuell mit Hand bewässert.
Rare Ressource Wasser
Im Golfclub Stolper Heide läuft’s genauso. „Unser Head-Greenkeeper guckt sich Bahn für Bahn, Regner für Regner an, was wo und wie reduziert werden kann“, sagt Gneist. Bereiche, die für ein ansprechendes Bild der Gesamtanlage und der Plätze nicht von Bedeutung sind, bleiben ohnehin außen vor. „Es geht ja nicht nur um Pumpenleistung und Stromverbrauch, sondern generell um die rare Ressource Wasser“, bringt Michael Blesch noch einen ganz anderen Aspekt ins Spiel.
„Sparen zu müssen ist das Beste, was passieren konnte“
Die aktuelle Situation zwingt die Golfanlagen nämlich endgültig zum nachhaltigen Arbeiten, sofern das nicht bereits allfällig gelebte Praxis ist. „Auf einmal haben wir – notgedrungen – wieder ein Bewusstsein dafür entwickelt und angefangen, unser Verhalten zu überprüfen“, bestätigt Florian Gneist. „Wasser oder beispielsweise Dünger sparen zu müssen, ist völlig gerechtfertigt und das Beste, was uns passieren konnte“, betont Baumeister Blesch, der schon seit langem die Philosophie von „Green Eagle Nature“ und eine Kreislaufwirtschaft verfolgt: „Du wirst einfach gezwungen, noch ökologischer und wirtschaftlicher zu agieren.“ Wie schon mehrfach konstatiert: Eine Krise eröffnet nun mal auch Chancen.